Hören Sie hier das Interview mit unserer Theaterredakteurin Susanne Burkhardt zum Rücktritt von Chris Dercon:
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Auch unsere Sendungen „Kompressor“ und „Fazit“ beschäftigen sich mit den personellen Veränderungen an der Volksbühne Berlin.
Intendant Chris Dercon tritt überraschend zurück
Chris Dercon und Kultursenator Klaus Lederer hätten sich einvernehmlich darauf verständigt, die Intendanz an der Volksbühne Berlin mit sofortiger Wirkung zu beenden, so die Kulturverwaltung. Der Kurator hatte die Theaterleitung vom langjährigen Intendanten Frank Castorf übernommen und war in Berlins Kulturszene von Anfang an heftig umstritten.
Der umstrittene Intendant der Berliner Volksbühne ist zurückgetreten. Der Belgier, der als Kurator international Karriere machte und die Volksbühne vom geschassten Frank Castorf übernahm, bekam in der Berliner Kulturszene von Anfang an heftigen Gegenwind. Im September 2017 war die Volksbühne von Dercon-Kritikern aus Protest besetzt worden.
Konzept nicht aufgegangen
Kultursenator Klaus Lederer und Dercon hätten sich einvernehmlich darauf verständigt, die Intendanz mit sofortiger Wirkung zu beenden, teilte die Kulturverwaltung in Berlin mit. Beide Parteien seien übereingekommen, dass das Konzept des belgischen Kurators nicht wie erhofft aufgegangen sei, und die Volksbühne umgehend einen Neuanfang brauche. Für 11 Uhr wurde eine nicht öffentliche Personalversammlung angekündigt. Dercon war zuletzt Direktor des Londoner Museums Tate Modern gewesen.
Kritik an Systemwechsel
In der Diskussion um die Berliner Volksbühne und ihren umstrittenen Intendanten ging es schon länger nicht mehr nur darum, einer prägenden Figur wie dem früheren Intendanten Frank Castorf nachzutrauern. Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon, sprach vielen im Berliner Kulturbetrieb aus dem Herzen, als er vor kurzem sagte, es gehe um einen Systemwechsel: Dercon wolle aus einem ensemblebasierten Sprechtheater eine Produktionplattform, ein Produktionshaus machen, kritisierte er.
Plädoyer für Ensembletheater
Auch der ehemalige Berliner Kultursenator und heutige Präsident der Weimarer Hochschule für Musik, Christoph Stölzl, hielt genau diese Ausrichtung der Volksbühne für einen großen Fehler, wie er schon im Februar im Deutschlandfunk Kultur sagte. Das traditionsreiche Ensembletheater sei „eine Errungenschaft“ und „ein deutsches Alleinstellungsmerkmal“. Das Zusammenwachsen eines Ensembles über viele Jahre zu einer Theaterfamilie eröffne einzigartige Möglichkeiten, die Bedeutung klassischer wie moderner Theaterstücke zu transportieren.
(gem)