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Schadstoffmessungen
Der Schnüffel-Van

Physiker aus Heidelberg haben ein Messfahrzeug entwickelt, mit dem sie die Stickoxide in den Abgasen vorausfahrender Autos direkt im Straßenverkehr ermitteln können. Das könnte in Zukunft zu realistischeren Werten zum Schadstoffausstoß führen.

Von Piotr Heller | 24.01.2016
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand )
    "Jetzt sind wir weit weg von der Straße, haben hier auch nur eine Belastung von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter, also die Luft ist für eine Stadt relativ sauber. Das wird sich schnell ändern, wenn wir zur Straße kommen."
    Wenn Denis Pöhler von Mikrogramm pro Kubikmeter spricht, meint er die Menge an NO2, also Stickstoffdioxid, in der Luft. Der Forscher sitzt am Steuer eines blauen Volkswagen-Transporters, der gerade auf dem Hinterhof des Heidelberger Instituts für Umweltphysik parkt. Auf dem Beifahrersitz hat sein Kollege Johannes Lampel platzgenommen. Ein Laptop auf seinem Schoß zeigt die aktuelle NO2-Konzentration der Umgebungsluft an.
    "Jetzt sind hier auf der Straße und haben sofort um die 40." Zur Orientierung: Das entspricht etwa dem gesetzlichen Grenzwert. Im Jahresmittel soll die NO2-Belastung nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter steigen. Direkt in den Abgasen von Autos ist sie natürlich viel höher. Die Forscher halten hinter einem Bus. "Jetzt haben wir Werte von um die 70 Mikrogramm pro Kubikmeter im Stand." – "Ok, jetzt haben wir mal wieder 200 Mikrogramm pro Kubikmeter." – "Das war jetzt auch das Anfahrtsverhalten von dem Bus. Bei älteren Bussen müssen wir schon erwarten, dass wir mehrere Hundert Mikrogramm pro Kubikmeter in der Abgasfahne messen, wenn nicht sogar weit über Tausend."
    Direkte Messungen im Straßenverkehr
    Denis Pöhler hat das Messsystem, das in dem Transporter steckt, entwickelt. Vorne saugt es die Luft durch ein kleines Edelstrahlrohr ein und führt sie durch einen Schlauch in ein Spektroskop. Das analysiert, wie viel des schädlichen NO2 sich in den Abgasen eines vorausfahrenden Autos befindet. Bisher waren solche direkte Messungen im Straßenverkehr nur mit aufwendigen Messapparaturen möglich, die an ein Fahrzeug gebunden sind. Ansonsten nutzte man Auswertungen auf Rollenprüfständen. Die liefern zwar reproduzierbare Ergebnisse. "Man weiß aber nicht so genau, was die Fahrzeuge in der Realität emittieren. Und was passiert, wenn vor allen Dingen die Autos altern: Was ändert sich in den Emissionsverhalten der Fahrzeuge über die Lebensdauer hinweg oder wenn die Fahrzeuge noch nachgerüstet werden?"
    Das versucht Denis Pöhler herauszufinden. Seine Messergebnisse werden dabei von verschiedenen Randbedingungen beeinflusst. "Wir messen bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen, unterschiedlichen Fahrzeugzuständen, vielleicht ist der Motor mal warm, mal ist er kalt. Man kann schon sagen, das wird über die Statistik zum Teil wieder abgefangen, weil man sagt: Wir erfassen sehr viele Fahrzeuge und wenn das eine Fahrzeug mal ein bisschen mehr hat, das andere weniger, dann mittelt sich das wieder raus."
    Eine kleine Gruppe von Fahrzeugen emittiert sehr viel
    Gerade hängen sich die Forscher an einen kleinen Van. "Bis zu 200 Mikrogram pro Kubikmeter bei einem eigentlich langsamen Anfahren." Als nächstes kommt eine Limousine. "Bei was liegen wir?" – "60 bis 70 Mikrogramm pro Kubikmeter." – "Im fließenden Verkehr, ist nicht so wenig."
    Auf diese Weise haben die Physiker im Frühling 2014 innerhalb einer Woche über 700 Fahrzeuge in Mainz systematisch analysiert. "45 Prozent der Emissionen wurden von weniger als zehn Prozent der Fahrzeuge verursacht. Von daher war schon das eindeutige Schlusswort dazu, dass man eine sehr starke Variation von den Emissionen hat. Ein Großteil der Fahrzeuge emittiert relativ wenig. Und dann haben wir eine kleine Gruppe, die sehr viel emittiert und damit auch den größten Teil dieser Schadstoffbelastung in der Stadt ausmacht."
    Welche Autos sind es also, die die Luft in Städten stark belasten? "Dieselfahrzeuge, stark motorisierte Fahrzeuge sind da auffällig, aber es geht durch alle Fahrzeughersteller durch. Das ist erstaunlicherweise nicht so, dass man sagt: Alte Fahrzeuge sind immer besonders auffällig. Es sind eher Dieselfahrzeuge auch neueren Modells, nicht unbedingt Euro-6, sondern da würde ich eher sagen Euro-4, Euro-5 Fahrzeuge, das sind wahrscheinlich die Diesel-PKW, die am auffälligsten sind."
    Denis Pöhler will sein Messsystem weiterentwickeln, um noch genauer festzustellen, welche Fahrzeuge die hohen NO2-Belastungen in manchen Städten verursachen. Mit diesen Ergebnissen könnte man etwa entscheiden, welche Fahrzeuge man etwa aus Innenstädten verbannen sollte, um die Luftqualität zu verbessern. Das System soll auch für präzisere Schätzungen der NO2-Emissionen sorgen. Denn die basieren bisher auf Ergebnissen der Rollenprüfstände, die bekanntlich von den Emissionen im Straßenverkehr abweichen.