"Fifty Shades of Grey"

Spannend wie ein getragener Männerschlüpper

Die Schauspieler Jamie Dornan und Dakota Johnson in einer Szene des Films "Fifty Shades of Grey"
Die Schauspieler Jamie Dornan und Dakota Johnson in einer Szene des Films "Fifty Shades of Grey" © dpa / picture alliance / Universal Pictures
Von Holger Hettinger · 12.02.2015
Schon das Buch war relativ eindimensional, meint unser Rezensent Holger Hettinger, doch als Verfilmung enttäuscht "Fifty Shades of Grey" umso mehr: Kreuzbrav und auf Frauenmagazin getrimmt kommt es daher. Und die sado-masoschistischen Motive des Buches fehlen gleich ganz.
"Es ist hinter dieser Tür!“
- "Was ist da?“
"Mein Spielzimmer!“
…und darin ist kein Playmobil und auch keine Modelleisenbahn, sondern, hohooo…
"… ein großes, von der Decke hängendes Metallgitter, an dem Seile, Ketten sowie glänzende Hand- und Fußfesseln baumeln.“

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Am Mittwoch hatte die Verfilmung von "Fifty Shades of Grey“ Weltpremiere. Über das Buch von E. L James ist nun wirklich alles gesagt und geschrieben – interessant war einzig die Frage:
"Wie macht sie das?“
…wie geht die Regisseurin Sam Taylor-Johnson mit der brunz-seichten Vorlage um? Im Buch erscheinen die Protagonisten Ana und Christian unfassbar hölzern und stereotyp – gelingt es der Regisseurin, den Charakteren auf der Leinwand so etwas wie Kontur, Seele oder gar Tiefendimension zu geben?
Ein keimfreier und fader Hauptdarsteller
Um keine unnötige Spannung aufkommen zu lassen – das tut der Film schließlich auch nicht: die Antwort lautet NEIN. Der Film bebildert das Buch mit kreuzbraven, auf Frauenmagazinhochglanz getrimmten Bildern.
"So schlimm kann’s doch nicht gewesen sein.“
Doch, war es. In der Buchvorlage ist Christian Grey…
"… kontrollsüchtig, arrogant, aber sehr charismatisch."
…im Film ist er noch nicht mal charismatisch, sondern einfach nur keimfrei und fade. Christian Grey wird verkörpert von Jamie Dornan – der war wohl mal Unterwäsche-Model, was irgendwie ganz passend ist, denn seine schauspielerische Leistung entspricht in etwa der eines getragenen Männerschlüppers. Dakota Johnson schlägt sich als Ana Steele spürbar besser, versucht ihrer Figur immerhin ein paar Zwischentöne und Handlungsenergien abzugewinnen – scheitert dann aber an der allzu eindimensionalen Anlage ihrer Figur.
"Neben der Tür steht eine massive Mahagoni-Kommode, alle Schubladen schmal."
Penetrant und unfreiwillig komisch
Tja-haaa, da werden wohl schmale Gegenstände drin sein! Diese krachende Naivität, dieses penetrant vorgeführte Doofietum der Ana macht die Buchvorlage so problematisch – und im Film, der sich beschränken muss, der nicht so ausschweifend erzählen kann, wird es dann unfreiwillig komisch. Nichts, wirklich gar nichts nimmt man den Protagonisten ab.
Ärgerlich ist auch, wie stereotyp die sozialen Milieus bebildert werden: die Studentin ist bettelarm, die Glitzerwelt des Christian Grey sieht aus wie eine Karikatur eines amerikanischen Erfolgsnarrativs. Wenn man das bebildert sieht, ist es noch schmerzhafter als im Buch.
"Ich schaffe das! Ich schaffe das!“
Ach ja, ein Wort noch zum Thema S/M – sowohl Buch als auch Verfilmung werden ja gefeiert als das Neue Testament von Dominanz und Subordination.
"Wow!“
Man wartet, dass endlich mal was passiert
Zum einen kommen die sadomaochistischen Motive, die das Buch auf eher ungelenke und verstörend exkulpierende Weise durchführt, im Film so gut wie gar nicht vor. Das wirkt so, als sei der Film zum problemlosen Konsum für ein Massenpublikum durchkonfektioniert worden. Im Kino erlebt man das eher zäh und öde – man sitzt in seinem Sesselchen und wartet, dass endlich mal was passiert.
"Ich ertappe mich dabei, wie ich auf meiner Lippe kaue“
Der Film zeigt keine Abgründe und Energien, keine Lust und keinen Kampf. Er zeigt keine Entwicklung und Motive, er zeigt…. – ja, eigentlich gar nix. Ähnlich wie im Buch, ist man dann dankbar für die kleinen, unfreiwilligen Grausamkeiten.
"Er stellt einen Teller auf die Arbeitsfläche und schneidet ein Baguette auf.“
Und wenn nach dem Kinostart heute die Kabelbinder in Deutschlands Baumärkten ausverkauft sein sollten, dann gewiss nur, um die Kinnladen derer wiederzubefestigen, die angesichts dieses weichgespülten Edelkitschs auf das ganze Gewese um diesen Film hereingefallen sind.
"Womit kann ich Ihnen dienen?“
– "Haben Sie Kabelbinder?“
"Kabelbinder… - ja, haben wir. Ich zeig sie Ihnen, wenn Sie wollen.“
Twitterschau zur Premiere auf unserem Berlinale-Blog: Grey in allen Schattierungen
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