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Steuersparen mit zweitem Firmenstandort in Irland

Multinationale Konzerne wie zum Beispiel Apple, Google, Starbucks und Amazon sind in der jüngsten Vergangenheit aufgrund Steuersparbestrebungen in die Schlagzeilen geraten. Häufig ist Irland eine Drehscheibe für Transaktionen.

Von Martin Alioth | 17.06.2013
    Der Chef des amerikanischen Computerriesen Apple, Tim Cook, stellte letzten Monat gewagte Behauptungen auf: Apple zahle jeden Cent Steuern und verschiebe die profitablen Rechte für geistiges Eigentum gewiss nicht in Steueroasen.

    Der irische Finanzexperte Jim Stewart, der am Trinity College Dublin lehrt, gibt Cook technisch recht: Apple habe gar keinen Steuersitz – der befinde sich in den Wolken. – Stewart spricht hier von Apples Geschäften außerhalb der Vereinigten Staaten. Dabei spielt die Republik Irland, wo die Firma seit 1980 ansässig ist und derzeit über 2000 Angestellte beschäftigt, eine Schlüsselrolle.

    Irland stelle sich als Drehscheibe für die Steuervermeidung zur Verfügung: Auf Gewinnen von etwa 22 Milliarden zahle Apple eine Gebühr von einem halben Prozent, kritisiert Stewart. Irland sei zwar keine reine Steueroase, das könne er mit seinem Lohnausweis belegen, aber teilweise eben doch ein Steuerparadies. - Ein Ausschuss des amerikanischen Senats behauptete im Mai, Irland habe Apple einen Körperschaftssteuersatz von zwei Prozent gewährt. Irlands Premierminister, Enda Kenny, reagierte ungehalten:

    Irlands Steuersatz sei gesetzlich verankert, klar und transparent. Es gebe keine Spezial-Sätze für einzelne Firmen. – Das stimmt. Der Satz beträgt zwölfeinhalb Prozent. Bloß: was ist steuerbar? Jim Stewart erklärt den Mechanismus, der den Spitznamen "der doppelte Ire" trägt:

    Es handle sich um eine Firma mit zwei Standorten gleichzeitig: Sie sei rechtlich in Irland eingetragen, dort aber nicht steuerpflichtig, weil der irische Fiskus davon ausgehe, dass sie nicht von Irland aus geleitet oder kontrolliert werde.

    Stewart nennt eine Adresse in Bermuda: In diesem Bürogebäude befänden sich viele dieser Firmen, aber es treffe nicht zu, dass sie von dort kontrolliert würden. – Neben dieser Unternehmenseinheit mit der gespaltenen Persönlichkeit gibt es in der Regel noch eine irische Firma, die tatsächlich etwas herstellt oder verkauft. Dieser Betrieb saugt oft die globalen Konzerngewinne auf, die außerhalb Amerikas anfallen. Anschließend schüttet er eine Milliardensumme an die Inhaberin der geistigen Eigentumsrechte aus, was den in Irland zu versteuernden Gewinn dramatisch schmälert. In Bermuda gibt es keine Körperschaftssteuer. - Danny McCoy, der Chef des irischen Arbeitgeberverbandes IBEC, sucht die Schuldigen anderswo:

    Der doppelte Ire sei ein Produkt des amerikanischen Steuersystems. Tatsächlich besteuern die USA nur Firmen, die in den USA inkorporiert sind. Apples Gewinne aus Übersee werden erst steuerpflichtig, wenn sie repatriiert werden. McCoy indessen meint, Irland schade damit keinem anderen EU-Land:

    Eine Erhöhung des Satzes nütze weder Irland noch der EU, die Firmen gingen dann in die Schweiz, nach Norwegen oder Singapur. McCoy meint, gerade bei den Grossfirmen des digitalen Zeitalters müsse die OECD neue internationale Regeln schaffen; niemand befürworte den derzeitigen Zustand, dass gar keine Steuern bezahlt würden. Aber Irland ist äußerst verwundbar: Nach Angaben der amerikanischen Handelskammer in Irland tragen US-Firmen 70 Prozent zum irischen Körperschaftssteuer-Aufkommen bei; sei bestreiten mehr als ein Viertel der gesamten Wirtschaftsleistung und rund 90 Prozent der enorm hohen Exporte. So braucht das Land gerade jetzt, in der tiefsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, möglichst viele Freunde im Ausland. Die zwölfeinhalb Prozent sollten dabei nicht im Brennpunkt der Kritik stehen, sondern die weit lukrativeren Hehlerdienste Irlands auf globaler Ebene.