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Abschied von Uli Hoeneß
Kämpfer, Moralapostel, Samariter

Die Ära "Hoeneß und der FC Bayern" ist vorbei. Uli Hoeneß ist von seinem Amt als Präsident zurücktreten. Es war auch an der Zeit, kommentiert Michael Watzke. Hoeneß' Wutattacken waren zuletzt zu hilflosen Tiraden eines verbitterten Alten geworden. Für seine Nachfolger werde es dennoch extrem schwer.

Von Michael Watzke | 16.11.2019
Uli Hoeneß senkt am Rednerpult den Kopf und hat Tränen in den Augen.
Auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern hat Präsident Uli Hoeneß sein Amt niedergelegt. (imago)
Danke Johannes Bachmayr. Den kennen Sie nicht? Johannes Bachmayr ist ein FC-Bayern-Mitglied aus Erding. Vor genau einem Jahr, bei der Jahreshauptversammlung 2018, hielt er eine Brandrede gegen Uli Hoeneß. Tenor: Uli, es ist Zeit zu gehen.
Diese Rede soll Uli Hoeneß erst wütend und dann nachdenklich gemacht haben. Auch deshalb trat der FC-Bayern-Präsident tatsächlich nach 40 Jahren von seinem Amt zurück.
Hilflose Tiraden eines verbitterten Alten
Johannes Bachmayr hat Uli Hoeneß damit einen großen Gefallen getan. Denn Hoeneß ist rechtzeitig abgetreten. Bevor er sein eigenes Lebenswerk beschädigen konnte.
Nachdem Uli Hoeneß seine Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verbüßt hatte, war er nicht mehr der Uli Hoeneß, der den FC Bayern groß gemacht hat. Der den FC Bayern erfunden hat. Seine Wutattacken, die früher kalkuliert wirkten und strategischen Zwecken dienten, waren in den vergangenen Monaten zu hilflosen Tiraden eines verbitterten Alten geworden.
Kämpfer, Beschützer, Moralapostel und Samariter
Das soll kein böses Nachtreten sein: Denn Uli Hoeneß war nicht nur für den FC Bayern ein Segen, sondern auch für den deutschen Fußball. Er hat die Nationalmannschaft vor Christoph Daum bewahrt und die Bundesliga international wettbewerbsfähig gemacht. Indem er die anderen Vereine im Windschatten des FC Bayern mitzog.
Seit seinem Antritt als junger Manager hat Uli Hoeneß unfassbar viel bewirkt. Er war: Kompromissloser Kämpfer für die Interessen seines Vereins; barmherziger Beschützer seiner Spieler; Moralapostel mit Hang zur Selbstgerechtigkeit; sozialer Samariter, der es schaffte, als heimlicher Wohltäter zu gelten, obwohl alle ständig über seine Wohltaten redeten.
Jetzt ist er verdienter Fußball-Rentner. Zeit is' worn, sagt der Bayer. Es ist rührend, dass der Alte seinen Verein bewachen will wie eine Glucke. Seine Tränen auf der Jahreshauptversammlung waren sicher nicht gespielt. Hoeneß hat eine Ära geprägt - jetzt kommt eine neue. Hoffentlich überlässt er seinen Nachfolgern den Platz.
Der ehemalige Bayern-Manager Uli Hoeneß (l) gratuliert dem ehemaligen Werder-Manager Willi Lemke zu seinem 70. Geburtstag am 19.08.2016 bei einem Empfang im Weserstadion in Bremen.
Abschied von Uli Hoeneß als Bayern-Manager - "Wir haben das Kriegsbeil begraben"
Heute sei das Verhältnis zwischen ihm und Uli Hoeneß viel entspannter, sagt Willi Lemke, ehemaliger Manager von Werder Bremen, im Dlf. Er sei froh, dass sie sich gegenseitig nun nichts Böses mehr um die Ohren hauen würden – trotzdem kritisiert Lemke ihn auch, wenn er Dinge für falsch hält.
Hainer ist eine zwiespältige Wahl
Oliver Kahn, der in Hoeneß riesige Fußstapfen treten will, ist ein spannender Nachfolger. Er wird es schwerer haben als Hoeneß vor 40 Jahren. Damals war alles noch offen und formbar. Heute, im Fußball-Milliardenmarkt, kann ein Fehler der letzte sein.
Herbert Hainer, Hoeneß' Nachfolger als Präsident, ist eine zwiespältige Wahl. Der Ex-Adidas-Chef verkörpert die gefährliche Nähe zum Business. Hainers verstorbener Vorgänger bei Adidas war in Hoeneß' Steuer-Affäre verwickelt - und Hainer entlastete Hoeneß damals trotdzem im FC-Bayern-Aufsichtsrat. Das hatte ein Geschmäckle, wie man in der Heimat von Uli Hoeneß sagt, dem schwäbischen Ulm.
Trotzdem gilt: Wer Hoeneß als Bayern-Präsident nicht vermisst, der hat kein Herz. Aber wer findet, er hätte noch jahrelang weitermachen sollen, der hat keinen Verstand. Deshalb 'Danke, Johannes Bachmayr'. Manchmal braucht's einfach einen Schubs von der Basis.
Michael Watzke 
Michael Watzke, geboren 1973 in Remscheid, absolvierte die Deutsche Journalistenschule. Er studierte Politik und Soziologie in München und Washington DC. Nach Stationen bei SZ und BILD arbeitete er als Chefreporter für Antenne Bayern. 2003 gewann er den Axel-Springer-Preis. Danach Ausbildung an der Drehbuch-Werkstatt der HFF München. Als Autor des TV-Dramas "Das letzte Stück Himmel" (Regie: Jo Baier) erhielt er den Robert-Geisendörfer-Preis und war für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Arbeit als Regisseur und Produzent. Seit 2010 berichtet er für Deutschlandradio als Bayern-Korrespondent aus München.