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Radiolexikon: Prämenstruelles Syndrom

Kopf- oder Bauchschmerzen, dazu Gereiztheit oder "das große Heulen" - vor der Monatsblutung geht es vielen Frauen schlecht. Bei manchen sind die Probleme allerdings so groß, dass von einer Krankheit gesprochen werden kann: prämenstruelles Syndrom heißt das Phänomen. Doch viele Frauen werden mit ihren Symptomen nicht ernst genommen - sie sind eben einfach "zickig", heißt es.

Von Andrea Westhoff | 19.05.2009
    "Ob sich das jetzt in Kopfschmerzen, Migräne niederschlägt - oder eben in diesem Gefühl des Aufgedunsenseins. Ich würde es mal ganz grob zusammenfassen: Spannung, zu viel Spannung ist das Problem."

    Die Brust wird größer, schmerzempfindlicher. Der Bauch ist dicker. Die Beine sehen aus wie antike Säulen und - es ist zum Heulen!

    "Und vor allem dann eben auch diese Gereiztheit, diese Momente, wo man einfach am Ausrasten ist oder sich nicht mehr unter Kontrolle hat und die Kinder oder die Beziehung am liebsten an die Wand klatschen würde, diese Aggressivität, mit der viele Frauen da konfrontiert sind."

    Ein solches Verhalten, wie Petra Benz es hier beschreibt, nannte man früher gerne "zickig". Inzwischen weiß man: Das, was viele Frauen regelmäßig einige Tage vor der Monatsblutung erleben, könnte eine krankhafte Störung sein: PMS - das prämenstruelle Syndrom. Dr. Martina Rauchfuß, Gynäkologin und Leiterin der Abteilung für psychosomatische Frauenheilkunde an der Berliner Charité:

    "Die leichte Form hat fast jede zweite Frau. Manche sagen sogar, 70 Prozent aller Frauen haben das in ihrem Leben schon kennengelernt: körperliche und auch psychische, seelische Beschwerden, bis hin - und dann würde man von einem prämenstruellen dysphorischen Syndrom sprechen - bis hin zu depressiven Veränderungen. Das ist etwas deutlich Selteneres."

    Nach den genauen Ursachen für das prämenstruelle Syndrom wird noch geforscht - aber klar ist: Es hat etwas mit den Hormonschwankungen im Menstruationszyklus zu tun. Frauen, die die Pille nehmen, haben zu dieser Erkenntnis beigetragen:

    "Wenn man die Ovulation ausschaltet und damit quasi den normalen Zyklus mit der Östrogen- und der Gestagenphase nicht mehr hat, dann tritt das PMS nicht auf. Also was wir wissen, ist, dass die Schilddrüse mit der Ovarial-, mit der Eisprungsfunktion eng gekoppelt ist, aber man hat wirklich auch noch nicht einen dezidierten Zusammenhang - hormonelle Situation und das PMS – gefunden. Von daher tappt man da noch etwas im Dunkeln."

    Sicher ist auch, dass es sich beim prämenstruellen Syndrom um eine psychosomatische Störung handelt: Körperliche Vorgänge - hier Hormonschwankungen - beeinflussen das seelische Befinden. Und umgekehrt verstärken psychische Probleme wie Stress, Angst oder Depressionen die somatischen, also körperlichen Beschwerden.

    Allerdings klagen viele PMS-geplagte Frauen darüber, dass Ärzte sie immer noch nicht ernst nehmen, berichtet Petra Benz, die als Beraterin im Feministischen Frauen Gesundheitszentrum in Berlin arbeitet:

    "Das wird viel abgetan als wirklich so eine Befindlichkeit oder so ein bisschen so eine Überreaktion oder hypochondrisch, was auch daher kommt: Es ist tatsächlich auch schwierig zu diagnostizieren. Dann kommt natürlich auch dazu, dass bei den Arztbesuchen einfach häufig die Zeit fehlt, das wirklich auch mal ausgiebig zu besprechen. Man braucht da ein bisschen Zeit, ein bisschen Einfühlungsvermögen. Und das ist etwas, was oft auch in der ärztlichen Praxis zu kurz kommt."

    Die Diagnose ist in der Tat schwierig, denn die vielen einzelnen Symptome treten auch bei anderen gynäkologischen Störungen auf oder zum Beispiel bei Schilddrüsenerkrankungen. Die Gynäkologen, sagt Martina Rauchfuß, sind deshalb auch auf die Mithilfe der Frauen angewiesen:

    "Ganz wichtig ist, der Patientin sinnvollerweise ein Tagebuch mitzugeben. Dass sie über ein, zwei Zyklen ihre Symptomatik aufzeichnet. Ich denke, man kann unterstützend gucken, wie sehen die Elektrolyte aus. Man kann bestimmte Blutuntersuchungen machen. Man kann sich das Schilddrüsenhormon angucken, sonst den Hormonspiegel, aber das Entscheidende ist die Anamnese - und noch besser ein Beschwerdetagebuch der Patientin."

