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Umwelt
Erschreckende Momentaufnahme der Luftverschmutzung

Am 31. Juli ist das NASA-Forschungsflugzeug DC-8 auf eine 26-tägige Messreise um die Welt gestartet. In dem "ATmo" genannten Projekt wird eine Momentaufnahme der Luftverschmutzung über Land und über dem Meer erstellt. Die bisherigen Eindrücke sind erschreckend.

Von Dagmar Röhrlich | 15.08.2016
    Die Antarktis im Oktober 2012, von einer Douglas DC-8 der NASA aus fotografiert. Das fliegende Labor soll die Luftverschmutzung in der Atmosphäre messen.
    Die Antarktis im Oktober 2012, von einer Douglas DC-8 der NASA aus fotografiert. Das fliegende Labor soll nun die Luftverschmutzung in der Atmosphäre messen. (EPA/MICHAEL STUDINGER/NASA/dpa picture alliance)
    Der Mensch produziert eine Menge Luftschadstoffe. Die trägt der Wind zwar davon, doch aus der Welt sind sie deshalb keineswegs. Sie werden vielmehr verteilt, verdünnt, irgendwann mit dem Regen ausgewaschen und landen dann auf dem Boden oder im Meer. Doch wie genau laufen diese Prozesse ab? Wie verändern sich die Schadstoffe auf ihrer Reise, und welche Effekte lösen sie bis zu ihrem Verschwinden aus? Diesen Fragen gehen gerade Forscher an Bord der mit Sensoren und Computern beladenen DC-8 der NASA nach. Steven Wofsy von der Harvard University erzählt:
    "Wir sind in Kalifornien gestartet, flogen zum Nordpol und steuerten dann den Zentralpazifik und Neuseeland an. Von da aus geht es über den Süd-Ozean nach Chile und weiter zur Mitte des Atlantiks, von dort aus nach Grönland und schließlich zurück in die USA. Dabei fliegen wir die ganze Zeit auf und ab: Wir beproben die Atmosphäre von der Meeresoberfläche bis hinauf in zwölf Kilometern Höhe. Dafür braucht man schon einen starken Magen."
    Beim Projekt ATmo werden mehr als 200 Gase aus Luftproben der Atmosphäre analysiert
    Die Flugroute der DC-8 führt vor allem übers Meer, denn das Projekt ATmo soll erstmals die Atmosphäre über den Ozeanen systematisch untersuchen. Über die chemischen Reaktionen, die dort ablaufen, wissen die Forscher mangels Daten viel zu wenig. Gemessen wird jedoch auch über Land, so Wofsy:
    "Wir untersuchen Stickoxide, die durch photochemische Reaktionen wieder andere Schadstoffe erzeugen. Wir messen diverse Kohlenwasserstoffe von denen einige natürlichen Ursprungs sind und andere anthropogen. Methan interessiert uns besonders, aber auch andere Substanzen wie Ozon und Ruß. Auch der kann natürlichen Ursprungs sein oder eben menschengemacht."
    An Bord werden in jeder Luftprobe Aerosole und mehr als 200 Gase analysiert, und es wird verzeichnet, wo diese Probe genau genommen worden ist. Die Analysen sollen zeigen, woher die Schadstoffe stammen, wo und wie schnell sie chemisch reagieren und wo sie schließlich wieder aus der Luft verschwinden. Besonders wichtig sind dabei die Auswirkungen von anthropogenen Schadstoffen in entlegenen Meeresgebieten, sagt Wofsy:
    "Das Seltsame an der Atmosphärenchemie ist nämlich, dass etwas mehr Schadstoff in einer ohnehin belasteten Umgebung kaum etwas bewirkt. In einer sauberen Umwelt können jedoch geringste Mengen einen sehr großen Einfluss auf die Atmosphärenchemie haben. Die Wirkung beispielsweise von Stickoxiden ist dort dann um ein Vielfaches höher als in Ballungsräumen."
    "Das arktische Meereis kollabiert vor unseren Augen"
    Ob es überhaupt noch wirklich reine Atmosphärengebiete auf der Erde gibt und wenn ja, wo, das können die Forscher derzeit nicht sagen. Wohl aber wie erschreckend die Veränderungen sind, die sie bei ihrem Achterbahnflug um die Welt von Bord der Maschine aus sehen:
    "Wir sind über das Arktische Packeis geflogen - oder besser über das, was einmal das arktische Packeis war. Vor 20 Jahren gab es dort noch eine wilde Landschaft mit verkeilten und aufgepressten Eisschollen. Jetzt ist das Eis glatt wie ein Tisch und dunkel gefärbt von den Schmelzwasserseen darauf. Wir brauchen uns nicht mehr mit Vorhersagen aufzuhalten: Das arktische Meereis kollabiert jetzt gerade vor unseren Augen."
    Dann fügt Steven Wofsy noch an, dass auch die Satellitendaten nahelegen, dass der Eisverlust in diesem Jahr größer sein werde als jemals zuvor.