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Warschauer Nato-Gipfel
Abschreckung und Dialog

Bei ihrem Gipfel in Warschau setzt die Nato vor allem auf Abschreckung gegenüber Russland. Dazu will sie ihre Präsenz in den östlichen Mitgliedsländern verstärken. Im Kampf gegen den internationalen Terror soll zudem ein Kooperationsabkommen mit der EU unterzeichnet werden.

Von Annette Riedel | 08.07.2016
    WARSCHAU, Sicherheitsmaßnahmen am PGE Narodowy Stadion anlässlich des NATO Gipfels.
    Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder treffen sich zu einem Gipfel in Warschau. (imago / newspix)
    An nicht zufällig gewähltem, symbolträchtigen Ort treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Nato-Länder: in Warschau. Genau vor 25 Jahren hat sich der Warschauer Pakt aufgelöst - jenes militärische Bündnis unter sowjetischer Führung, das im Kalten Krieg sozusagen das Gegenstück zur Nato war. Der Gipfel-Ort passt zur Strategie der Nato, ihre Präsenz in den östlichen Mitgliedsländern zu verstärken.
    Nach Meinung des polnischen Botschafters bei der Nato, Jacek Najder, soll von Warschau folgende Kernbotschaft ausgehen:
    "Die Nato verbessert ihre Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten – für die ganze Allianz, gegen alle möglichen Bedrohungen, durch sämtliche staatliche und nicht-staatliche Akteure."
    Russland: vom Partner zur Bedrohung
    Seit Russland 2014 die Krim annektiert hat und sich mehr oder weniger offen auf der Seite der Separatisten militärisch in der Ost-Ukraine engagiert, wird sie in der Nato nicht mehr als Partner empfunden, wie das nach dem Ende des Kalten Krieges phasenweise der Fall war, sondern als Bedrohung.
    Schon bei seinem Gipfel vor zwei Jahren hat das Bündnis darauf reagiert und Weichen gestellt, die wieder zum Gründungsgedanken der Allianz, zur Verteidigung der Mitgliedsstaaten nach Artikel 5 ihrer Statuten, zurückführen. "Wir sind sehr stolz darauf, wie sich die Nato seit Wales verändert hat – und mit welcher Geschwindigkeit", sagte der italienisch Nato-General Salvatore Farina im Mai in Polen, bei einem der groß angelegten Manöver der Nato in den vergangenen Monaten.
    Geübt wurde, was in Wales vor zwei Jahren beschlossen wurde: eine erhebliche Beschleunigung, mit der zumindest eine neu aufgestellte Speerspitze einer insgesamt erheblich aufgestockten schnellen Eingreiftruppe der Nato in jedem Land des Bündnisses binnen weniger Tage einsatzbereit sein soll. In Warschau geht das Bündnis jetzt einen Schritt weiter.
    Nato-Soldaten in Polen, Estland, Lettland und Litauen
    In den drei baltischen Staaten und in Polen werden die Nato-Länder, nach einem rotierenden Verfahren, jeweils rund 1.000 Soldaten stationieren. Geführt in Polen von den USA, in Estland von Großbritannien, in Lettland von Kanada und Deutschland wird die Führung in Litauen übernehmen, kündigte Bundesverteidigungsministerin Von der Leyen an:
    "Deutschland ist hier bereit, als eine der vier Rahmennationen zu fungieren und damit auch deutlich Verantwortung zu übernehmen. Für uns ist als Nato klar, dass das innerhalb der Nato-Russland-Grundakte sein wird."
    Was Moskau so nicht sieht. Aus Sicht des Kremls wächst die Nato Russland bedrohlich entgegen, zumal mit Montenegro, ehemals Teil Jugoslawiens, ein weiteres Land aus dem ehemaligen Warschauer Pakt demnächst Vollmitglied wird und schon jetzt zum Gipfel geladen ist. Wo einige in der Nato, namentlich Gastgeber Polen, glauben, dass die vorgesehene Präsenz im Osten nicht hinreichend sei, um Russland tatsächlich abzuschrecken, warnen andere, wie Bundesaußenminister Steinmeier, dass die Dialogbereitschaft der Allianz gegenüber Moskau nicht aufgegeben werden dürfe:
    "Abschreckung wird nicht ausreichen, wenn man nicht gleichzeitig – der Tradition der Nato folgend – neben das Thema Abschreckung auch den Austausch, auch den Dialog setzt."
    Kooperationsabkommen zwischen Nato und EU
    Mehr Austausch, mehr Dialog, mehr Zusammenarbeit denn je werden jedenfalls Nato und EU künftig miteinander pflegen – aus der Erkenntnis heraus, dass die größere Bedrohung der Gegenwart nicht unbedingt von einem kriegerischen Angriff ausgeht, sondern von "hybriden" Bedrohungen: Also von gezielter Desinformation und Propaganda oder Cyber-Angriffen auf Infrastruktur beispielsweise, von terroristischen Aktivitäten, organisierter Kriminalität.
    Die Allianz und die Union unterzeichnen deshalb heute Vormittag ein Kooperationsabkommen. Unter Anwesenheit von Bundeskanzlerin Merkel, EU-Kommissionspräsident Juncker und US-Präsident Obama, bei dessen wohl letzten Besuch in Europa in seiner auslaufenden Amtszeit. Und Nato-Generalsekretär Stoltenberg natürlich. Der beschreibt, was Nato und EU gemeinsam tun können:
    "Wir werden uns angesichts hybrider Bedrohungen eng abstimmen. Im Kern geht es um Informationsaustausch, zivile Einsätze, Cybersicherheit und strategische Kommunikation."
    Was sich in Warschau wie ein roter Faden durch die Gespräche ziehen wird, ist die Frage, wie die EU-Nato-Kooperation, wie die Nato selbst Schaden nehmen könnte, wenn Großbritannien die EU verlässt. Und damit militärische Stärke und ein Gutteil der Finanzen für das Engagement der EU im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Für die Nato jedenfalls wird sich nichts ändern, sagt der Generalsekretär:
    "Brexit will not change position of Great Britain inside Nato."
    Ebenfalls Thema beim Nato-Gipfel: Der Kampf gegen die Terrormilizen des IS. Die Nato wird sich künftig als Bündnis direkt einbringen, in dem sie ihre AWACS-Flugzeuge zu Aufklärungszwecken zur Verfügung stellen wird.