CDU-Generalsekretär distanziert sich von Koch-Äußerungen

Moderation: Christopher Ricke · 15.01.2008
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat sich von den umstrittenen Äußerungen seines Parteifreundes Roland Koch zum Jugendstrafrecht distanziert. Kein Mensch in Deutschland wolle Kinder in Gefängnisse bringen, sagte Pofalla. Für seine Partei stehe die Frage einer Absenkung des Strafmündigkeitsalters nicht zur Diskussion.
Christopher Ricke: Es kracht und quietscht in der Großen Koalition. Heute Mittag will die Bundeskanzlerin ein wenig Abhilfe schaffen und erklären, welche gemeinsamen Ziele man noch hat in naher Zukunft. Dass es kracht und quietscht in der Großen Koalition - davon darf man ausgehen - das war bis zu einem gewissen Punkt bestimmt auch Absicht. Schließlich haben sich SPD und CDU/CSU noch vor ein paar Monaten anhören müssen, wie ähnlich sie sich doch in der gemeinsamen Regierungsarbeit geworden seien. Nun hat man die Landtagswahlkämpfe genutzt, sich zu profilieren. Zuletzt tat das CDU-Ministerpräsident Roland Koch in Hessen mit der Forderung, in Ausnahmefällen auch Kinder vor Gericht zu stellen. – Ronald Pofalla ist der Generalsekretär der CDU. Guten Morgen Herr Pofalla!

Ronald Pofalla: Guten Morgen Herr Ricke!

Ricke: In welchem Augenblick ist denn aus Ihrer Wahrnehmung Koch so aus der Spur geraten, Dass jetzt die Kanzlerin eingreifen muss? War es wirklich die Forderung mit den Kindern?

Pofalla: Wir haben ja nicht eingreifen müssen, sondern wir haben gestern im Präsidium gemeinsam darüber gesprochen und es war unsere gemeinsame Auffassung – übrigens auch die von Roland Koch -, dass kein Mensch Kinder in Deutschland in Gefängnisse bringen will. Von daher steht für uns die Frage der Absenkung des Strafmündigkeitsalters nicht zur Diskussion.

Ricke: Aber so begeistert wird Herr Koch im Präsidium nicht gewesen sein. Das hat er ja nicht unabsichtlich getan. Das ist ja ein kluger Stratege.

Pofalla: Er hat ja in dem Interview gesagt, über diese Frage müsse diskutiert werden, und ich glaube er hat nicht gemerkt, dass dieser Satz falsch interpretiert werden kann. Das hat er gestern bedauert und er hat es gestern mit uns gemeinsam klargestellt. Damit ist die Sache erledigt.

Ricke: Er hat es nicht gemerkt. Haben Sie ihn darauf hingewiesen? Haben Sie ihm gesagt, dass aus seiner Berechnung eine Verrechnung geworden ist?

Pofalla: Ich halte Roland Koch für einen der besten Ministerpräsidenten in Deutschland und er ist stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, gerade auch wegen seiner Erfolge mit der hessischen CDU. Aber die Interviews gibt immer noch Roland Koch.

Ricke: Jetzt ist es ja so, dass Parteistrategen eigentlich ganz froh sein müssen, wenn Profilierung gelingt. Haben Sie ihm vielleicht nicht doch ein bisschen auf die Schulter geklopft und gesagt "sauber gearbeitet, die Zeitungen sind voll, der Koalitionspartner schimpft, wir haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf unserer Partei"?

Pofalla: Es geht doch jetzt nicht um Schulterklopfen, sondern es geht darum, dass wir ein beachtliches Problem im Bereich der Jugendkriminalität haben, über das jetzt diskutiert wird. Indem wir in unserer Klausurtagung in Wiesbaden darüber beraten haben, haben wir verschiedene Vorschläge unterbreitet, wo wir Gesetzeslücken im Jugendstrafrecht sehen, die wir geschlossen sehen wollen. Jetzt bitten wir darum, dass in der Großen Koalition in Berlin die SPD mit uns gemeinsam darüber berät, welche Veränderungen wir vornehmen müssen, und die SPD muss jetzt aus ihrer Selbstblockade heraus. Wir brauchen Veränderungen beim Jugendstrafrecht und darüber wird in dieser Woche in Berlin zu reden sein.

