"Luanda-Leaks" über Korruption in Angola

Im Dilemma von Stabilität und Demokratie

06:43 Minuten
Die angolanische Unternehmerin Isabel dos Santos.
Die angolanische Unternehmerin Isabel dos Santos verteidigt sich gegen massive Vorwürfe der Vetternwirtschaft. © picture-alliance/Tass/Valery Sharifulin
Moderation: Anke Schaefer  · 20.01.2020
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In den "Luanda Leaks" wird die angolanische Unternehmerin Isabel Dos Santos der Korruption beschuldigt. Die Soziologin Teresa Koloma Beck zeigt sich über die Vorwürfe wenig überrascht und verweist auf die Lebenswirklichkeit von Nachkriegsgesellschaften.
Die angolanische Unternehmerin Isabel Dos Santos, mutmaßlich die reichste Frau Afrikas, hat offenbar systematisch von Vetternwirtschaft und Vorteilsnahme profitiert und so ihren wirtschaftlichen Aufstieg vorangetrieben. Diesen Verdacht erhärten interne Unterlagen zu den Geschäften der Tochter des langjährigen Staatspräsidenten José Eduardo Dos Santos, die das Recherchenetzwerk von NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" auswerten konnte.
Auch der Verdacht der Veruntreuung von Staatsgeldern steht im Raum, heißt es in den "Luanda Leaks". Dos Santos bekam auch Unterstützung aus dem Ausland, unter anderem ein Darlehen einer Tochterfirma der staatlichen deutschen Förderbank KfW in Höhe von rund 50 Millionen Euro. Die Unternehmerin bestreitet sämtliche Vorwürfe.
Ein Porträtbild von Prof. Dr. Teresa Koloma Beck.
Prof. Dr. Teresa Koloma Beck ist Professorin für Soziologie der Globalisierung.© Hamburger Insitut für Sozialforschung
"Normativ ist das vielleicht ein Skandal", sagt die Soziologin Teresa Koloma Beck von der Universität der Bundeswehr in München, die 2005/2006 zur Erforschung der Nachkriegsgesellschaft in Angola war und sich weiterhin mit dem Land beschäftigt. Sie sei aber nicht überrascht oder besonders empört; das gehe wahrscheinlich allen so, die in solchen Kontexten unterwegs seien.
"Das, was wir als Korruption beschreiben, ist Teil gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Normalität." Das sei auch wirtschaftlichen Akteuren in Deutschland bekannt, die mit Angola und anderen Ländern zusammen arbeiten, die sich noch in einem Entwicklungsprozess befänden. Korruption sei auch immer ein Verteilungsmechanismus und eine Möglichkeit, Netzwerke aufzubauen und zu unterhalten. Aus Sicht eines Akteurs im Bankwesen sei das eine plausible Perspektive.

Unterstützung über Jahrzehnte

Angola ist ein Nachkriegsland, sagt Koloma Beck. Sie erinnert an den Bürgerkrieg im südlichen Afrika, der Mitte der 1970er-Jahre bereits begann und erst 2002 zu Ende ging. Wie in all diesen Ländern habe es danach internationale Entwicklungshilfe gegeben, auch für den Staatsaufbau.
Die internationale Politik, beispielsweise die Weltbank, sei in Angola tätig gewesen und trotzdem sei ein System stabilisiert worden, in dem von 1979 bis 2017 nicht nur ein und dieselbe Partei, sondern ein und derselbe Mann, eben dos Santos, Präsident gewesen sei. "Welche Möglichkeiten hätte es hier gegeben, für mehr Bewegung im politischen System zu sorgen?"
Wenn Leute so lange an der Macht seien, dann seien das Wirtschaftliche und das Politische nicht mehr leicht voneinander zu trennen und die Dinge flössen ineinander. "Dann kann die Bank sagen, da können wir jetzt leider nichts machen, wir müssen mit den Dingen so umgehen, wie wir sie vorfinden."

Die Politik in der Verantwortung

Verantwortlich seien da vor allem politische Akteure der Entwicklungshilfezusammenarbeit, sagt Koloma Beck. Es werde viel Geld für gute Regierungsführung ausgegeben. Aber es sei ein Dilemma, dass man einerseits nach einem Krieg den Staat stabilisieren wolle und andererseits auch Demokratie fördern müsse, um liberale Werte durchzusetzen. "Demokratie ist aber ein System, das in sich immer eine gewisse Volatilität mit sich bringt." Deshalb werde manchmal eher jemand unterstützt, der für Stabilität sorge, nicht aber unbedingt für demokratische Prozesse.
(gem)

Teresa Koloma Beck ist Professorin für Soziologie der Globalisierung an der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaft der Universität der Bundeswehr München und Gastwissenschaftlerin am Hamburger Institut für Sozialforschung. Sie studierte in Paris und an der Universität Witten/Herdecke und promovierte 2010 an der Humboldt-Universität zu Berlin über Veralltäglichungsprozesse im Bürgerkrieg. Der Schwerpunkt ihrer akademischen Arbeit liegt in der alltagssoziologischen Erforschung von Gewaltkonflikten und Globalisierungsdynamiken. Bevor sie Anfang 2017 an die Universität der Bundeswehr kam, leitete sie am Centre Marc Bloch die deutsch-französische Nachwuchsgruppe "Espaces et Violences – Urbane Gewalträume" im deutsch-französischen Forschungsverbund Saisir l'Europe – Europa als Herausforderung.

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