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Höhn: Robert-Koch-Institut hat richtig gehandelt

Die Warnungen des Robert-Koch-Instituts vor bestimmten Gemüsesorten seien richtig gewesen, meint Bärbel Höhn, denn schließlich habe es Tote und zahlreiche Schwersterkrankungen gegeben. Gleichzeitig sprach sie sich für mehr regionale Produkte aus, da kurze Wege auch bessere Kontrollen bedeuteten.

Bärbel Höhn im Gespräch mit Peter Kapern | 27.05.2011
    Peter Kapern: 60 neue schwerwiegende Fälle von EHEC-Erkrankungen seit gestern, das teilte heute das Robert-Koch-Institut mit. Gleichzeitig läuft die Suche nach der Quelle der Verunreinigung von Salatgurken mit dem gefährlichen Bakterium weiter und es mehren sich die Stimmen, die Konsequenzen fordern.

    Mitgehört hat Bärbel Höhn, Verbraucherschutzexpertin und stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Frau Höhn.

    Bärbel Höhn: Guten Tag, Herr Kapern!

    Kapern: Frau Höhn, der Gemüseverkauf bricht ein, wir haben das gerade gehört. Die Händler und Produzenten haben schwere Einbußen. Steht Deutschland eigentlich am Rande einer Gurkenhysterie?

    Höhn: Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, dass das Robert-Koch-Institut da schon richtig gehandelt hat und eben auch gesagt hat, wir haben hier ein Problem, es gibt immer mehr schwere Fälle, die sind sogar lebensbedrohlich, es gibt auch schon Tote, und zwar eben auch junge Frauen zum Beispiel, also da, wo man es eigentlich bisher auch überhaupt gar nicht vermutet hat bei den EHEC-Erkrankungen, und dass sie dann gesagt haben, seit vorsichtig bei bestimmten Gemüsesorten, die man als mögliche Überträger identifiziert hat, aus einer bestimmten Region kommend, nicht unbedingt dort angebaut, das halte ich schon für richtig.

    Kapern: Nun erleben wir ja ein mehrtägiges Schwarze-Peter-Spiel. Niemand will es gewesen sein. Bauernpräsident Sonnleitner will trotzdem schärfere Importkontrollen. Die Spanier sind empört über diese Schuldzuweisung. Wie lange geht dieses Schwarze-Peter-Spiel noch weiter?

    Höhn: Ja gerade bei dem EHEC-Erreger ist es sogar häufig so, weil man häufig sogar noch nicht mal die Quelle findet. Dass wir überhaupt eine Quelle gefunden haben, das ist schon fast ein bisschen erstaunlich und auf die gute Recherchearbeit zurückzuführen, weil normalerweise relativ schnell dann die Ursache auch eingeschränkt wird und die Kontrolleure dann eigentlich gar nicht mehr die Quelle finden können. Vielleicht liegt das wirklich daran, dass wahrscheinlich eben auch im Ausland dieser Erreger herangekommen ist, sodass die eben nicht so schnell auf unsere Meldungen hier reagieren konnten. Aber insofern, ich finde die Forderung von Herrn Sonnleitner immer auch ein bisschen automatisch, weil wir mit dieser Forderung, mehr Importkontrollen, ja diesen Erreger auch nicht automatisch gefunden hätten. Importkontrollen heißt ja nun erst mal, dass man in Hamburg mehr hätte kontrollieren müssen, nicht in Spanien, und außerdem ist das eigentliche Problem, dass dieser EHEC-Erreger normalerweise auf Fleisch und Milch gefunden wird, aber nicht auf Gemüse. Das heißt, bisher wäre auch keiner so recht auf die Idee gekommen, bei Gemüse auf EHEC zu untersuchen.

    Kapern: Aber der Bauernpräsident steht ja mit dieser Forderung nicht allein. Erik Schweickert, der FDP-Bundestagsabgeordnete, beispielsweise hat gesagt, es könne nicht sein, dass in Spanien geschlampt wird und deshalb in Deutschland Menschen krank werden.

    Höhn: Ja nun muss man erst mal genau wissen, ist wirklich in Spanien geschlampt worden und wo ist genau geschlampt worden. Es scheint sich ja ein bisschen zu verdichten, dass vielleicht doch verunreinigtes Wasser dazu geführt hat. Das kann zum einen Bewässerung gewesen sein, das in Spanien, das kann aber auch beim Waschen des Gemüses passiert sein. Also wir müssen jetzt schon auch ein bisschen aufpassen, wo wirklich der Fehler da eingetragen ist. Viele sind immer ganz schnell mit den Schuldzuweisungen, wo ist was, die Spanier wehren sich momentan. Ich denke, wir sollten da noch mal ein bisschen gucken, wo war wirklich der Fehler, und dann sehen, wie können wir da auch wirklich Ursachen beseitigen.