Ricke: Aber Sie wissen doch, dass Sie solch extreme Veränderungen weder mit der SPD schaffen noch mit einem mutmaßlichen Wunschkoalitionspartner FDP, mit dem Sie gesprochen haben. Da kann man doch auch sehr leicht Forderungen aufstellen, wenn man weiß, dass die ohnehin nicht erfüllt werden.

Pofalla: Ich teile schon Ihre Einschätzung nicht, dass es sich um extreme Forderungen handelt. Ich will es an einem Beispiel deutlich machen. Nach geltendem Jugendstrafrecht darf neben einer Bewährungsstrafe kein Jugendarrest verhängt werden.

Ricke: Ich bin schon noch bei den Kindern!

Pofalla: Ich bin ja auch bei den Kindern, weil es geht genau um die Frage, wie wir im Jugendstrafrecht Lücken schließen. Eine der Lücken ist, dass wir im Jugendstrafrecht neben einer Bewährungsstrafe keinen Arrest verhängen wollen und Jugendliche häufig die Bewährungsstrafe als Freispruch zweiter Klasse deuten und dabei nicht erkennen, dass ihnen ein Stoppschild aufgezeigt worden ist. Wir sind der Auffassung, dass es neben einer Bewährungsstrafe auch einen Warnschussarrest geben muss, der jungen Menschen aufzeigt, hier sind Grenzen überschritten worden, das ist für die staatliche Gemeinschaft nicht akzeptabel und deshalb verhängen wir einen Warnschussarrest.

Ricke: Jetzt hat diese Debatte aber das Koalitionsklima doch so sehr belastet, dass die Bundeskanzlerin relativ kurzfristig ihre Pressekonferenz angesetzt hat, um zu zeigen, dass die Koalition handlungsfähig ist. Dass sie das zeigen will, das ist keine Erfindung von mir. Das sagte der stellvertretende Regierungssprecher. Ist das wirklich so dringend nötig jetzt?

Pofalla: Im Rahmen der Auseinandersetzungen, die wir führen und ja im Wesentlichen im Rahmen der anstehenden Landtagswahlkämpfe führen, kann jetzt durchaus der Eindruck entstehen, als ob das schon bereits Rückwirkungen auf die Regierung in Berlin hat. Die Bundeskanzlerin wird heute deutlich machen, dass sie weiter Reformbedarf, dass sie weiter Entscheidungsbedarf sieht und dass die Große Koalition bis zum Jahre 2009 hält und ihrem Wählerauftrag gerecht werden muss.

Ricke: Macht das Politik so glaubwürdig, wenn man sich auf der Landesebene so streitet, dass man sich schon fast nicht mehr in die Augen sehen kann bei einem bestimmten Thema und dann sagt na ja, in der Bundespolitik müssen wir aber schön bei der Tagesordnung bleiben? Ich habe den Eindruck, das könnte auch Politikverdrossenheit auslösen.

Pofalla: Jetzt würde ich mal sagen, bleiben Sie bitte auf dem Teppich. Es gibt Auseinandersetzungen im Rahmen von Landtagswahlkämpfen und wenn wir diese Auseinandersetzungen jetzt nicht hätten, dann wäre der Vorwurf da, wir würden uns zu sehr annähern. Wenn allerdings Auseinandersetzungen stattfinden, wird der Vorwurf erhoben, diese Auseinandersetzungen wären auch nicht gut für das demokratische Gefüge der Bundesrepublik Deutschland. Beides halte ich für falsch. Parteien ringen um den richtigen Weg und eine Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass es unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Konzepte gibt, aber die Demokratie zeichnet sich auch dadurch aus, dass Demokraten immer den Versuch unternehmen müssen, trotz aller Unterschiede zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen.