Schlöndorff fordert Freilassung von Atabajew

18.06.2012
Der kasachische Theatermacher Bolat Atabajew sitzt seit dem 15. Juni hinter Gittern. Der 60-Jährige, der am 28. August in Weimar die Goethe-Medaille erhalten sollte, muss mit zwölf Jahren Haft rechnen. Der deutsche Filmemacher Volker Schlöndorff hofft auf die Einsicht des Regimes.
Schlöndorff bestätigte, dass er in einem offenen Brief an den zuständigen Richter die unverzügliche Freilassung Atabajews gefordert habe. Der Künstler sei in einem Dorf aufgewachsen, in dem die Mehrheit der Einwohner Deutsche waren, sagte Schlöndorff am Montag im Deutschlandradio Kultur. Er habe er die deutsche Sprache gelernt und sich mit deutscher Kultur beschäftigt. Mit seinem Theaterprojekt sei er zu Gastspielreisen mehrmals auch in Deutschland gewesen.

"Bis zur Wende haben ja fast eine Million Deutsche in Kasachstan gelebt. Die hat Kohl dann zurückgeholt. Bis dahin hatte die russische Hälfte der Bevölkerung das Sagen gehabt. Und dann haben die Kasachen selbst, insbesondere ihr Chef, Sultan Nasarbajew, der vorher der Chef der Kommunistischen Partei Kasachstans war, praktisch das Regime übernommen, und man sollte eigentlich annehmen, dass sie sich auf das kasachische Erbe besinnen, auf ihre Dichter wie Abai und Aitmatov, aber das bleibt sehr an der Oberfläche."

Atabajew unterstützte Schlöndorff als Co-Autor
Schlöndorff hatte Atabajew vor fünf Jahren bei Dreharbeiten kennengelernt. Der Regimegegner war damals als Ko-Autor bei Schlöndorffs Kasachstan-Film "Ulzhan" aufgetreten. Atabajew, so der deutsche Regisseur, habe sich vor allem für kasachisches Volksgut eingesetzt, das mit der "Verwestlichung" des Landes immer mehr in Gefahr gerate. Doch das Regime habe große Angst vor jeder Art von Opposition.

Die Regierungspartei erziele bei den Wahlen regelmäßig Ergebnisse um die 97 Prozent, so dass politische Gegner keine Chance hätten, sich parlamentarisch zu artikulieren. Schon vor fünf, sechs Jahren habe er Schwierigkeiten gehabt, das Land halbwegs realistisch zu zeigen. Sein Film über die Naturschönheit und seine kulturellen Besonderheiten, wie zum Beispiel Naturreligionen und den Schamanismus, habe die Regierung als "als regimekritisch empfunden". Dies hindere ihn jedoch nicht, sich für Atabajew einzusetzen:

"Wenn man nur einem helfen kann, ist es ja schon nicht schlecht. Steter Tropfen höhlt den Stein, und wenn man irgendwo drauf stößt, dann muss man es ansprechen. Alles in allem glaube ich schon an Fortschritt."
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