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Christlich-islamische Schulfeier
Es war ein bisschen anders

Christen und Muslime feiern eine gemeinsame Andacht: Diese Idee haben Lehrerinnen und Schüler einer Berliner Schule am Rande des Evangelischen Kirchentags realisiert. Einen Imam oder einen Pfarrer brauchten sie dafür nicht.

Von Claudia Van Laak | 27.05.2017
    Christlich-islamischer Gottesdienst in Berlin - ein langes weißes Tuch verdeckt den Altar
    Christlich-islamischer Gottesdienst in Berlin - ein langes weißes Tuch verdeckt den Altar (Van Laak Deutschlandradio )
    Die Paul-Gerhard-Kirche in Berlin, Prenzlauer Berg. Der Chor auf der Empore singt nicht die üblichen Gottesdienstlieder, auch die Kirche sieht anders aus als sonst – ein langes weißes Tuch verdeckt den Altar. Die Protestanten sind den Muslimen entgegengekommen, Christen und Muslime feiern eine gemeinsame Andacht. Vorbild ist eine solche Schulfeier im schwäbischen Magstadt. Lehrerinnen und Schüler haben diese Idee zum Evangelischen Kirchentag nach Berlin gebracht, sagt die muslimische Religionslehrerin Bahar Kaygusuz:
    "Wir, christliche und muslimische Lehrerinnen und Schüler möchten in dieser Feier gemeinsam über Gott und unser Leben nachdenken. Gemeinsam, weil wir gemeinsam an der Johannes-Kepler-Schule leben. Gemeinsam, weil wir an den EINEN Gott glauben, der uns das Leben geschenkt hat und der durch Menschen und Worte zu uns spricht."
    Und gemeinsam haben sie diese Feier auch erarbeitet – zum Beispiel einen Kurzfilm gedreht über Jonas, der vom Wal verschlungen und wieder ausgespuckt wird – Jona in der Bibel, Yunus im Koran.
    "Ich hatte Angst und betete zu Gott, dass er mich hier rausholen sollte. Drei Tage und Nächste war ich im Fisch."
    "Viele gemeinsame Dinge, die man aber anders macht"
    "Sollten Sie sich wundern, dass im Film manchmal das Gesicht von Jona nicht zu sehen ist, dann liegt das daran, dass viele Muslime aus Respekt vor dem Propheten das Gesicht eines Propheten nicht malen. Christliche und andere Schüler haben dagegen das Gesicht dargestellt."

    Ein Beispiel dafür, dass es möglich war, trotz unterschiedlicher Glaubensvorstellungen eine gemeinsame Andacht zu feiern. Nicht so einfach war es, gemeinsame Lieder auf Deutsch zu finden. Und gebetet wurde hintereinander.
    "Wir Christen beten mit Worten nach Psalm 103 in einer modernen Übertragung, der Psalm ist auf dem Liedblatt abgedruckt, sie sind herzlich eingeladen mitzusprechen: Gott, ich danke Dir von Herzen."
    "Die muslimische Schülerin Jazmina Odzoska, sie trägt ein weißes Kopftuch, steht vorn am Altar der Paul-Gerhard-Kirche und betet eine Sure aus dem Koran. Ein ungewöhnlicher Vorgang, für Christen und Muslime. Die 14Jährige sagt hinterher:
    "Erstmal war es eine große Ehre, das zu machen. Es war ein bisschen anders, aber ich habe es trotzdem mein Bestes gegeben. Ich hab gedacht, mach das Beste draus, ich habe es einfach genossen."
    Ihre Schwester Adelia beschreibt es so:" Also für mich war es unterschiedlich, wie sie gebetet haben. Dieses Gefühl, dass man in einer Moschee ist, ist ganz anders. In der Moschee fühlt man sich zuhause. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich. Und in der Kirche ist man so wie ein Gast. Aber trotzdem: Es gibt viele gemeinsame Dinge, die man aber anders macht."
    "Jetzt sind wir aktiv dabei. Und das ist das Schöne daran"
    Ihre Religionslehrerin Bahar Kaygusuz erzählt, dass sie und die anderen Muslime als Kinder immer die christlichen Gottesdienste besucht hätten, die im Rahmen der Schule angeboten wurden: "Aber wir waren immer passiv in der Kirche. Wir saßen und haben zugeschaut. Wir haben nie mitgemacht, wurden aber auch nicht miteinbezogen. Aber jetzt ist es nicht so. Jetzt sind wir aktiv dabei. Und das ist das Schöne daran, dass wir das erreicht haben."
    Die gemeinsame Andacht ist in der Schule entstanden, mit Unterstützung der Direktorin. Kein Pfarrer wurde gefragt, kein Imam zurate gezogen. Hätte man offizielle Stellen um Erlaubnis gebeten, die christlich-muslimische Feier wäre vielleicht gar nicht zustande gekommen.