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"Definitiv keine Anwendung"

Stammzellforschung. - Eizellen sind kostbar, denn der Körper einer Frau produziert vergleichsweise wenig davon. Deshalb ist es eine besondere Herausforderung für Forscher, Eizellen im Labor heranreifen zu lassen aus Stammzellen. Genau das ist nun japanischen Forschern der Universität Kyoto mit Mäusezellen gelungen. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange bewertet die Studie im Gespräch mit Arndt Reuning.

Michael Lange im Gespräch mit Arndt Reuning | 05.10.2012
    Reuning: Herr Lange, Sie haben sich diese Arbeit angesehen, sie erscheint ja heute im Fachblatt "Science", Eizellen aus Stammzellen, was ist denn das Bemerkenswerte an dieser Verwandlung?

    Lange: Viele Forschergruppen haben schon versucht, Eizellen aus Stammzellen herzustellen. Was jetzt neu ist, ist tatsächlich, dass die Eizellen der Mäuse tatsächlich voll funktionsfähig sind. Sie wurden verwendet für eine künstliche Befruchtung. Und daraus sind tatsächlich gesunde Fortpflanzungsmäuse hervorgegangen.

    Reuning: Es hat ähnliche Versuche schon gegeben. Ich nehme an, die japanische Forscher nutzen irgend einen Trick, den die anderen Wissenschaftler noch nicht entdeckt hatten?

    Lange: Tatsächlich nahmen sie die Natur zu Hilfe. Andere Forscher verwendeten stets nur biochemische oder genetische Faktoren und versuchten damit, die Stammzellen so zu steuern, dass sich Eizellen daraus entwickelten. Aber die japanische Forscher von der Universität Kyoto haben Zellen verwendet aus dem Eierstock von Mäusen und haben sie zu ihren Stammzellen dazu gegeben. Diese Zellen gaben sozusagen die Signale, die den Stammzellen sagten: Entwickelt euch in Richtung Eizelle. Also genau die richtigen Signale. Die Forscher brauchten die Signale gar nicht kennen, sie kamen von der Natur. Trotzdem hat das immer noch nicht gereicht, sie mussten dann dieses Gemisch aus Eierstockzellen und Vorläufern von Eizellen zusammengeben und dann auch noch einmal in den Eierstock einer Maus verpflanzen, nach vier Wochen war die Zellen dann soweit herangereift, dass sie tatsächlich befruchtungsfähig waren. Sie wurden durch künstliche Befruchtung befruchtet und dann sind diese gesunden, fortpflanzungsfähigen Mäuse daraus hervorgegangen.

    Reuning: Die Forscher haben also die natürliche Umgebung der Zellen genutzt.

    Lange: Genau!

    Reuning: Bei den Stammzellen unterscheidet man zwischen den adulten aus dem Körper von Erwachsenen und den embryonalen. Die sind ethisch umstritten, weil dafür Embryonen zerstört werden. Brauchten die japanischen Forscher diese embryonalen Zellen?

    Lange: Zunächst haben sie tatsächlich embryonale Stammzellen von Mäusen verwendet. Das sind die Zellen, die am meisten können. Die sind, wie man in der Wissenschaft sagt, der Goldstandard. Damit funktionierte es. Und danach haben sie es noch mit einem anderen Zelltyp [versucht], nicht mit den klassischen adulten Stammzellen, sondern mit Zellen, die aus Körperzellen reprogrammiert wurden. Das heißt, es wurden Zellen aus dem Körper der Mäuse entnommen, denen wurden dann bestimmte Faktoren zugegeben, die wurden dann zu einer Art Stammzellen. Das sind die in der Wissenschaft sehr bekannten IPS-Zellen, induzierte pluripotente Stammzellen. Die können fast alles, was embryonale Stammzellen können. Und in diesem Fall gelang es tatsächlich auch aus diesen Zellen funktionsfähige Eizellen herzustellen.

    Reuning: Lässt sich diese Methode nun übertragen von Mäusen auf Menschen?

    Lange: Im Prinzip ja, wie oft bei dieser Frage! An sich ist es möglich, das haben die Experimente mit Mäusen gezeigt, aber es ist nicht einfach. Bisher war es so, dass Stammzellexperimente nicht immer funktionieren, wenn man sie von der Maus auf dem Menschen übertragen hat. Das könnte auch in diesem Fall so sein. Es wäre sehr aufwändig. Es ist aber die Frage, ob diese Experimente überhaupt gemacht werden, weil Sie müssen ja tatsächlich... Frauen müssten ja dann die Eizellgewebe wieder austragen, und das allein für die Forschung, das ist im Moment gar nicht vorstellbar, dass das von irgendeiner Ethikkommission genehmigt wird. Also ich sehe diese Experimente am Menschen nicht.

    Reuning: Aber theoretisch könnte man Frauen, die keine intakten Eizellen besitzen, mit dieser Methode er helfen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Statt einer einzelnen Eispende, die in Deutschland ja verboten ist.

    Lange: Ja, das sagen auch die japanischen Forscher, dass das zumindest ein Ziel wäre. Ich habe auch noch einmal per E-Mail nachgefragt. Aber sie sagen: Im Moment sind wir auf der Ebene der Grundlagenforschung, wir können das in den nächsten Jahren definitiv noch nicht, wir brauchen viel mehr Grundlagenforschung. Ich sehe allerdings auch grundlegende Probleme. Wenn embryonalen Stammzellen verwendet wurden, ist es tatsächlich so, dass ja keine körpereigenen Zellen verwendet werden. Das heißt, diese Zellen wären ja nicht mit der Eizelle der Frau identisch. Das heißt, es werden gar keine genetisch eigenen Kinder. Und wenn man diese so genannten IPS-Zellen verwenden würde, die reprogrammiert werden aus Körperzellgewebe, ja dann haben die schon sehr viele Mutationen. Das heißt, da sind auch die Anlagen für Krankheiten, oder zumindest für Krankheitsrisiken in diesen Zellen, also das sind definitiv Probleme, die dazu führen, dass es da in nächster Zeit definitiv keine Anwendungen in der Reproduktion geben wird.