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Gespaltene Kernfusion

Kernphysik. - Die Kernfusion gilt als möglicher Energieträger für die Zukunft, allerdings kommt die Fusionsforschung nur schleppend voran. Deshalb wird in Fachkreisen der sogenannte Hybridreaktor immer ernsthafter diskutiert. Er soll die Kernfusion kombinieren mit einem Spaltreaktor, also mehr oder weniger einem konventionellen Kernkraftwerk.

Von Frank Grotelüschen | 28.04.2010
    Kernkraftwerke laufen zuverlässig und stoßen kein CO2 aus. Das jedenfalls sagt Professor Julian Hunt vom University College London - um sofort hinzuzufügen, dass Atommeiler auch ihre Schattenseiten haben.

    "Es gab Unfälle wie Tschernobyl, bei denen wurde Radioaktivität frei. Außerdem erzeugen Kernkraftwerke langlebigen Atommüll. Und in den Händen der falschen Leute könnten sie für militärische Zwecke missbraucht werden - und zwar um Atombomben zu bauen."

    Nachteile, die ein anderes Konzept nach Meinung vieler Experten nicht hat - die Kernfusion. Bei ihr wird nicht Uran gespalten, sondern Wasserstoff zu Helium verschmolzen, wie im Inneren der Sonne. Ein hocheffizienter Prozess, der helfen könnte, den Energiehunger der Menschheit in Zukunft zu stillen. Das Problem: Bislang ist es den Physikern noch nicht gelungen, auch nur einen halbwegs funktionstüchtigen Fusionsrektor auf die Beine zu stellen. Denn damit Wasserstoffkerne zu Helium verschmelzen können, muss man sie in eine Art Magnetkäfig einsperren und bis auf 100 Millionen Grad erhitzen. Alles andere als ein Kinderspiel, sagt Julian Hunt.

    "Das Problem ist bis heute, das heiße Plasma im Magnetkäfig so lange einzuschließen, bis der Fusionsprozess einsetzen kann. Es gab in den letzten Jahrzehnten zwar einige Fortschritte. Aber die Entwicklung läuft sehr langsam, und es könnte noch 50 Jahre dauern, bis die Forschung zu einem Erfolg führt. Und selbst dann ist noch nicht klar, ob sich ein Fusionsreaktor wirtschaftlich lohnt. Für die nächsten 50 Jahre jedenfalls zeichnet sich keine praktikable Lösung ab."

    Deshalb plädiert Hunt für einen anderen, einen dritten Weg - den Hybridreaktor. Er soll die Fusion mit der Spalttechnologie kombinieren. Das Prinzip: Im Zentrum steht ein Fusionsreaktor - jedoch nicht mit der Aufgabe, Energie zu erzeugen, sondern lediglich Unmengen von Neutronen. Diese Neutronen würde man dann auf nukleares Spaltmaterial loslassen, das in der Wand des Fusionsreaktors eingebaut sein könnte. Die schnellen Fusionsneutronen spalten den nuklearen Brennstoff, wodurch Energie frei wird, die sich dann in Strom umsetzen ließe. Die Vorteile gegenüber einem reinen Fusionsreaktor:

    "Man könnte den Fusionsteil eines Hybridreaktors viel einfacher bauen, denn man käme mit deutlich niedrigeren Temperaturen und Drücken aus. Und die Kernspaltung wäre viel sauberer als bei den heutigen Kernkraftwerken. Es würde nämlich kein langlebiger Atommüll entstehen, den man über Zigtausend Jahre in Endlagern vergraben müsste. Der Müll aus einem Hybridkraftwerk würde vielleicht nur 100 Jahre lang strahlen, weil die schnellen Fusionsneutronen den langlebigen Atommüll in harmlosere Stoffe umwandeln."

    Außerdem könnte, so Hunt, ein Hybridreaktor auch minderwertigen Kernbrennstoff verbrennen, etwa das Element Thorium. Davon gibt es fünfmal mehr auf der Erde als von Uran, entsprechend länger würden die Vorräte reichen. Und schließlich ließe sich ein Hybridreaktor so betreiben, dass ein GAU faktisch ausgeschlossen scheint. Doch es gibt auch Skeptiker. Sie betonen, dass es bislang nur oberflächliche Studien zum Hybridreaktor gibt und dass erst detaillierte Rechnungen zeigen könnten, ob die Vorteile tatsächlich so groß sind wie behauptet. Außerdem droht der Hybrid teuer zu werden - schließlich sollen zwei Technologien verheiratet werden, die bereits jede für sich ziemlich kostspielig sind. Dennoch: Russen, Koreaner und vor allem die Chinesen äußern mehr und mehr Interesse am Hybridreaktor. Offenbar befürchten sie, dass sich die Fusionsforschung weiter hinzieht, vor allem der Bau des Versuchsreaktors Iter in Frankreich. Und womöglich könnte ein Hybridreaktor made in China um Jahrzehnte schneller einsatzbereit sein als ein reiner Fusionsreaktor, meint Julian Hunt.

    "2030 könnte realistisch sein. China treibt im Moment auf allen Gebieten die Technologie voran. Und ich habe großes Vertrauen in die wissenschaftlichen und technischen Fähigkeiten dieser Leute."