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Exascale-Computer
Stromverbrauch würde eine Milliarde kosten

Heutige Supercomputer können mehrere Billiarden Rechenoperationen gleichzeitig ausführen. Das scheint gigantisch, Forscher denken aber schon über den nächsten Schritt nach, den Exa-Flops-Rechner: der könnte eine Trillion Rechenoperationen in der Sekunde ausführen - wenn da nicht der Stromverbrauch wäre.

Von Peter Welchering | 18.07.2015
    Solange der Stromverbrauch linear mit der Rechenleistung steigt, solange wird es auch keinen Exaflops-Rechner geben, also einen Supercomputer mit einer Trillion Rechenoperationen pro Sekunde. Welche Konsequenzen haben die Computerwissenschaftler daraus gezogen, Peter Welchering?
    Sie wollen Strom sparen bei der Kühlung, durch einfachere Transistoren, durch bessere Speichersysteme. Denn das sind im Augenblick noch die großen Stromfresser. Bei der Kühlung hat man schon gute Erfahrungen mit Warmwasserkühlung gemacht, genau genommen mit 40 Grad warmen Wasser. Denn das reicht aus, um die Zentraleinheiten mit den Rechnerknoten auf 80 Grad herunterzukühlen.
    Aber bei der Kühlung sparen reicht nicht, meint Professor Arndt Bode vom Leibniz-Rechenzentrum in Garching, die beim Supermuc genannten Höchstleistungsrechner solch eine Warmwasserkühlung schon seit einigen Jahren einsetzen. "Wenn wir mit der Technologie, mit der wir heute den SuperMuc betreiben, also mit der gleichen Technologie, ein Exascale-System aufbauen würden, dann würde das Stromkosten in der Größenordnung von einer Milliarde Euro pro Jahr produzieren. Also, das ist ganz einfach unrealistisch. Mal ganz abgesehen davon, dass es auch technisch kaum beherrschbar wäre. Das heißt, hier muss noch sehr viel in Richtung energieeffizienten Betrieb des Rechners neu entwickelt werden, wo es die Technologien auch jetzt noch gar nicht gibt."
    Energie gespart werden kann noch erheblich bei den Speichersystemen. Deshalb wird der Nachfolger des Supermuc ja auch in zwei bis drei Jahren keine Festplatten mehr haben, sondern auf Flash umgerüstet sein. Und damit wird auch der Unterschied zwischen Arbeitsspeicher und Zwischenspeicher aufgegeben werden, allerdings noch nicht in zwei bis drei Jahren, sondern mit Technologien, die Speicherspezialist Thomas Arenz vom koreanischen Hersteller Samsung ab dem Jahr 2020 erwartet. "Die Exascale-Systemarchitektur hat massive Einflüsse auf die Speicherarchitektur. Die Trennung, wie wir sie heute vorfinden, zwischen flüchtigem und nicht-flüchtigem Speicher, also DRAM und Flash, wird im Umfeld von Exascale-Systemen unserer Meinung nach verschwunden sein und durch neue Technologien ersetzt werden. Das wird keine Technologie sein, die wir innerhalb der nächsten zwei Jahre im Markt sehen werden, sondern das ist ein Thema, was uns eher in Richtung 2020 begegnen wird."
    Und zu guter Letzt muss sich bei den Prozessoren etwas tun. Diese Prozessoren für ein Exascale-System mit einer Trillion Rechenoperationen in der Sekunde gibt es aber noch nicht. Die müssen erst noch entwickelt. Die Anforderung an diese Prozessoren beschreibt Professor Bode so: "Die Aussage ist bisher die, dass wir, um überhaupt in den Exascale-Bereich zwischen 2020 und 25 zu kommen, Prozessoren brauchen, die viel leichtgewichtiger sind, also höhere Parallelität haben und sich stärker auf die eigentliche Berechnung konzentrieren als die Prozessoren, die wir heute haben, um mit einem verträglichen Stromverbrauch auszukommen."
    Die Europäische Union will hier weit vorne mitmischen beim Exascale-System. Sie hat dafür viel Geld in die Hand genommen. Auch das ist kritisch diskutiert worden auf der Internationalen Supercomputerkonferenz in Frankfurt. "Ist Europa bereit für den Exascale-Supercomputer?" Diese Frage sollte ein eigens veranstalteter Workshop beantworten.
    Und die Antwort fiel nicht eindeutig aus. Kein Wunder, denn die europäische Förderung für den Exaflops-Computer ist nicht gerade übersichtlich. Bei den verschiedenen Exascale-Projekten geht es zu wie im richtigen leben: Es wird gestritten, intrigiert und viel Geld ausgegeben. In die beiden aktuellen Hardware-Projekte zur Entwicklung eines Exaflops-Computers namens "Deep-Project" und beim Projekt "Montblanc" hat die Europäische Union immerhin 26,5 Millionen Euro investiert. Außerdem benötigt der Exaflops-Computer eigens entwickelte Betriebssoftware, Kommunikationsprotokolle und Verwaltungsprogramme. Für das Cresta genannte Projekt hat die EU weitere 11,3 Millionen Euro bereitgestellt.
    Doch am meisten haben sich die Forschungsplaner der Europäischen Union vom "Human Brain Project" versprochen. Dem menschlichen Gehirn nachempfundene Computerarchitekturen sollen die Hardware für den Exa-Flops-Computer bilden. Das "Human Brain Project" wurde Anfang 2013 angekündigt und mit 1,2 Milliarden Euro versorgt. Doch zur Zeit steht es heftig in der Kritik, vor allem der methodische Ansatz wird in Frage gestellt. Deshalb haben sich die Verantwortlichen für Exa-Scale-Systeme in der EU-Kommission auch stillschweigend umorientiert. Das "Human Brain Project" wird zwar weiter beobachtet und auch finanziert, aber die eigentliche Arbeit am Exascale-System findet in den Projekten "Deep", "Montblanc" und "Cresta" statt.