Kunst und Wutbürger

Von Gregor Ziolkowski · 17.05.2012
Es ist eine deutsch-spanische Co-Produktion, die das Goethe-Institut und sein spanisches Pendant Instituto Cervantes gestartet haben: Eine Internetplattform, die unter dem Titel "participar.de" Künstler oder Kollektive aus Spanien und Deutschland mit ihren Projekten zusammenführen möchte. Die jeweiligen Kunstwerke sollen dabei einen Bezug zum Thema der Bürgerbeteiligung haben.
Wie dieses Gemeinschaftsprojekt von Goethe-Institut und Instituto Cervantes im Oktober zu Ende gehen soll, dazu gibt es durchaus konkrete Überlegungen, wie aus den Worten von Margareta Hauschild, der Leiterin des Goethe-Instituts Madrid, hervorgeht.

"Wir werden dann in einer Konferenz im Goethe-Institut mit den Künstlern diskutieren: Was haben wir eigentlich erreicht? Oder war der Prozess vielleicht wichtiger als das Resultat? Also: Wir sind ganz offen, was dann rauskommt. Wir wissen ganz genau, dadurch, dass der Prozess schon Teil des Ergebnisses ist, kann es nur ganz wunderbar werden. Und wir wollen ja lernen, das heißt, wir werden alle mit diesem Projekt 'participar.de' sehr, sehr viel lernen, sowohl die teilnehmenden Künstler als auch die Institutionen, und die Institutionen müssen einfach bereit sein zu lernen."

Dass da so ein Hauch von Ungefährem, von Vagheit und Unberechenbarkeit mitschwingt, ist genau so gewollt. Der Reihe nach: Am Anfang stand die Überlegung, was könnten das deutsche und das spanische Kulturinstitut unternehmen, wenn sie mal wieder ein gemeinsames Projekt auf den Weg bringen wollen.

"Wir haben 2011, letztes Jahr, überlegt: Nach Stuttgart 21, nach dem 15. Mai - 15-M hier in Madrid: Was machen wir? Und da mussten wir natürlich ein Projekt uns überlegen, was Stellung bezieht zu diesen neuen Bürgerbewegungen in Spanien und in Deutschland. Also beide Länder haben ja die Erfahrung einer Diktatur hinter sich. Und haben deswegen mehr Sensoren aufgebaut, um sich aufzulehnen, wenn bestimmte Dinge kommen, die die Bürger eben nicht wollen."

So weit, so politisch. Das Thema, also eine gewisse widerständige "Bürgerbeteiligung", stand fest. Aber da brauchte es noch so etwas wie die Übertragung in die Sprache der Kultur, recht eigentlich der Kunst, denn die war in den vergangenen deutsch-spanischen Kulturprojekten etwas stiefmütterlich behandelt worden.

"Wir laden Künstler ein, sich zu äußern, Konzepte einzureichen. Wir haben dazu zwei Monate Zeit. Und dann beugen wir uns mit einer Jury, die natürlich auch aus Experten besteht, aber auch aus Bürgern, die wir ermitteln werden über Facebook, in beiden Ländern, dass also Bürger auch bei der Auswahl dabei sein können, müssen, wenn wir dann hinterher die eingereichten Konzepte beurteilen."

Aus allen eingereichten Vorschlägen oder bereits existierenden Werken, die zum Thema passen, sollen diese Arbeitsgruppen rund 40 Vorschläge filtern, aus denen dann per Lifestream öffentlich und simultan gedolmetscht, zwischen Madrid und Berlin die endgültigen Teilnehmerprojekte - vielleicht sieben, vielleicht 13, oder doch noch ein paar mehr? - ausgewählt werden. Und genau diese Künstler oder Gruppen werden nach Madrid eingeladen, um im Oktober über ihre Erfahrungen mit diesem Projekt zu reden und ihre Werke im Hauptsitz des Instituto Cervantes auszustellen. Aber hier lauern schon wieder die Unwägbarkeiten, denn alles ist offen, alles Sichtbare ist zugelassen - vom Straßentheater bis zum Tafelbild, von der Performance bis zur Lichtinstallation. Javier Duero ist der Kulturmanager, der das Projekt begleitet.

Wenn wir von der Darbietung der Ergebnisse reden, wissen wir noch nicht, was passieren wird. Eine Ausstellung? Vielleicht. Eine Reihe von Workshops? Kann sein. Wir haben ein Projekt ausgeschrieben und warten auf den Rücklauf, auf Ideen, Vorschläge, Angebote, und das wollen wir im Oktober zeigen.

Dieses Projekt wird davon leben, wovon es handelt - der Beteiligung. In dieser Beteiligung liegt freilich auch sein größtes Risiko. Nicht auf Seiten der Künstler, die ihre Ideen oder bereits fertigen Werke einreichen. Aber dieser recht komplizierte, im Prinzip basisdemokratische Findungsprozess bei der Auswahl, übers Internet und über Ländergrenzen hinweg, hat seine Tücken. Der Kunstprozess ist nicht demokratisch, nicht bei der Herstellung und auch nicht danach. Jeder Galerist, jeder Sammler, jeder Kurator will seine Handschrift, seinen Geschmack, seine Ideen verwirklichen, in seinem Handlungsbereich ist er ein mehr oder weniger aufgeklärter Alleinherrscher. Man hat dann das Wort "Entscheider" erfunden. Aber genau darin, in der Aussetzung dieses Pyramidenprinzips, liegt das Spannende dieses Projekts. Es vollführt etwas Ungewöhnliches, womöglich Niedagewesenes - das Ergebnis ist völlig offen. Und die Spannung ist groß.