Dienstag, 30. April 2024

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JU-Vorsitzender Paul Ziemiak
"Wir müssen uns inhaltlich und personell erneuern"

Nach den Koalitionsverhandlungen brodele es in der CDU an allen Stellen, sagte der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, im Dlf. "Wir brauchen jetzt Zeichen der Erneuerung auch bei den Posten, die noch zu besetzen sind." Dazu erwarte er klare Zeichen der Parteiführung.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Sarah Zerback | 09.02.2018
    Ziemiak steht mit ausgebreiteten Armen hinter einem Rednerpult mit der Aufschrift "#DLT17" und spricht in zwei Mikrofone. Der Hintergrund ist dunkel.
    Paul Ziemiak, Bundesvorsitzender der Jungen Union: "Die Unzufriedenheit ist sehr groß an der Basis der Union." (Monika Skolimowska / dpa)
    Sarah Zerback: Am Telefon begrüße ich Paul Ziemiak, den Bundesvorsitzenden der Jungen Union. Guten Morgen!
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Frau Zerback!
    Zerback: Mal Hand aufs Herz, Herr Ziemiak – wünschen Sie sich aktuell, Sie wären vielleicht doch lieber zu den Jusos gegangen?
    Ziemiak: Nein, auf gar keinen Fall. So schlimm kann die Lage in meiner Partei gar nicht sein, dass ich mir das wünschen würde. Aber Spaß beiseite: Die Unzufriedenheit ist sehr groß an der Basis der Union. Das waren keine guten Tage, und es brodelt eigentlich an allen Stellen.
    Zerback: Ja. Bislang, wir haben es gerade gehört, gibt es noch keine ganz direkte Kritik an der Kanzlerin. Wollen Sie jetzt mal damit anfangen?
    Ziemiak: Ich sage mal eins: Wir brauchen jetzt ein Zeichen der Erneuerung in dieser Bundesregierung, bei den Bundesministern, bei den Staatssekretären. Es wird zwar gesagt, es sei noch nichts entschieden, aber ich hab auch noch nicht gehört, dass irgendwelche Namen, die jetzt kursieren, dementiert wurden. Es darf einfach in dieser Regierung kein "Weiter so" geben. Das ist das eine. Es geht einmal um die Bundesregierung. Aber es geht auch um die Partei. Die Union muss sich wiederfinden auch in ihrer Aufstellung, in ihrem Markenkern, aber auch für die Zukunft. Und neben Inhalten gehören auch Personen dazu. Ich sage mal eins: Wir brauchen jetzt von der Parteiführung, auch von der Kanzlerin klare Zeichen, wie es um die Zukunft der Union bestellt ist, und wir fordern einfach die Einbindung jüngerer Personen, junger Politiker auch in die Bundesregierung und Parteiführung ein.
    Zerback: Ja, auch da noch mal der Vergleich mit der SPD, die gibt es ja bei den Sozialdemokraten auf jeden Fall, jüngere neue Köpfe. Und in der CDU stattdessen wird die jüngere Generation jetzt ausgebremst? Es ist ja kein Geheimnis, dass Sie sich da zum Beispiel Jens Spahn in den ersten Reihen wünschen würden. Aber für den fällt nichts ab, oder wissen Sie da schon mehr?
    Ziemiak: Ich hab bisher die Namenslisten gesehen, die da kursieren. Nichts davon wird bestätigt, nichts davon wird dementiert. Jetzt wollen wir mal abwarten. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Noch mal: Ich erwarte ein klares Zeichen auch bis zum Parteitag, wie es personell in der Union weitergeht bei der Besetzung der Posten in der Regierung, in der Fraktion, aber auch in der Partei. Wenn es jetzt so einfach weitergeht wie bisher, wird das dazu führen, dass die Menschen an der Basis, unsere Mitglieder, frustriert sind.
    "Die Unzufriedenheit, dass wir das Finanzressort nicht mehr haben"
    Zerback: Okay, ein klares Zeichen von der Kanzlerin. Woraus speist sich denn diese Hoffnung, Herr Ziemiak?
    Ziemiak: Dass die Kanzlerin ja immer ein gutes Gefühl dafür hatte und hat, wie die Situation ist in unserem Land, auch in der Partei, und ich glaube, die Stimmung an der Parteibasis ist unüberhörbar. Die Unzufriedenheit, dass wir das Finanzressort nicht mehr haben.
    Zerback: Das glauben Sie wirklich, dass das die Kanzlerin erreicht und dass sie da ein offenes Ohr für hat?
    Ziemiak: Da bin ich sicher. Jeder, der sich gestern umgehört hat in der Partei und vorgestern umgehört hat in der Partei, weiß, wie schwierig die Situation ist. Und viele sagen, das war keine gute Verhandlung bei der Ressortverteilung, da sind wir unzufrieden, und ich glaube, jetzt brauchen wir Zeichen auch der Erneuerung bei den Posten, die noch zu besetzen sind.
