Fußballer Manfred Starke

Ein Profi aus Namibia in der deutschen Liga

07:38 Minuten
Ein Fußballer steht auf dem Spielfeld und will den Ball spielen.
Fußballprofi Manfred Starke vom 1. FC Kaiserslautern beim Spiel gegen den MSV Duisburg. © picture alliance/dpa/MaBoSport
Moderation: Thomas Jaedicke · 21.06.2020
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Die Vorfahren von Manfred Starke sind einst nach Deutsch-Südwestafrika ausgewandert, das heutige Namibia. Mit dem Fußballer, der beim 1. FC Kaiserslautern spielt, haben wir über Rassismus und die namibische Nationalmannschaft gesprochen.
Thomas Jaedicke: Zwischen 1904 und 1908 wurden 60.000 bis 70.000 Herero und Nama während des Aufstands gegen die deutschen Kolonialherren in Deutsch-Südwestafrika getötet. Schon lange stufen Historiker das, was die Deutschen damals dort angerichtet haben, als Genozid ein. Nach dem Ersten Weltkrieg stand das heutige Namibia als südafrikanisches Mandatsgebiet jahrzehntelang im Zeichen der Apartheid. Der Fußballprofi Manfred Starke wurde 1991, ein Jahr, nachdem Namibia unabhängig geworden war, als Sohn deutscher Einwanderer in Windhuk geboren. Ich wollte von ihm wissen, welche Rolle die koloniale Geschichte seines Landes für ihn als Kind in Namibia gespielt hat.
Manfred Starke: Ich muss eigentlich sagen, dass ich das so als Kind gar nicht so mitgeschnitten habe. Da bist du ja auch viel mit Schwarzen… du machst ja viel mit denen, und da hat nie irgendwie der Rassismus eine tragende Rolle gespielt, man hat jetzt nicht anders Fußball gespielt mit jemandem, der schwarz ist oder weiß ist oder sonst was. Von daher habe ich eigentlich selber gar nicht so viel mitbekommen.
Jaedicke: Wie ist Ihre Familie überhaupt dort hingekommen?
Starke: Mein Urgroßvater ist damals ausgewandert – aus Wilhelmshaven war das, glaube ich, und ist dann in Namibia gelandet. Dann ist dort mein Opa geboren, mein Vater ist dort geboren, ich bin dort geboren, ich bin jetzt schon die dritte Generation dort. Und ja, seitdem leben wir dort.

Ungleichbehandlung spielte nie eine Rolle

Jaedicke: Und hat das Thema in der Familie eine Rolle gespielt, wurde darüber gesprochen, im familiären Kreis?
Starke: Überhaupt nicht negativ. Mir wurde das von klein auf beigebracht, dass wir alles eins sind und dass es keine Bedeutung hat, ob Schwarz, Weiß, Gelb, Lila, dass das alles eins ist, und das habe ich eigentlich auch so für mich mitgenommen und versucht, das auch so weiterzugeben. Das war nie so richtig Thema von wegen: die eine Seite ist nicht gut, und das ist nicht gut oder das ist schlecht und so, das war gar nicht Thema.
Jaedicke: Ist das eine Mehrheitsmeinung unter den Deutschstämmigen in Namibia, oder muss man das differenzierter sehen, denken andere Familien anders darüber?
Starke: In meinem näheren Umfeld habe ich nichts anderes wahrgenommen. Ich glaube auch, es gibt ja immer die Extreme, es gibt immer die Extreme in die eine Richtung, ich sag jetzt mal gegen Schwarz, und dann gibt es aber auch die Extreme in die andere Richtung, gegen Weiß. Die Extremfälle gibt es ja immer, aber der Großteil, würde ich sagen, ist nicht so gestrickt.
Jaedicke: Gilt das für das ganze Land, oder ist Windhuk als große Stadt da noch mal eine Ausnahme? Ist das, wenn man aufs Land kommt, anders?
Starke: So viel bin ich jetzt nicht rumgekommen, aber ich würde beinahe sagen, dass das eigentlich für ganz Namibia gilt. Ich bin noch nie irgendwo hingereist, wo es mir so vorkam, dass man da minderwertig behandelt wird, der Rassismus da eine große Rolle spielt. Wie gesagt, es gibt immer diese Extremfälle, aber die habe ich gar nicht so wahrgenommen.

