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Bündnis moderne Mobilität
Abschied von der autogerechten Stadt

Weniger Fläche für den Autoverkehr, stattdessen Vorfahrt für Fahrrad, Bus und Bahn: Mit dem Bündnis für moderne Mobilität will Verkehrsminister Andreas Scheuer den Verkehrsraum in den Städten komplett umkrempeln. Die Kommunen begrüßen das - mahnen aber, dass sie dazu mehr als nur Geld benötigen.

Von Theo Geers | 21.11.2019
Andreas Scheuer (CSU), Bundesverkehrsminister, hält zu Beginn der Gründung eines "Bündnisses für moderne Mobilität" von Bund, Ländern und Kommunalverbänden, seine Eröffnungsrede.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat ein "Bündnis für moderne Mobilität" in Leben gerufen (dpa-news / Wolfgang Kumm)
Mehr Platz für Fahrräder, Busse und Bahnen, dafür weniger Autos – das Bündnis für moderne Mobilität, das Verkehrsminister Andreas Scheuer mit Ländern und Kommunen geschlossen hat, will nicht mehr und nicht weniger als den knappen Verkehrsraum in den Städten neu aufteilen. 900 Millionen Euro hat Scheuer seit den jüngsten Klimabeschlüssen dafür zusätzlich zur Verfügung und deshalb lautet sein Appell: Lasst Euch was einfallen!
"Mein größte Problem ist der Mittelabfluss. Es gab Zeiten, da mussten wir zu allen Maßnahmen "no" sagen. Jetzt können wir sagen: Greift ab, lasst Euch was einfallen, das ist auch der Hintergrund dieses Bündnisses sein. Also: Keine langen Planfeststellungsverfahren, sondern: Themen – niederschwellig - Ausschreibung – machen!"
Bessere Anbindung an die Städte
Scheuer denkt vor allem an mehr Freiheiten: Tempo 30 nicht nur vor Schulen, sondern auch für die Schulwege ausweisen und der Preis fürs Anwohnerparken sollte künftig durchaus vor Ort und nicht bundesweit einheitlich festgelegt werden. Doch tatsächlich geht es darum, von der autogerechten Stadt wieder wegzukommen und auf dem Land für bessere Anbindungen an die Städte zu sorgen. Das forderten auch einige Aktivisten von Attac, die kurzzeitig den Ablauf unterbrachen und dem Minister symbolisch einen goldenen Auspuff überreichten...
"Mehr Geld für Öffis statt für Autos – mehr Geld für Öffis!"
Zwei Aktivisten von attac stehen verkleidet als Bundesverkehrsminister Scheuer (l) und als VW-Vorstandsvorsitzender Diess vor dem Bundesverkehrsministerium.
Attac unterbrach den Ablauf der Veranstaltung (dpa-news / Sven Braun)
Scheuer ließ sich nicht beirren, zumal er bei Städten, Gemeinden und Landkreisen offene Türen einrennt. Dabei kann sich Markus Lewe vom Deutschen Städtetag durchaus mehr vorstellen:
"Wenn wir mal Mittel bekommen, uns aber Personal fehlt, die die Dinge auch verplanen können, dann geben wir am Ende 90 Prozent zurück. Und unsere Sorge ist dann, dass das Ministerium sagt: ‚Ihr habt’s ja gar nicht gebraucht, dann machen wir im nächsten Jahr nur noch die Hälfte oder noch weniger.‘"
Fehlendes Personal bremst Kommunen aus
Fehlende Planungskapazitäten beklagen auch die Landkreise, die hier auf ihr jeweiliges Bundesland angewiesen sind. Reinhard Sager, der Präsident des Deutschen Landkreistages nennt als Beispiel den Landesbetrieb Straßenbau in Schleswig-Holstein:
"Dieser Betrieb hat keine Planungskapazitäten. Mein Kreistag hat letztes Jahr zwei Millionen extra bereit gestellt, die fließen ab wie ne Schnecke, weil Planungskapazitäten nicht da sind. Da muss dringend was passieren."
Fahrradlobby: Mehr Radverkehr bringt mehr Kaufkraft
Und zwar auch im Bewusstsein vieler anderer. Geschäftsleute etwa wehren sich gegen den Verlust von Parkplätzen, sie fürchten in Zeiten der Konkurrenz durch Amazon und Co. schlicht um ihre Existenz. Eine Sorge, die Burkhard Storck vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club ihnen zu nehmen versucht:
"Auf einen Autoplatz passen zwölf Räder, da werden zwölf Portemonnaies mitgebracht. Es ist noch nie passiert, dass am Schluss weniger Kaufkraft da war, wo guter Radverkehr hingegangen ist."
Bürgermeister müssten aber auch Haltung zeigen, betont der Fahrradlobbyist Storck, wenn es bei der Umverteilung des Verkehrsraums weg vom Auto zu Protesten komme - sein Tipp an Kommunalpolitiker:
"Beginnen Sie ganz schnell, dann sind sie bis zur Wiederwahl fertig."