    Zerback: Also die Kanzlerin ausgebremst quasi in ihrer Königsdisziplin, im Aussitzen des Gegners. Aber warum hat sie das gemacht? Ich meine, das hätte sie ja voraussehen können, dass das Unmut in der Partei voraussetzt. Da ging es doch tatsächlich nur darum, sich an der Spitze zu halten – reines Machtgefühl?
    Ziemiak: An der Stelle würde ich sagen, wir haben natürlich vieles auch erreicht inhaltlich in diesem Koalitionsvertrag, und vielleicht, so sagen einige unserer Mitglieder, wurden die Posten zu spät besprochen und auch zu kurzfristig besprochen, man hätte mehr Zeit gebraucht. Wie dem auch sei, darüber brauchen wir jetzt nicht mehr zu debattieren, die Sachen sind entschieden. Aber ich glaube, das, was noch nicht entschieden ist, dieses Fenster müssen wir nutzen, um auch zu zeigen, dass die Union sich weiterentwickelt, dass wir uns überlegen, wie stellen wir uns inhaltlich für die nächsten Jahre auf, aber auch personell. Machen wir uns nichts vor, zu Inhalten gehören auch Personen, und wenn wir uns inhaltlich erneuern, dann müssen wir uns auch personell erneuern, und dafür ist jetzt die Zeit gekommen.
    Zerback: Inhaltliche Debatten, das hören wir ja mantramäßig in diesen Tagen immer wieder, dass die wichtiger seien als Personaldebatten. Gleichzeitig hören wir aber hauptsächlich da Information aus der SPD. Die diskutiert ja wenigstens über Inhalte. So ein Mitgliederentscheid in der CDU, was glauben Sie, wie wäre der wohl ausgegangen?
    Ziemiak: Dafür haben wir einen Bundesparteitag, da sind die Delegierten gewählt. Wir haben auch einen Bundesvorstand. Das ist alles repräsentativ. Wir sehen ja, zu welchen auch Schwierigkeiten das bei der SPD führt, weil es dort eine zum Teil sehr schräge Debatte gibt dieser dann No-GroKo-Befürworter, also zu sagen, wir machen auf gar keinen Fall eine große Koalition.
    "Auf die Erneuerung, inhaltlich wie personell, der Union verzichten"
    Zerback: Und No-GroKo in Schwarz …?
    Ziemiak: Nein, weil wir müssen eine Sache unterscheiden. Ich sage Ihnen, wir haben vieles inhaltlich erreicht. Wenn ich zum Beispiel an die Aussetzung des Familiennachzugs denke und alle Leistungen, die wir auch für junge Familien zukünftig einführen und ausbauen wollen. Das ist das eine. Und es ist auch die eine Sache, dass wir sagen, wir wollen eine große Koalition für eine stabile Regierung. Aber wenn wir auch aus einem Stück Staatsräson sagen, wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, im Gegensatz zu Jusos und anderen, heißt das nicht, dass wir auf die Erneuerung, inhaltlich wie personell, der Union verzichten. Die brauchen wir trotzdem, auch wenn wir jetzt sagen, wir wollen diese große Koalition.
    Zerback: Ich bin trotzdem ein bisschen überrascht, Herr Ziemiak, weil vor Kurzem klangen Sie ja tatsächlich noch ganz anders. Da wollten Sie das Bündnis nicht um jeden Preis, wenn ich Sie da zitieren darf. Das war Anfang Januar, da haben Sie das gesagt. Und jetzt kommt dieses Bündnis dann, wie der Eindruck ist, um jeden Preis. Es kommt Sie zumindest als Partei sehr teuer zu stehen. Woher der Umschwung?
    Ziemiak: Nein, es ist kein Umschwung, weil wenn wir jetzt beispielsweise den Familiennachzug nicht ausgesetzt hätten – ich finde, das wäre nicht gut gewesen für unser Land. Und wir haben vieles erreicht.
    Zerback: Er ist ja nur bis August ausgesetzt.
    Ziemiak: Ja, und danach gibt es keinen Rechtsanspruch mehr. Also, wir haben uns da im Prinzip zu 100 Prozent durchgesetzt. Insofern, das war ein gutes Ergebnis.
    Zerback: Ein Kontingent wird es ja geben und eine Härtefallregelung auch weiterhin, das ist das, was die SPD wollte.