Mit 13 ins Fußballinternat in Rostock

Jaedicke: Sie haben den Fußball dann weiterverfolgt und sind mit 13 nach Deutschland gekommen und aufs Fußballinternat in Rostock gegangen. Warum haben Sie den Schritt gemacht?
Starke: Das ist einfach bedingt durch den Fußball, das war eine lange Geschichte. Es kam damals so ein Trainer aus Deutschland nach Namibia durch Zufall, hatte meinen Vater drauf angesprochen, ob ich es nicht mal versuchen möchte. Und ja, so kam mein Vater auf mich zu, ob ich mich der Sache stellen möchte oder ob ich sage, ich möchte das gar nicht. Er hat quasi die Entscheidung mir überlassen, ob ich es versuchen möchte. Ich habe dann gesagt, ja, warum nicht, und dann hat sich das so entwickelt. Dann hatte ich ein dreimonatiges Probetraining bei Hansa Rostock, und ja, danach waren es denn elf Jahre in Rostock.
Jaedicke: Jetzt sind Sie fast 30, also 17 Jahre später. Können Sie sagen, ob sich der Schritt gelohnt hat für Sie?
Starke: Ja, auf jeden Fall. Fußball ist das eine, aber auch meine Persönlichkeit. Ich musste mit 13 meine eigene Wäsche waschen, man wird relativ schnell selbstständig. Natürlich war das erst mal so der Schritt von Familie weg und so, klar sind da auch ein paar Tränen geflossen, das ist ja auch völlig normal, aber wir haben dadurch, finde ich, fast noch ein engeres Verhältnis bekommen, meine Eltern und ich, weil man die Zeit, die man dann hat, auch wirklich zusammen genießt.

"Ich bin der einzige Weiße dort"

Jaedicke: Sie spielen mittlerweile in Kaiserslautern – die Lauterer haben ja Schwierigkeiten gerade, die sind hoch verschuldet, spielen in der dritten Liga und sind in so eine Art Insolvenz jetzt gegangen, können aber wohl trotzdem weitermachen. Aus sportlicher Sicht ist es vielleicht nicht der ganz große Durchbruch geworden – kommt natürlich auch immer drauf an, was man selber sich für Ziele setzt –, aber Sie sagen ja auch, Sie haben genügend Zeit, zu Ihrer Familie zurückzugehen, nach Namibia, nach Windhuk. Und wenn Sie dann zurückgehen, dann spielen Sie auch für die namibische Fußballnationalmannschaft. Wie ist das Klima da, in der Nationalmannschaft, wie setzt die sich zusammen?
Starke: Ich bin der einzige Weiße dort, aber gerade deswegen werde ich so herzlich aufgenommen. Ich höre immer so kleine Spitzen wie Whitey zum Beispiel, aber das ist ja mehr Spaß, das ist so ein Umgang, der sehr humorvoll ist. Ich habe da nie irgendwie das Gefühl gehabt, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe da irgendwie anders behandelt werde.
Jaedicke: Und wie ist der Leistungsstand der namibischen Nationalmannschaft?
Starke: Erst mal ist es ein ganz anderer Fußball. Ich denke schon, dass da auch ein paar Spieler dabei sind, die auch in Europa Fuß fassen könnten. Die ganzen Möglichkeiten, die man hier in Europa hat, die hat man dort leider nicht – mit den ganzen Trainingsbedingungen und so weiter und so fort –, aber Talent ist auf jeden Fall da.
Jaedicke: Die anderen Spieler der namibischen Nationalmannschaft, spielen die alle im Land, oder gibt es von den Spielern auch viele, die im Ausland unterwegs sind?
Starke: Die meisten sind eigentlich in Südafrika unterwegs, da ist das Niveau der Liga deutlich höher noch als in Namibia, und dann gibt es noch so eins, zwei. Der eine spielt in England, ein paar spielen in Sambia, es haben auch mal ein paar in Thailand gespielt, aber der Großteil spiel wie gesagt in Südafrika.
Jaedicke: Bezug nehmend auf das, was Sie gesagt haben zur Nationalmannschaft, da geht man eher locker miteinander um und da spielt das Thema Rassismus eigentlich überhaupt gar keine Rolle: Ist das tatsächlich nur für den Sport gültig, oder wie sieht das in den anderen gesellschaftlichen Bereichen aus?
Starke: Erst mal glaube ich, dass, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung weiß ist, es gibt immer Rassismus gegenüber Weiß oder gegenüber Schwarz, aber das hält sich meiner Meinung die Waage. Oder ich hab’s noch nie so extrem empfunden, dass es irgendwie auch außerhalb des Fußballs, außerhalb des Sports eine in der Gesellschaft sehr dominante Rolle übernimmt. Das sehe ich nicht so.

BWL-Studium und andere Zukunftspläne

Jaedicke: Und Sie selbst, was planen Sie für die nächste Zukunft, werden Sie in Kaiserslautern bleiben? Mit so fast 30 denkt man ja vielleicht auch darüber nach, was man macht, wenn die Fußballkarriere mal zu Ende ist. Haben Sie sich da auch schon einen Plan zurechtgelegt?
Starke: Einen groben Plan habe ich mir schon zurechtgelegt, ich habe immer gesagt, ich möchte eigentlich dann irgendwann zurück nach Namibia. Das ist erst mal so ein bisschen ad acta gelegt worden. Ich sehe meine Zukunft erst mal in Deutschland, aber ich würde nicht ausschließen, vielleicht irgendwann im Alter dann doch den Schritt wieder zurückzumachen.
Jaedicke: Haben Sie neben dem Fußball noch eine Ausbildung gemacht, könnten Sie dann hier in Deutschland in einen anderen Beruf gehen?
Starke: Ich mach momentan ein Fernstudium in Sachen BWL und will darauf aufbauen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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