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Spanien
Demonstrieren könnte bald teuer werden

Mit spontanen Demonstrationen könnte in Spanien bald Schluss sein. Wer vor Parlament oder Senat ohne Ankündigung protestiert, soll mit einem Bußgeld von bis zu 600.000 Euro bestraft werden - so die Pläne der Regierung.

Von Cornelia Derichsweiler | 29.11.2013
    Proteste sind seit Beginn der Krise an der Tagesordnung in Spanien. Der Zorn der Bürger ist groß. Denn überall setzt die Regierung die Schere an: bei der Bildung, bei der Gesundheit und bei den Sozialleistungen. Gegen die Wut der Straße will sich die Regierung nun mit einem Gesetz wappnen. Wer künftig unangekündigt Demonstrationen vor dem spanischen Parlament, dem Senat oder anderen Institutionen einberuft, muss mit saftigen Geldstrafen rechnen: bis zu 600.000 Euro, so der ursprüngliche Plan. Unter dem Druck der Öffentlichkeit will die Regierung die maximalen Strafen nun auf 30.000 Euro reduzieren. Das aber ändert nichts am Kern des Problems, meint Elena Valenciano, die stellvertretende Generalsekretärin der spanischen Sozialisten:
    "Das war doch vollkommen absurd, jemandem 600.000 Euro abzuverlangen, weil er vor dem Parlament demonstriert. Auch wenn es jetzt nur 30. 000 Euro sein sollen. Aber wichtiger ist doch die Botschaft, die sich hinter diesem Gesetz verbirgt. Denn es geht darum, das Demonstrationsrecht zu unterdrücken. Und das in einem Land, in dem die Leute unter der Krise leiden wie sie nun mal leiden."
    Auch in der Justiz stößt das geplante Gesetz auf Kritik. Spaniens Richter hatten sich bisher gegenüber Demonstranten, die vor dem Parlament campierten, stets milde gezeigt. Sie finden es bedenklich, dass solche Protestaktionen nun dem Zugriff der Justiz entzogen und direkt von der Verwaltung und somit vom Staat sanktioniert werden sollen. Joaquin Bosch von der Richter-Vereinigung „Richter für die Demokratie“ findet das auch verfassungsrechtlich problematisch:
    "Dieses Gesetz ist ein Angriff auf die Freiheit der Bürger. Und die öffentliche Verwaltung bekommt dadurch eine unverhältnismäßige Macht, die in vielen Fällen verfassungsrechtlich sehr bedenklich ist."
    Justizminister Alberto Ruiz Gallardón aber verteidigt das Gesetz gegen die Kritik.
    "Wir müssen die Rechte und die Freiheiten aller Bürger garantieren. Aber wir müssen auch die schützen, die sich durch ordnungswidriges Verhalten bedroht sehen. Und genau das wird dieses Gesetz tun."
    Manche Aktivisten geben sich bereits jetzt kampfeslustig. Zum Beispiel Ada Colau. Sie ist die Stimme all derer in Spanien, die sich von Zwangsräumungen bedroht fühlen, weil sie ihre Wohnungskredite nicht mehr zahlen können:
    "Wir werden noch mehr demonstrieren als vorher, und wir werden den Behörden viel Arbeit machen. Denn sie werden weder genügend Polizisten noch Strafzettel aufbieten können, um das zu kontrollieren, was nun mal nicht zu kontrollieren ist: den Durst nach Demokratie und nach Menschenrechten, den wir in diesem Land haben."
    Eine erste Reaktion auf den Kabinettsbeschluss, der noch durchs Parlament muss, soll es schon heute Abend geben: dann wollen Aktivisten ihrem Unwillen vor der Zentrale der Regierungspartei Luft machen.