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Popmusik
Tränen des Himmels

Jetzt ist die Zeit der großen Passionen, vor allem die großen Werke von Bach stehen im Kulturkalender. Auch die Popmusik verarbeitet Tod, Schmerz und Trauer. Und braucht dafür nur wenige Minuten. Ein paar Anspielvorschläge für die Karwoche.

Von Renardo Schlegelmilch | 27.03.2018
    Sänger Herbert Grönemeyer im Jahr 2002
    Der Tod eines Freundes, eines Kindes oder die eigene Sterblichkeit - Popmusik ist für Künstler ein Weg der Verarbeitung. Herbert Grönemeyer hat in seinem Album "Mensch" den Tod seiner Frau und seines Bruders zum Thema gemacht (imago stock&people/ Sven Simon)
    "Würdest du meinen Namen noch kennen, wenn wir uns im Himmel begegnen? Ich muss stark sein und weiterleben, denn hier im Himmel gehöre ich nicht hin".
    Eric Clapton hätte sicher gerne auf einen seiner größten Hits, auf "Tears in Heaven", verzichtet. Im Lied verarbeitet er den Tod seines vierjährigen Sohnes Connor, der kurz zuvor bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. - Wenn Clapton die Frage stellt, ob er seinen Sohn im Himmel wiedertrifft, ist das nicht nur ein sprachliches Bild, sondern auch eine Art der Verarbeitung. Manfred Müller ist Theologe und Musikexperte aus Würzburg und hat mehrere Bücher zu den Fragen der Religion in Popmusik veröffentlicht.
    "Ein Kind mit vier Jahren zu verlieren, das aus einem Hochhaus stürzt, und das dann in einer derart sensiblen und zerbrechlichen Art und Weise in Worte zu fassen - das geht mir schon sehr nahe."
    "Es geht um eine Verarbeitung"
    Trauer in Musik zu fassen, ist dabei keine moderne Idee. Nicht nur in den Requien der Klassik, sondern auch schon in den gregorianischen Chorälen des frühen Mittelalters haben die Hinterbliebenen ihre Gefühle, die sie nicht in Worte fassen konnten, in Musik ausgedrückt. Ein Motiv, das sich durch die Zeiten zieht, bis ins 21. Jahrhundert.
    "Es geht um eine Verarbeitung. Für Künstler ist die Kunst die Form, in der sie sowas verarbeiten können. Für malende Künstler die ausdrückende, gestalterische Kunst - und für Musiker Text und Melodie."
    Herbert Grönemeyer hat so zum Beispiel 2002 mit dem Album "Mensch" den Tod seiner Frau und seines Bruders zum Thema gemacht und auch verarbeitet. Beide sind innerhalb weniger Tage unerwartet gestorben. Grönemeyer hat sich danach erst mal aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, bis zur Veröffentlichung dieses Trauer-Albums. Mensch ist bis heute des kommerziell erfolgreichste Grönemeyer-Werk.
    Grönemeyer in "Mensch": "Weil er lacht, weil er lebt. Du fehlst."
    Musikexperte Manfred Müller: "Also sowas finde ich schon sehr beeindruckend. Dass Menschen wirklich sagen: Vor diesen Themen schrecken wir nicht zurück. Über die müssen wir dann auch singen. Da geht es wirklich um den Versuch einer Aufarbeitung, sich mit dem Thema zu befassen und für sich nach Antworten zu suchen oder zu ringen. Es geht ja nicht darum, dass jemand die fertige Antwort schon präsentieren kann."
    Himmelsymbole auch bei Nicht-Christen
    Auffällig ist, dass die Musiker dabei häufig religiöse Bilder verwenden. Bilder von Himmel und Hölle. Clapton sagt, er trifft seinen Sohn im Himmel, "in Heaven", wieder. Ein religiöses Bild, das auch von vielen nicht-religiösen Künstlern genutzt wird. Und das noch nicht mal nur im Zusammenhang mit dem Leben nach dem Tod.
    Collage: "Heaven Is a Place on Earth" (Belinda Carlisle), "Heaven for Everyone" (Queen), "Heaven" (Bryan Adams)
    Besonders wenn es um das Glück, die Liebe, das Erfüllt-Sein geht, wird das Bild des christlichen Himmels gern verwendet.
    "Wenn Menschen hier in ihrem Leben ein Glück erleben, das sie fast für ein perfektes Glück halten. 'Der Himmel ist ein Platz auf der Erde' - 'Heaven Is a Place on Earth', gibt es ein Lied. Ausdrücklich ist hier von 'Heaven' die Rede, als Unterscheidung vom 'Sky', den wir oben sehen."
    Der 1991 verstorbene britische Pop-Musiker und Frontmann der Gruppe Queen, Freddy Mercury - hier bei einem Konzert im September 1984
    Wenn Queen, Bryan Adams oder Belinda Carlisle über den Himmel singen, greifen sie auf spirituelle Ideen zurück, meint Musikexperte Manfred Müller (picture-alliance / dpa)
    Sind Queen, Bryan Adams oder Belinda Carlisle also alles überzeugte Christen, ohne dass sie es wissen? So weit kann man auch nicht gehen, sagt der Theologe Manfred Müller. Aber: Es sind spirituelle Ideen, die sie rüberbringen. Gedanken, die man durchaus als religiös bezeichnen kann.
    "Mensch, hier ist doch irgendwas so perfekt, so besonders, dass ich zumindest mal ins Nachdenken komme. Wie kann sowas sein? Wie kann ich sowas erleben? Vielleicht kann da ja doch mehr dahinterstecken. Da würde ich ganz ehrlich schon sagen: Das sind religiöse Themen."
    Natürlich gibt es auch die andere Seite. Künstler, die bewusst mit ihrem Glauben umgehen, und das auch in die Musik einfließen lassen, auch bei Themen wie Tod, Sterben und Trauer. Der kanadische Musiker Leonard Cohen ist im Herbst 2016 im Alter von 82 Jahren verstorben und hat sein eigenes Sterben musikalisch begleitet. Das Album "You Want It Darker" ist nur wenige Tage vor seinem Tod erschienen und stellt die Fragen des Abschieds und auch der Auferstehung. Cohen zitiert hier unter anderem ein altes hebräisches Gebet, "Hineni": "Ich bin bereit, Herr, nimm mich zu dir".