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Breitbandausbau
Angst vor der Landflucht

Die Bundesregierung muss den Breitbandausbau dringend vorantreiben - da waren sich die Teilnehmer der Jahrestagung des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO) einig. Gerade in ländlichen Gegenden gebe es dringenden Nachholbedarf. Uneinigkeit herrschte jedoch bei der Frage der Umsetzung, besonders bei der Finanzierung.

Von Jan Rähm | 29.11.2014
    Zahlreiche Glasfaserkabel unter anderem zur Übertragung von Hochgeschwindigkeitsinternet.
    Auch abgelegene Regionen müssen mit Breitband versorgt werden. (Daniel Reinhardt, dpa )
    Schon seit Jahren in der Branche tätig, war es sein erster Auftritt bei einem Mitgliedertreffen des BREKO. Es hatte etwas von einem Gang in die Höhle des Löwen: Ex-Telekom-Vorstand René Obermann hatte die Ehre des Eröffnungsvortrags beim Treffen der Telekom-Wettbewerber. Nun selbst nicht mehr in Deutschland am Breitbandausbau beteiligt, fiel es Obermann deutlich leichter als früher, sich für einen möglichst flächendeckenden Ausbau von schnellen Internetanschlüssen stark zu machen.
    "Wenn wir es nicht hinbekommen, auch den Ausbau auch in den dünn besiedelten Regionen Europas, nicht nur aus der deutschen Perspektive, sondern europäisch, hinzubekommen, dann müssen wir uns über die Folgen nicht wundern. Wenn man durch die neuen Bundesländer fährt, durch manche Teile Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs zum Beispiel, dann wissen Sie, was ich meine. Diese Landschaften bluten aus. Nicht zuletzt, weil die Infrastruktur so ist, wie sie ist."
    Dass der Breitbandausbau weitergehen muss, da waren sich alle Anwesenden einig. Nur um das "Wie" wird noch gerungen. Eine nicht unbedeutende Frage dabei sind staatliche Subventionen. Hier waren sich die Teilnehmer und Vortragenden schon nicht mehr ganz so einig. So gibt es Ideen, die Erlöse aus der kommenden Versteigerung der DVB-T-Digital-Fernseh-Frequenzen um 700 Megahertz im Frühjahr 2015, in den Breitbandausbau zu stecken. Auf Bundesebene sei man dazu zwar bereit, aber nur dann, wenn auch die Länder mit an einem Strang zögen, sagte die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, die CSU-Politikerin Dorothee Bär:
    "Dann muss man aber immer drauf achten, dass die Länder aber auch, sag ich mal, das ganze auch wieder zweckgebunden ausgeben. Also wozu ich nicht bereit bin, ist dann zu unterstützen, dass irgendwelche Haushaltslöcher gestopft werden und dann das vierte Kindergartenjahr kostenfrei wird, wenn's nur drei gibt beispielsweise. Also das ist ein bisschen schwierig. Da müssen wir schon drauf dringen, dass das Geld dann wieder zweckgebunden in die Infrastrukturmaßnahmen kommt."
    "Ich halte diesen Weg nicht für einen Königsweg. Wir haben damit einen Transfer sozusagen aus dem Mobilfunk ins Festnetz. Das tangiert wiederum auch die Wettbewerbsbeziehungen zwischen diesen beiden Arten von Telekommunikation," kontert Klaus Holthoff-Frank, der Generalsekretär der Monopolkommission. Subventionen sieht er nur dort als gerechtfertigt an, wo der Breitbandausbau wirtschaftlich nicht durchzuführen sei:
    "Der Breitbandausbau in Deutschland sollte weiterhin vor allem privatwirtschaftlich erfolgen. Öffentliche Förderung sollte auf das notwendige Ausmaß beschränkt bleiben."
    Obermann: Breitband ist strukturpolitisch wichtig
    Zur Verbreitung der schnellen Anschlüsse könnten neue Techniken beitragen. Auch wenn sich fast alle Anwesenden einig waren, dass nur der vollständige Glasfaser-Ausbau wirklich sinnvoll sei, wurde auch viel über den V-DSL-Nachfolger G.Fast diskutiert. G.Fast, oder G Punkt Fast wie es einige nennen, ist - stark vereinfacht - eine Technik, die aufgrund deutlich höherer Übertragungsfrequenzen sehr hohe Bandbreiten über die herkömmliche Telefonleitung aus Kupfer ermöglicht. Allerdings nur auf vergleichsweise kurzen Leitungslängen. Außerdem verträgt sich G.Fast nicht gut mit aktuell eingesetzten Techniken wie A-DSL und V-DSL, Powerline oder auch dem UKW-Rundfunk. Daher müsste per hoheitlicher Regulation für gewisse Rahmenbedingungen gesorgt werden. Nur: Extra für eine neue Technik nach der Regulierung zu rufen, gefällt dem BREKO gar nicht. Der scheidende BREKO-Präsident Ralf Kleint sagt:
    "Wenn eine neue Technik kommt, das haben wir ja inzwischen jetzt auch gelernt, dann werden wir sehr schnell hellhörig. Ich denke an das Thema Vectoring. Vectoring kam und wir haben die Regulierung geändert. Das ist etwas, wo ich immer noch Probleme mit habe, eine Regulierung zu ändern, um eine neue Technik letztendlich reinzubringen. Und was passiert, wenn die neue oder die nächste neue Technik kommt. Die Technik entwickelt sich ja weiter. Die Frage ist, ist das notwendig."
    Ob reguliert oder unreguliert, subventioniert oder unsubventioniert, für René Obermann ist klar: Ohne Breitbandausbau wird unser Land von der technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung abgehängt:
    "Software, Cloud, Video, etc. pp. mündet in einem Phänomen, nämlich in eine Gigabit-Gesellschaft, weil jeder und Milliarden von Geräten jeden Tag in großem Maße Daten nehmen und abgegeben. Gigabyte. Jeden Tag. Und diese Daten in Zukunft auch in Gigabit-Speed übertragen werden wollen."
    Den Ausbau jedoch nur in den lukrativen, meist urbanen Räumen weiter voranzutreiben, sieht Obermann kritisch. Breitband, zur Not bis zum einzelnen Bauernhof, so der ehemalige Telekom-Vorstand, sei strukturpolitisch wichtig. Oder wie es der Mitarbeiter eines kleineren Anbieters aus dem Publikum heraus ausdrückte: Sollte die Bundesregierung nicht bald den Ausbau auf dem Land forcieren, werde der Breitbandausbau zum reinsten Landfluchtprogramm.