    "Nach der Ressortverteilung ist die Stimmung in der Union sehr schlecht"
    Ziemiak: Und vorher war es unbegrenzt mit Rechtsanspruch auf Familiennachzug. Insofern ist das wirklich ein großer Erfolg. Wir haben vieles erreicht für Familien, Erhöhung des Kinderfreibetrags, des Kindergelds, Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter. Vieles anders. Und ich habe immer gesagt, nicht um jeden Preis, und ich glaube, das ist jetzt vertretbar. Aber nach der Ressortverteilung ist die Stimmung nun mal in der Union sehr schlecht, und wir brauchen jetzt Zeichen der Erneuerung. Ich glaube, beides können wir zusammenbringen.
    Zerback: Erneuerung, das hören wir immer wieder, das haben wir unter anderem auch von Daniel Günther, Ihrem Parteikollegen. Der spricht von einem harten Weg, da Vertrauen zurückzugewinnen, und auch von neuen Köpfen. Da haben sich aber schon auch die einen oder anderen älteren CDU-Kollegen auf den Schlips getreten gefühlt. Also, ist das ein reines Bashing gegenüber älteren Kollegen?
    Ziemiak: Nein, überhaupt nicht. Ich sage ja vor allem, es braucht frische Köpfe, und es geht nicht ums Alter.
    Zerback: Also auch alte Köpfe können frisch sein – und klug.
    Ziemiak: Wir brauchen eine Mischung aus beidem. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich, wir haben alle Positionen in der Fraktion bisher verteilt, wir haben jetzt Namen, die kursieren für die Bundesregierung, und wir sehen, es soll ein "Weiter so" geben an verschiedenen anderen Stellen in der Partei, und das stimmt mich unzufrieden, und ich erwarte jetzt einfach Zeichen der Parteiführung, auch der Kanzlerin, wie es um die Erneuerung der Partei inhaltlich und auch vor allem mit den Köpfen bestellt ist.
    Zerback: Da gibt es ja schon Vorschläge, die kommen allerdings nicht aus Ihrer Partei, dass vielleicht nach zwei Jahren Schluss sein könnte und die Kanzlerin mal langsam sich auf den Weg machen sollte, einen Nachfolger aufzubauen bis dahin. Eine gute Idee?
    Ziemiak: Wir müssten immer daran interessiert sein, einen Nachfolger, eine Nachfolgerin aufzubauen. Wir sollten breit aufgestellt sein. Und übrigens, dafür brauchen wir auch mal ein paar neue oder frische Köpfe in verschiedenen Positionen.
    Zerback: Noch mal nachgefragt: Wenn das jetzt nicht passiert, weil im Moment macht die Kanzlerin da ja tatsächlich noch keine Anstalten, muss man dann nachhelfen?
    "Dann wird die Stimmung sehr, sehr schlecht bleiben"
    Ziemiak: Ich sage Ihnen, dann wird die Stimmung sehr, sehr schlecht bleiben. Und wir haben auch Landtagswahlen zu bestreiten und vieles anderes mehr. Ich glaube, dass wir uns als Union einfach nicht erlauben können zu sagen, jetzt haben wir diesen Koalitionsvertrag verhandelt, um die Partei brauchen wir uns jetzt nicht mehr so sehr zu kümmern, es geht jetzt einfach heiter weiter. Das wird dieses Jahr nicht funktionieren.
    Zerback: Jetzt hab ich Sie noch nicht ganz verstanden. Also, Königinnenmord, ja oder nein, Herr Ziemiak?
    Ziemiak: Aber es geht doch gar nicht darum, jetzt zu sagen, irgendjemand muss weg, sondern einfach eine Debatte anzufangen, dass wir eine Mischung aus der Erfahrung der Älteren, aber auch aus frischen Ideen der Jüngeren brauchen. Ich meine, das ist doch meine Aufgabe auch als Vorsitzender der Jungen Union, das einzufordern, inhaltlich wie personell. Es ist eine Selbstverständlichkeit, ostdeutsche Politiker fordern jetzt einen ostdeutschen Minister, Frauen fordern mehr Frauen, und ich glaube, es ist wichtig, dass die junge Union und junge Politiker auch frische Köpfe und frische Ideen für die Zukunft der CDU fordern.
    Zerback: Ja, irgendwer muss dann ja Platz machen. Das ist ja dann die ganz logische Konsequenz. Aber noch mal ganz kurz zum Schluss gefragt, Herr Ziemiak, stehen Sie denn dann bereit, laufen Sie sich warm?
    Ziemiak: Es geht in erster Linie nicht um mich, sondern um andere. Wir haben so viele tolle Leute, die dafür geeignet sind. Ich mache meinen Job als Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Jungen Union. Und wie Sie sehen und hören, es gibt genug zu tun für mich.
    Zerback: Paul Ziemiak sagt das, der Bundesvorsitzender der Jungen Union, der sich ja quasi auch noch selbst abgesagt hat. Ich danke Ihnen, Herr Ziemiak, für das Gespräch!
    Ziemiak: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.