    Kapern: Aber unabhängig von diesem konkreten EHEC-Fall, kann es sein, dass es da bei den Importkontrollen Sicherheitslücken gibt in Europa?

    Höhn: Ganz entscheidend ist natürlich, dass es schon sinnvoller ist, wenn man auf regionale Produktion setzt und damit auch kurze Wege hat, transparente Wege hat, und dass, sagen wir mal, immer mehr globalisierter Handel natürlich auch dazu führt, dass wir in dem einen oder anderen Punkt vielleicht dann auch Kontrolldefizite haben. Das haben wir in der Vergangenheit immer erlebt. Von daher ist das richtig, aber dann würde auch sagen, bitte an die FDP, lasst uns mal die regionale Vermarktung stärken, die sind ja sonst immer für die Globalisierung und damit holt man sich natürlich auch ein Stück diese Defizitkontrollen ins Land.

    Kapern: Frau Höhn, es gibt ja immer wieder solche Lebensmittelskandale und wir stellen immer wieder fest, wie zersplittert die Zuständigkeiten in Deutschland, in Europa, zwischen den verschiedenen Behörden sind. Arbeiten die europäischen, deutschen Behörden in diesem Fall jetzt gut, oder wird offenbar, dass da eigentlich bei den Kompetenzzuweisungen etwas geändert werden muss?

    Höhn: Ob in allen Fällen wirklich jetzt gut gearbeitet worden ist, das muss man in Ruhe analysieren, weil die Frage ist ja schon, hätte man es vielleicht auch früher finden können, wobei in diesem Fall wäre es echt schwierig gewesen, weil man EHEC eigentlich nicht auf Gemüse vermutet. Ansonsten, finde ich, hat jetzt erst mal das Robert-Koch-Institut ganz gut gearbeitet, denn die haben mit ihren Nachfragen herausgekriegt, dass auf jeden Fall diese Gurke wirklich EHEC-Erreger hatte. Das ist ja schon etwas, was man sonst in diesen Fällen nicht so schnell findet. Bei Tomaten und Salaten vermuten sie das und haben aber bei den Untersuchungen die noch nicht gefunden. Also insofern ist dieser Teil, finde ich, der Kontrolle auch relativ gut gewesen und auch relativ schnell gewesen. Da, glaube ich, kann man noch nicht mal meckern. Aber natürlich ist es so, diese Zersplitterung der Kontrollen – das habe ich ja auch mehrfach angemahnt -, das ist ein Riesenproblem, insbesondere weil sie auch sehr unterschiedlich in der Qualität sind. Wie weit das jetzt in Hamburg bei diesem Großmarkt war, das kann ich nicht beurteilen. Normalerweise werden Großmärkte eigentlich relativ gut kontrolliert, weil man immer weiß, das ist genau das, wo man besonders hingucken muss, denn es ist ja viel einfacher, da was zu finden, als wenn das Ganze schon verteilt worden ist.

    Kapern: Noch mal zurück zu Ihrem Vorschlag der regionalen Vermarktung, Frau Höhn. Nun sagt ja ein spanischer Gurkenproduzent, er habe Informationen darüber, dass eine Kiste, eine große Kiste, eine Palette Gurken in Hamburg umgekippt sei. Das würde ja auch nicht auszuschließen sein bei regionaler Vermarktung, wenn so etwas schon zu einer solchen Welle führen könnte?

    Höhn: Ich meine, man kann natürlich auch mit regionaler Vermarktung so was auch nicht ausschließen. EHEC-Fälle haben wir immer, jedes Jahr. Dass sie aber in dieser Aggressivität sind, dass der Erreger so aggressiv ist, dass wir da eben auch so viele dieser HUS-Fälle haben, also die erschwerte Erkrankung, und damit auch Tote, das ist was Neues, weil es ist ja auch ein anderer Erreger als der, mit dem wir es sonst zu tun haben. Also auch regionale Vermarktung schließt jetzt nicht aus, dass man auch mal ein Problem bekommt. Nur man findet es hier schneller, es ist eigentlich auch dann sehr viel transparenter. Das ist eigentlich der Vorteil. Ob das wirklich mal an einer großen Palette lag, das wage ich schon ein bisschen zu bezweifeln, weil eine große Palette hätte sicher nicht diese vielen Auswirkungen, die wir momentan erleben. Das scheint mir eher ein bisschen unwahrscheinlich zu sein, weil die Zahl der HUS-Fälle, jetzt auch noch mal 60 neue, schwere Fälle dazugekommen an einem Tag, das kann eigentlich nicht nur an einer Palette gelegen haben.

    Kapern: Bärbel Höhn war das, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Frau Höhn, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Höhn: Bitte.