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Wissenschaftsrat
Bildung muss sich am Arbeitsmarkt orientieren

Viele Ausbildungsstellen blieben 2013 unbesetzt - Unternehmen finden kaum noch junge Abiturienten für Ausbildungsberufe. Gleichzeitig liegt die Zahl der Studierenden auf dem Rekordhoch von 2,5 Millionen. Klassische Ausbildungsberufe sollen deshalb jetzt wieder aufgewertet werden.

Von Benedikt Schulz | 14.04.2014
    Die berufliche und die akademische Bildung sollen in eine funktionale Balance gebracht werden - mit anderen Worten: Die nachschulische Bildung muss sich am Bedarf des Arbeitsmarktes orientieren. Der jüngste Berufsbildungsbericht hat gezeigt: Viele Ausbildungsstellen blieben 2013 unbesetzt - Unternehmen klagen, dass sie kaum noch junge Abiturienten für Ausbildungsberufe gewinnen können. Gleichzeitig liegt die Zahl der Studierenden auf dem Rekordhoch von 2,5 Millionen, mehr als die Hälfte eines Jahrgangs nimmt ein Studium auf. Das könnte zum Problem werden, sagt der Vorsitzende des WR, Wolfgang Marquardt:
    "Bisher ist es so, dass der Arbeitsmarkt die akademisch qualifizierten immer sehr gut aufgenommen hat. Klar ist, dass der Trend, wie wir ihn jetzt sehen nicht so beliebig weitergehen kann, weil wir ganz sicher ein großes Segment brauchen von wissensorientierten, aber nicht wissenschaftsbasiert ausgebildeten Menschen, die eben typischerweise aus einer Berufsausbildung kommen."
    Aufwertung der klassischen Berufsausbildung
    Dieser Trend, also die Akademisierung war jahrelang politisch gewollt, doch jetzt fordert der Wissenschaftsrat, gegenzusteuern - durch eine Aufwertung der klassischen Berufsausbildung.
    "Wir müssen eher den Weg gehen, dass wir die dual berufsausgebildeten noch mit zusätzlichen Angeboten ertüchtigen, was ihre Qualifikation angeht. Wichtig sind auch Profile, die sozusagen zwischen den klassischen Wegen liegen, also zwischen der dualen Berufsausbildung und der traditionellen akademischen Ausbildung. Wir haben auch angeregt, mal von der beruflichen Bildung aus zu denken, ob man nicht dort auch akademische Module integrieren kann."
    Schulen sollen über Ausbildungsberufe besser informieren
    Gymnasien müssten schon während der Schulzeit besser über Möglichkeiten und Chancen von Ausbildungsberufen informieren. Viele nähmen nur ein Studium auf, weil dies gesellschaftlich angesehen sei. Auch ein Schulfach "Berufs- und Studienorientierung" sei denkbar.
    Damit gibt der Wissenschaftsrat erstmals Empfehlungen auch für die schulische Bildung ab – was eigentlich nicht seine Aufgabe ist. Aber es gehe nicht darum, Schulpolitik zu betreiben, meint Manfred Prenzel, Bildungsforscher an der TU München. Prenzel, der Öffentlichkeit vor allem in Zusammenhang mit der Pisa-Studie bekannt, folgt im Sommer Marquardt als Vorsitzender des Gremiums.
    "Was den Wissenschaftsrat interessiert sind die Voraussetzungen, die durch die Schule oder durch andere Wege junge Menschen in die Forschung oder ins Studium bringen."
    Dem Wissenschaftsrat ist vor allem wichtig: Das Ausbildungssystem muss flexibel sein - eine berufliche Ausbildung sei keine Einbahnstraße, so Marquardt. Erfolgreiche Azubis sollen leichter Zugang zu einem Studium bekommen, Studienabbrecher dagegen die Möglichkeit erhalten, eine verkürzte Ausbildung zu absolvieren.
    Dauerhaftes Finanzierungsmodell für Hochschulen gefordert
    Ein weiteres Anliegen des Rates ist es, die Finanzierung der Hochschulen endlich auf ein dauerhaftes Fundament zu stellen. Im vergangenen Juli hatte der Wissenschaftsrat eine grundsätzliche Neuorientierung gefordert - nach dem Auslaufen der Bund-Länder-Kooperationen müsse ein dauerhaftes Finanzierungsmodell her - der Rat empfahl einen sogenannten Zukunftspakt. Die Grundfinanzierung müsse erhöht werden, ein Inflationsausgleich plus x sei notwendig. Ein solcher Pakt sollte bereits nach der Bundestagswahl beschlossen werden - passiert ist bisher allerdings wenig.
    Zwar sei das Vorhaben im Koalitionsvertrag der Bundesregierung erwähnt, doch die Verhandlungsprozesse seien schwierig, sagt Wolfgang Marquardt.
    "Weil die Länder letztlich für die Hochschulen zuständig sind und der Bund in die Grundfinanzierung nach der jetzigen Gesetzeslage nicht einfach reingehen kann, das geht nur über Projekte aber nicht institutionell. Trotzdem ist das der wichtigste Punkt, den wir erreichen müssen, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu stärken."
    Es fehlt an Planungssicherheit
    Das Kooperationsverbot verhindert also weiterhin, dass der Bund sich finanziell an der Grundfinanzierung beteiligt. Die Zeit drängt. Denn der Hochschulpakt läuft 2015 aus, die exzellenz-initiative zwei Jahre später. Es fehlt an Planungssicherheit für die deutsche Hochschullandschaft. Manfred Prenzel:
    "Da ist jeder Tag eigentlich schon zu viel, indem wir eben sehen, dass es eine große Überlastung gibt. Natürlich ist Geld nicht der einzige Faktor, der die Qualität bestimmt. Aber es gibt da eben auch schon kritische Randbedingungen unter denen die Arbeit sehr, sehr schwer wird."