Dienstag, 30. April 2024

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Exzellenter Schlussspurt
"Eine Beförderung der Wissenschaft in Deutschland"

Es sei eine starke Konkurrenzsituation zwischen den Hochschulen, sagte Rudolf Mathar von der RWTH Aachen kurz vor dem Bewerbungsschluss für die neue Runde der Exzellenzstrategie im DLF. Doch wenn sich Universitäten auf ihre Stärken besinnen und eine Fokussierung in diesen Bereichen vornehmen könnten, profitierten sie.

Rudolf Mathar im Gespräch mit Markus Dichmann | 28.03.2017
    Studenten an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen verfolgen am Mittwoch (12.04.2006) eine Vorlesung im Fach Maschinenbau. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Wissenschaftsrat haben im Rahmen der Exzellenzinitiative die RWTH Aachen auf ihre Liste der Elite-Unive.
    Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) Aachen. Sie hat es bereits zweimal geschafft, sich für die Exzellenzinitiative zu qualifizieren. (Oliver Berg / dpa)
    Dichmann: Da scheint diese Woche eine Menge Druck im Kessel zu sein, Herr Mathar. Wo steht denn die Tachonadel bei Ihnen in Aachen?
    Mathar: Das stimmt. Es ist wirklich eine Menge Druck im Kessel. Unsere Tachonadel steht bei etwa 180!
    Dichmann: Das heißt hektisches Gerenne auf den Fluren und anstrengende Tage für alle Beteiligten.
    Mathar: Anstrengende Tage ja, hektisches Gerenne nicht. Wir haben uns relativ gut vorbereitet. Wir sind sicher, dass wir gute Anpassskizzen abgeben können.
    "Es ist eine starke Konkurrenzsituation"
    Dichmann: Jetzt war es tatsächlich so, dass praktisch bei jedem Anruf an einer Hochschule, an einer Universität erst mal scharf eingeatmet wurde auf die Frage, ob man diese Woche noch mal über die Exzellenzstrategie reden könnte. Keiner wollte so recht erzählen, keiner wollte auch nur Indizien preisgeben, woran man forscht und wer beteiligt ist. Was ist das für eine Situation, in der diese Bewerbungen entstehen?
    Mathar: Das ist natürlich eine Konkurrenzsituation. Also wenn man reine Arithmetik betreibt, dann hat die DFG etwa 200 Absichtserklärungen für Exzellenzclusteranträge gehabt. Es werden wahrscheinlich etwa 100 von denen zum Langantrag aufgefordert, und wir wissen, dass es etwa für 50 Exzellenzcluster nachher eine Bewilligung geben wird. Also es ist eine starke Konkurrenzsituation, und aus der Situation heraus versucht natürlich jeder, möglichst gut zu sein und keine Informationen rauszugeben, die nicht geeignet sind.
    Dichmann: 200 Bewerbungen gehen ein bei der DFG, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 50 kriegen dann den Zuschlag – das habe ich jetzt richtig verstanden.
    "Im Prinzip ist es eine gute Entwicklung"
    Mathar: Ja, so wird es etwa sein. Das ist allerdings reine Arithmetik, also das ist eine Vorhersage, die aber wahrscheinlich zutreffen wird.
    Dichmann: Also befördert die Exzellenzstrategie ganz eindeutig die Konkurrenz zwischen Hochschulen, was ja auch so gewollt ist, nehme ich an, wenn man so den gedanklichen Vätern der Exzellenzstrategie lauscht. Empfinden Sie das eigentlich für die Wissenschaft als eine gute oder als eine schlechte Entwicklung, dass so Wert auf Konkurrenz gelegt wird?
    Mathar: Also im Prinzip ist es eine gute Entwicklung. Ich würde es auch nicht nur auf die Konkurrenz beziehen. Eine Absicht ist sicher, dass sich die Hochschulen auf ihre Stärken besinnen, dass also die Hochschulen eine gewisse Fokussierung in gewissen Bereichen vornehmen können, in denen sie sich stark fühlen, und dann besser werden, einfach mit zur Weltspitze gehören. Also ich glaube, insgesamt ist es eine Beförderung der Wissenschaft am Standort Deutschland.
    Dichmann: Auf der anderen Seite können wir beobachten, wie sich immer mehr Universitäten für die Bewerbungen zu Verbunden zusammenschließen. Die Universitäten in Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen, die treten sogar als sogenannte Universitätsallianz an. Das riecht doch wiederum mehr nach Kooperation.
    25 Principle investigators entwickeln Zukunftspläne für die Uni
