A-Capella-Apps

Sei dein eigener Chor!

Die in Indonesien geborene französische Songwriterin Anggun Cipta Sasmi bei einer Aufnahme
Mit neuen Acappella-Apps braucht man kein Tonstudio, um sich selbst zu begleiten. © FRANCOIS GUILLOT / AFP
Von Christian Grasse · 14.12.2015
Das Smartphone macht's möglich: Mittels einer A-Capella-App kann jeder mit etwas Gesangstalent eigene Vokalspuren aufnehmen und sich so selbst begleiten. Die App erstellt auch entsprechende Videos, so dass die Selfie-Chöre zum neuen Internet-Hype mutiert sind.
Was hier wie ein kleiner Chor erklingt, ist in Wirklichkeit nur eine einzige Person. Naomi Laserna heißt die junge Amerikanerin aus Virginia. Sie hat sich mit ihrem Handy selbst gefilmt und ist eine von unzähligen Nutzern, die mithilfe einer A-capella-App auf ihrem Smartphone Musik machen. Die Video-Plattformen Youtube und Vine sind voll davon.
Hunderttausendfach inszenieren sich dort Menschen mit mehr oder weniger großem Gesangstalent virtuell als mehrstimmige A-capella-Gruppe.
Youtuber und Vine-Star Thomas Sanders hat sein Gesangsvideo so arrangiert, dass es auch in Dauerschleife funktioniert. Über vier Millionen Klicks und fast 2000 Kommentare hat sein fünf-sekündiger Musik-Clip schon erreicht.
Das Aufnahme-Equipment dafür hat heute fast jeder von uns in der Hosentasche. Ein Smartphone genügt - dazu eine kostenlose A-Capella-App.
Für einen dreistimmigen Gesang in Sopran, Alt und Tenor startet man einfach die App, wählt die Anzahl der Stimmen aus, schaut in die Kamera und beginnt mit der Aufnahme der ersten Stimme, erklärt Te’Arra.
Die Aufnahmespur Nummer eins läuft anschließend in Dauerschleife. Den Einsatz für die nächste Stimme zeigt die App mit blinkendem Signal auf dem Handybildschirm. Ist die zweite Spur im Kasten, geht’s weiter mit der dritten Stimme.
Zum Schluss fügt die App sämtliche Einzelaufnahmen in einem Musikvideo zusammen. Das teilen Nutzer privat per Messenger mit Freunden oder für jeden sichtbar im Netz, bei Facebook, Twitter, Youtube, und Co.
In den USA hat der digitale A-capella-Hype auch schon die abendlichen Talkshows erreicht. Late-Night-Moderator James Corden singt Anfang Dezember per App mit seinem Publikum.
US-Comedian Jimmy Fallon hat sich sogar prominente Verstärkung in seine Talkshow geholt. Mit Billy Joel singt er eine mehrstimmige A-capella-Version von "The Lion Sleeps Tonight”. Live performt per App - das brachte über 13 Millionen Klicks bei Youtube.
Der Erfolg der mehrstimmigen A-capella-Videos lässt sich mit parallel verlaufenden Online-Trends erklären, die bei den selbstgemachten Gesangsfilmchem aufeinander treffen.
Der bisher ungebrochene Hype der Selfie-Kultur z.B. und natürlich der Drang nach virtueller Aufmerksamkeit.
Dass die Clips oft nur wenige Sekunden lang sind, kommt der ebenso kurzen Aufmerksamkeitsspanne der jungen Zielgruppe im Netz entgegen. Hinzu kommt der weiterhin unstillbare Hunger nach neuen Talenten, die das Netz im Sekundentakt auf die Bildschirme spült.
Diese eher soziologischen Phänomene treffen in den A-capella-Apps schließlich auf eine Technik, die von Musikern schon lange eingesetzt wird: das Live-Looping. Experimentelle Komponisten haben schon vor mehr als 50 Jahren damit begonnen, Tonbandschleifen zu endlosen Klangkollagen übereinanderzuschichten.
Dank digitaler Loop-Sampler hat sich das sogenannte Live-Looping in der Musik mittlerweile zu einer eigenen Kunstform in Sachen musikalischer Kreativität und Virtuosität entwickelt. Mit den leicht zu bedienenden A-capella-Apps ist das Looping nun endgültig im Mainstream angekommen.
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