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Raumsonde
Rosetta trifft ihren Kometen

Erstmals soll eine Sonde auf einem Kometen landen. Voraussichtlich im November wird Rosetta an 67 P/Churyomov-Gerasimenko andocken. Dazu musste sie zunächst eine stabile Umlaufbahn erreichen.

Von Ludger Fittkau | 06.08.2014
    Um 11:29 Uhr mitteleuropäischer Zeit durfte Sylvain Lodiot, der glückliche Raumfahrt-Ingenieur der Europäischen Raumfahrtagentur ESA die gute Nachricht verkünden: "We have the comet!"
    20 Jahre Planung und zehn Jahre Flugzeit. Doch jetzt ist die Sonde "Rosetta" am Zielort angelangt. Die 1,3 Milliarden Euro teure europäische Kometenmission hat einen kaum fünf Kilometer langen und drei Kilometer breiten Himmelskörper angesteuert. Den Kometen mit dem offiziellen Namen "67 P/Churyomov-Gerasimenko" – genannt "Chury". In 100 Kilometer Entfernung wurde Rosetta vom ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt aus in eine stabile Umlaufbahn gelenkt. Die Sonde umkreist nun den zweigeteilten, etwas entenförmig aussehenden Kometen wie ein Satellit die Erde.
    Im nächsten Schritt wird zunächst einmal das Gravitationsfeld des Kometen gemessen. Anschließend wird Rosetta vorsichtig immer näher an den Kometen herangeführt. Im November schließlich soll sie in nur etwa drei Kilometern Höhe ein kleines, 100 Kilo schweres Landefahrzeug zusetzen. Damit werden Messgeräte auf die raue Oberfläche des Kometen gebracht, die einer Mondlandschaft ähnelt.
    Geringe Schwerkraft, gute Bohrmöglichkeit
    Jan Wörner, Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt: "Natürlich ist die Landung – oder das 'Küssen' des Kometen, eine Landung ist es ja nicht wirklich, weil die Schwerkraft so gering ist –, das ist nochmal ein Highlight dazu. Und natürlich, da können wir dann bohren, wir wollen ja in den Kometen hineinbohren, um auch etwas aus der Tiefe des Kometen herausholen. Und natürlich ist das ein wichtiger Punkt. Aber wir können jetzt schon sagen, diese Mission ist ein voller Erfolg. Nach zehn Jahren dort hinzukommen, die Oberflächenstruktur genau zu identifizieren, die Temperaturen messen zu können, das Ausgasen messen zu können, das sind alles schon gute Gewinne. Und natürlich hoffen wir aus deutscher Sicht, weil ja der Lander unter deutscher Führung funktioniert, dass wir die Landung auch noch hinbekommen."
    Ein deutsches Industriekonsortium stellt die Technologie für die Messungen auf dem Kometen –Deutschland steuert zu den Gesamtkosten der Kometenmission vom 1,3 Milliarden Euro 300 Millionen Euro bei. Nicht zuletzt über die Geschichte unseres Planetensystems sollen die Messungen in den nächsten anderthalb Jahren Daten liefern. Dass "Rosetta" trotz mancher technischen Probleme – wie einem Leck in einer Energieleitung – nach zehn Jahren ans Ziel gelangt ist, betrachtet Jan Wörner vom Deutschen Zentrum für Luft-und Raumfahrt in Köln auch als wichtiges Argument Richtung Politik, die ja die aufwendige Weltraumforschung finanzieren muss:
    "Insofern haben wir es bei solchen Grundlagen-Forschungsaktivitäten immer sehr schwer. Aber wir können auch immer wieder zeigen, dass das Schnellgewinne das sind. In diesem Fall ein Brandüberwachungssystem für Waldbrände, das aus dem Rosetta-Projekt heraus entwickelt worden ist. Also, wir haben auch immer diese schnellen Gewinne, aber ich persönlich brauche die nicht, weil ich von der Wissenschaft überzeugt bin."
    Deutsche Regionen profitieren von Raumfahrt
    Doch auch wirtschaftlich ist das Rosetta-Projekt wichtig – zunächst einmal für die Regionen, in denen die Europäische Raumfahrtagentur ESA ihre Erdbasen unterhält. In Darmstadt ist das Weltraum- Kontrollzentrum der ESA. Selbstverständlich war auch der grüne Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch heute beim Rendezvous Rosettas mit dem Kometen dabei:
    "Für uns lokal und regional ist es auch ein Teil, der zur Wertschöpfung hier beiträgt. Es sind hier insgesamt rund 2.000 Menschen beschäftigt, indirekt noch viel mehr, die damit zu tun haben. Wir gehen davon aus, dass bestimmt 300 oder 400 Millionen Euro an Wertschöpfung in der Region bleiben."
    Schon damit hätte sich der deutsche Anteil am Rosetta-Projekt bezahlt gemacht. Doch wenn im November die Sonde dann den Kometen küsst, und ihr Beiboot auf der Oberfläche absetzt, geht es nicht mehr ums Geld – sondern anderthalb Jahre lang um die einmalige Chance, das Wissen der Menschheit entscheidend zu erweitern.