    Mathar: Ja, das ist richtig. Stellen Sie sich die Situation vor, man möchte einen Cluster beantragen, das würde bedeuten etwa zehn Millionen pro Jahr für die jeweilige Hochschule, und man hat einen Bereich, der dafür nicht stark genug ist. Dann würde man sich sicher zusammentun mit anderen Universitäten und dann gemeinsam ein solches Cluster beantragen. Ich glaube, das ist die Motivation hinter den Clusterverbünden, die wir auch an der RWTH Aachen gemacht haben.
    Dichmann: So oder so, ob jetzt alleine oder gemeinsam in Verbunden, wird das ja ein Wahnsinnsaufwand sein, und es wird ein Wahnsinnsaufwand betrieben für eine Exzellenzbewerbung. Warum eigentlich? Sie haben jetzt gerade gesagt, etwa zehn Millionen Euro pro Jahr pro Universität. Was bedeutet so ein Exzellenzcluster für eine Universität?
    Mathar: Man kann eine Menge machen. Also man hat die finanziellen Möglichkeiten, man hat sich vorher überlegt, was man damit tun will, man hat auch schon überlegt, wie man das Geld strukturell einsetzt und wo man Schwerpunkte an den Universitäten setzt. Ich glaube, man kann dann eine Menge bewirken. Was auch ein wichtiges Element ist, wenn man so einen Antrag geschrieben hat, dann hat man einen Verbund von 25 PIs, also principle investigators, die gemeinsam überlegen, wo es hingeht. Das heißt, das wird an den Universitäten natürlich das gemeinsame Denken und das zielorientierte Denken befördern. Ich glaube schon, dass das einen sehr, sehr positiven Effekt hat, was sich auch bei der letzten Exzellenzinitiative gezeigt hat.
    "Plan B ist jetzt noch nicht auf dem Tisch"
    Dichmann: Auf der anderen Seite kann doch dann auch ein harter Entzug folgen. Sie hatten in Aachen zuletzt zwei bestehende Exzellenzcluster. Was würde das jetzt bedeuten, wenn diese Cluster nicht wieder erobert werden könnten?
    Mathar: Ja, darüber haben wir nicht genau nachgedacht. Wir hoffen natürlich, dass die fortgesetzt werden. Das würde bedeuten, dass wir die Themen dieser Cluster aus anderen Finanzierungsquellen weiter fortsetzen wollen. Also wir würden die Themen nicht aufgeben. Wir haben dann sieben Jahre an dem Thema geforscht, wir haben Erfolge gehabt, und man will das nicht einfach abschneiden. Wir hoffen natürlich, dass es fortgesetzt wird. Also die Alternative, der Plan B, der ist jetzt noch nicht auf dem Tisch, sagen wir mal so.
    Dichmann: Wobei man da von anderen Universitäten durchaus hört, dass wenn die Exzellenzprojekte auslaufen, eben auch Leute auf der Straße stehen.
    "Exzellenzcluster dienen auch der Nachwuchsförderung"
    Mathar: Ja, das stimmt. Das stimmt. Der Personalstamm wird kleiner werden. Man muss natürlich bedenken, dass diese Exzellenzcluster auch der Nachwuchsförderung dienen. Nachwuchsförderung heißt in dem Sinn, dass man an einem Forschungsthema arbeitet, eventuell promoviert über das Forschungsthema und dann in die Industrie geht. Also das ist noch ein natürlicher Fluss, aber der Personalstamm wird kleiner, und die Forschungsmöglichkeiten werden dadurch reduziert, ganz klar.
    Dichmann: Wie beurteilen Sie jetzt denn unterm Strich dieses ganze System, das sich ja wohl, so wie es aussieht, in der Unilandschaft noch auf viele Jahre festgefressen hat? Die Cluster bedeuten auf der einen Seite eine Menge Aufwand, ja, versprechen aber auch viel Ertrag. Was ist das Fazit?
    Mathar: Ja, man muss das auswiegen, den Aufwand gegen den Ertrag. Ich denke, wir an der RWTH Aachen sind einen Weg gegangen, dass der Nutzen deutlich höher ist als der Aufwand, und ich hatte eben schon dargestellt, es hat sehr viele positive Effekte, vor allem der Effekt der Fokussierung auf bestimmte Themen, es hat den Effekt der Strukturierung der zukünftigen Forschung. Das ist für eine Universität, die ja eigentlich aus der Vielfalt lebt, auch ein wichtiges Element.
    Dichmann: In "Campus und Karriere" war das Rudolf Mathar, der Prorektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Danke fürs Gespräch!
    Mathar: Ja, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.