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Belastende Mitschnitte
Netanjahu attackiert TV-Sender

Der Konflikt zwischen Israels Ministerpräsident und Medien verschärft sich: Von einem TV-Sender veröffentlichte Aufnahmen belegen, wie Netanjahu Druck auf seinen Kommunikationsminister ausübt. Der Politiker widerspricht nicht – spricht aber dennoch von einem "Anschlag gegen die Demokratie".

Von Tim Aßmann | 03.09.2019
29.05.2019, Israel, Jerusalem: Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, nimmt an einer Knesset-Sitzung teil.
Israels Ministerpräsident Netanjahu wirft vielen Medien eine "Hexenjagd" gegen seine Person vor (picture alliance / Ilia Yefimovich)
Die Aufnahmen, die nun für Aufregung sorgen, sind knapp zwei Jahre alt. Der israelische Fernsehsender Kanal 20 hatte damals Probleme mit einer staatlichen Aufsichtsbehörde, die nicht der Meinung war, dass der Sender die Vorgaben erfüllte, um Nachrichtensendungen im Programm zu haben. In dieser Situation sprach Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit seinem Kommunikationsminister Ayoub Kara über das Thema und irgendwer im Raum schnitt mit. Kanal 20 stand der Regierungspolitik positiver gegenüber als andere israelische Fernsehprogramme und Netanjahu wollte, dass der Sender weiter auch Nachrichten bringen darf. Auf dem Audiomitschnitt ist zu hören, wie sich Netanjahu an Minister Kara wendet:
Was mit den Auflagenverstößen des zehnten und des zweiten Kanals sei, fragt Netanjahu und Ayoub Kara antwortet, jeder begehe Verstöße. "Kannst Du das Aufsichtsgremium auflösen?", will der Regierungschef wissen, und als der Minister antwortet, man prüfe, schlägt Netanjahu vor, die ganze Kontrollbehörde gleich komplett abzuschaffen.
Unerlaubte Einflussnahme
Die Echtheit der Aufnahmen wird weder von Netanjahus Likud-Partei noch von Ex-Minister Kara bestritten. Dieser beteuert aber, sie nicht bekannt gemacht zu haben, und Parteifreunde von Benjamin Netanjahu, wie der Abgeordnete Miki Zohar, stellten sich schützend vor den Regierungschef.
"Alles, was man diesen Aufnahmen entnehmen kann, ist zu hören, wie der Premierminister für die Rettung von Kanal 20 kämpft, welcher kurz vor der Schließung stand. Dieser Kanal war damals im Bereich der Medien die letzte Stimme, die sich den rechten Themen noch annahm und auch die rechte Seite repräsentierte."
Die Aufnahmen scheinen zu belegen, dass Netanjahu versuchte, Einfluss auf die Arbeit des Kommunikationsministeriums zu nehmen, obwohl die Justiz ihn vorher aufgefordert hatte, genau das nicht zu tun. Netanjahu war zeitweise selbst Kommunikationsminister, doch weil es bei den Korruptionsvorwürfen gegen ihn seit Jahren auch um die mögliche Beeinflussung von Medien geht, machte die Justiz Druck und Netanjahu legte das Amt als Minister nieder.
Schon länger zerrüttetes Verhältnis
Das Verhältnis des israelischen Langzeitpremiers zu einigen großen Medien im Land ist schwer belastet. Netanjahu wirft vor allem zwei der drei größten Fernsehsender und den meisten Zeitungen vor, die Korruptionsvorwürfe gegen ihn zu instrumentalisieren und eine Hexenjagd zu betreiben. Nachdem Kanal 12 Teile von Zeugenaussagen gegen Netanjahu veröffentlich hatte, ging der Premierminister die Verantwortlichen des Senders und der zuständigen Produktionsfirma scharf an.
"Es ist interessant, dass diese 'freie Presse' immer nur in eine Richtung geht, einseitige Botschaften sendet und verzerrt und verfälscht. Die Journalisten sind in erster Linie angeheuert worden, um einen Anschlag gegen die israelische Demokratie zu verüben."
Der Journalist von Kanal 12, der über die Zeugenaussagen gegen Netanjahu berichtet hatte, steht Medienberichten zufolge mittlerweile unter Personenschutz. Der Jura-Professor Mordechai Kremnitzer vom israelischen Institut für Demokratie warnte davor, Journalisten zu Zielscheiben zu machen.
"In jeder Gesellschaft gibt es Menschen, die psychisch nicht stabil oder radikal sind und die die Worte des Premierministers in Gewalt umsetzen könnten. Die Handlungen des Ministerpräsidenten könnten also einen physischen Angriff auf Journalisten zur Folge haben. Sollte es dazu kommen, wird Netanyahu der Erste sein, der sein Entsetzen darüber ausdrückt und erklärt, damit niemals gerechnet zu haben."
Boykottaufrufe gegen selben Sender
Netanjahus Zorn traf zuletzt auch eine neue Fernsehserie. In "Our Boys" geht es um den Mord an einem palästinensischen Jungen vor dem Gaza-Krieg 2014. Der Serie wird vorgeworfen, sich zu sehr auf diesen Fall zu konzentrieren und die vorangegangene Ermordung von drei jungen Israelis nur am Rande zu behandeln. Benjamin Netanjahu nannte die Serie antisemitisch und rief dazu auf, die Produktionsfirma und den Sender Kanal 12 zu boykottieren. Den gleichen Sender also, der die Zeugenaussagen gegen Netanjahu veröffentlicht hatte.