    Und, ergänzt Petra Benz, die betroffenen Frauen müssen sich auch selbst ernst nehmen:

    "Was mir viel begegnet ist, dass die Frauen so das Gefühl haben, sie müssen leistungsfähig sein und zwar den ganzen Monat über. Also dieses zyklische Frausein, das ist etwas, was überhaupt nicht gesehen wird. Die Frauen haben oft das Gefühl, sie müssen funktionieren - bei den andern klappt das auch; und hören eher von den Freundinnen dieses: 'Wieso, was hast du denn da für ein Problem, stell dich nicht so an.' Was einfach viele so nicht wissen, ist, dass diese zweite Zyklushälfte den Körper einfach wahnsinnig viel Kraft kostet."

    Da die Symptome so vielfältig und die Ursachen nicht genau geklärt sind, gibt es keine Standardbehandlung für das prämenstruelle Syndrom. Die Spezialistin für psychosomatische Frauenheilkunde meint:

    "Ich denke, wenn es sich um eine leichte Störung handelt, würde man erst einmal versuchen, durch Veränderung der Lebenssituation - weniger Stress, Entspannungsübungen, vielleicht auch diätetische Maßnahmen - eine Besserung zu erzielen. Wenn das nicht ausreichend ist, kann man schon mal auch mit Hormonen eine Behandlung versuchen. Es gibt auch pflanzliche Medikamente. Zum Beispiel den Mönchspfeffer könnte man versuchen einzusetzen."

    Denn die braunschwarzen Früchte dieses weidenartigen Strauches werden schon seit langem erfolgreich gegen verschiedene "Frauenleiden" eingesetzt. Die genaue Wirkung der einzelnen Inhaltsstoffe ist zwar noch nicht wissenschaftlich untersucht. Festgestellt wurde aber, dass der Gesamtextrakt biochemische Prozesse in Gang setzt, die mit dem weiblichen Zyklus zu tun haben. So wird zum Beispiel die Ausschüttung des Hormons Prolaktin gedrosselt, das die Brustdrüsen anschwellen lässt und auch die Stimmung beeinflusst. Mönchpfeffer gibt es als Kapseln, Filmtabletten oder Tropfen rezeptfrei in der Apotheke. Als Teeaufguss eignet er sich nicht, da sich einige der Inhaltsstoffe schlecht in Wasser lösen.

    Manche Frauen schwören auf Kalzium und Vitamin D gegen PMS-Beschwerden, letztlich aber, meint Petra Benz vom Frauengesundheitszentrum in Berlin, gehe es weniger um die einzelnen Mittel:

    "Was ich auch immer gern noch einmal sage, dass es einfach eine Zeit ist, wo man sich ja gleichförmiger verhalten sollte: Das ist immer nicht so attraktiv. Aber letztendlich ist es ganz wichtig, in der Zeit gut, regelmäßig, viel zu schlafen - und eben auch genauso gut, regelmäßig und ausreichend zu essen. Weil: Sobald der Körper unterzuckert wird, ist dann eben auch diese Gereiztheit viel stärker."

    Aber: Sich gleichförmiger verhalten, vernünftig leben mit körperlicher Bewegung, gesunder Ernährung und ausreichend Ruhe und Entspannung - ist das nicht alles ein bisschen sehr allgemein?

    "Da sind natürlich auch so ganz viel alltagstaugliche Geschichten dabei. Und ein Auslöser für PMS ist ja tatsächlich auch Stress. Und da ist es ja so, dass man mit ganz kleinen Sachen im Alltag sehr viel bewerkstelligen kann. Das ist auch immer wichtig, dass es nicht so etwas ist wie 'ab morgen muss ich mein Leben komplett verändern, damit dieses PMS nicht mehr so auftaucht', sondern dass es eigentlich darum geht, mit so kleinen Schritten anzufangen. Und einfach auch wieder mehr Gespür dafür kriegen: Was tut mir eigentlich gut, was tut mir nicht gut. Und das ist aber ein Prozess, der einfach auch dauert."

    Dem stimmt die Gynäkologin Dr. Martina Rauchfuß von der Charité grundsätzlich zu. Dennoch erinnert sie die Frauen und ihre Kollegen daran, dass das prämenstruelle Syndrom auch eine gravierende krankhafte Störung sein kann:

    "Wenn es schwerere Stimmungsveränderungen, schwerere körperliche Veränderungen sind - und wenn der Zeitraum länger ist -, das wäre dann eine Störung, die wirklich fachärztliche Behandlung braucht. Dann sollte man ein Antidepressivum geben, wenn man damit Erfahrung hat, also wenn der Gynäkologe Psychotherapeut ist zum Beispiel. Wenn nicht, dann muss er einen entsprechend erfahrenen Kollegen zu Rate ziehen."