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Salzburger Pfingstfestspiele
Bartoli mit Conchita-Wurst-Effekt

Die Starsopranistin Cecilia Bartoli debütiert bei den Salzburger Pfingstfestspielen in der Rolle des schottischen Ritters Ariodante in Händels gleichnamiger Oper und begeistert das Publikum mit ihrer Wandlungsfähigkeit. Dabei kommen Erinnerungen an den ESC 2014 in Kopenhagen und die damalige Siegerin Conchita Wurst auf.

Von Franziska Stürz | 03.06.2017
    Opernstar Cecilia Bartoli
    Festspielintendantin Cecilia Bartoli (picture alliance / dpa / Herbert Neubauer )
    Himmelhochjauchzend und dann zu Tode betrübt, die Kontraste sind es, die Händels "Ariodante" ausmachen. Im Salzburger Haus für Mozart zeigt Christof Loy im schlichten weißen Saal von Bühnenbildner Johannes Leiacker eine zwischen Barock und Moderne changierende Gesellschaft, die es auch mit den Geschlechterrollen nicht so ernst nimmt. Zweimal zitiert Bartolis Stimme aus Virginia Woolfs "Orlando" und erzählt von einem Mann, der zur Frau wird. " Alles kann sich ändern" ist die Botschaft. Aus Cecilia Bartoli wird im ersten Akt jedenfalls ein gutgelaunter, agiler bärtiger junger Mann, der in Kathryn Leweks grandios gestalteter Ginevra seine ebenbürtige Partnerin gefunden hat. Bartoli und Lewek überschlagen sich in Loys quirligen schauspielerischen Details. Hier sitzt jedes Augenzucken, jede kleine Handbewegung. Überragend komisch wie Bartolis Ariodante von Glück und Wein immer betrunkener wird, die Sängerin ihre wilden Koloraturen mit Hicksern spickt und dabei akrobatisch über die Bühne taumelt.
    Energiegeladene und schillernde Händel-Klänge
    "Eine romantische Traumreise zu sich selbst" ist Bartolis Motto für die diesjährigen Pfingstfestspiele, und für die traumhaften Sequenzen in diesem Ariodante ist vor allem das männliche Tanzensemble zuständig. Mit barocker Grazie und feiner Ironie kommentiert und begleitet die Truppe das Geschehen. Vom neckischen Hirtenspiel bis zur Vergewaltigungsszene ist alles drin in den – ja wirklich- bezaubernden Choreographien von Andreas Heise. Gianluca Capuano liefert mit den Musiciens du Prince-Monaco aufs feinste Detail abgestimmte, energiegeladene und schillernde Händel –Klänge dazu. Dumpf dröhnen die kriegerischen Trommeln aus der fernen Ritterzeit, es raunt, zischelt und flirrt aus dem Graben. Kein Da capo im über vierstündigen Abend verliert auch nur annähern an Spannung, weil Loy und seine Sängerdarsteller die seltene Symbiose von musikalischem und szenischem Ausdruck kontinuierlich herstellen können. Die Musik spielt sichtbar mit.
    Amüsanter Conchita-Wurst-Effekt
    Sandrine Piau als hoffnungslos verliebte Dalinda und der Countertenor Christophe Dumaux als fieser Intrigant Polinesso schwanken virtuos zwischen Eifersucht, Brutalität und bedingungsloser Liebe. Mit der zerstörerischen Nachricht von Ginevras Untreue schlüpft Ariodante in ein schwarzes Kleid, bekommt lange Haare und wird im zweiten Akt immer mehr zu - Cecilia, die mit dem riesigen Ritterschwert durch die öde, wüste Welt taumelt. Die beiden anderen Frauen müssen im weißen Hemdchen ihre Verletzlichkeit preisgeben. Bartolis Bart ist ab, wenn sich das hohe Liebespaar am Ende doch wieder in den Armen liegen darf. Ein amüsanter Conchita Wurst-Effekt spielt hier mit und mit Augenzwinkern wird gesagt: War alles nur ein Spiel, ein Traum. Die Tänzer in ihren hübschen Rokoko-Kostümen fallen um wie Aufziehpuppen, denen die Puste ausgeht, nicht so dem Salzburger Festspielpublikum – das jubelt einhellig. Nach dem weniger gelungenen West-Side-Story-Experiment vom letzten Jahr nun ein Salzburger Festspiel-Triumph mit Ariodante für Cecilia Bartoli.