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Grönland
Neue Methan-Quelle entdeckt

Rinderzucht, defekte Gasleitungen oder tauende Permafrostböden - all dies sind bereits bekannte Quellen des hochwirksamen Treibhausgases Methan. Gletscher gehörten bislang nicht dazu – doch Forscher sind in der Arktis jetzt neu entdeckten Methan-Emissionen auf der Spur.

Von Dagmar Röhrlich | 09.11.2018
    Die Spitze eines Gletschers mit Blauem Eis, aufgenommen am im Kongsfjord bei Ny-Ålesund auf Spitzbergen (Norwegen) vom Flugzeug aus.
    In einem Gletscher sind Forscher auf eine Methanquelle gestoßen (dpa / Jens Büttner)
    Manchmal hilft der Zufall der Wissenschaft weiter. So geschehen im Sommer 2016. Damals untersuchten Biogeochemiker in der Nähe des internationalen Flughafens von Kangerlussuaq in Grönland, wieviel Methan der tauende Permafrost dort freisetzt. Dabei setzten sie Detektoren ein, die sie wie einen Rucksack auf dem Rücken trugen. Der Vorteil war, dass sie so überall dort messen konnten, wo es ihnen interessant erschien:
    "Wir sahen dann einen interessanten Ort am Rand des Gletschers, wo Wasser unter dem Eis hervor strömt. Aus Neugierde gingen wir dorthin. Als wir dort dann Kaffee in der Sonne tranken, rief eines unserer Crewmitglieder: "Hey Leute, ihr müsst rüberkommen, hier strömt Luft unter dem Gletscher heraus." Doch unter einem Gletscher ist nur Wasser und Stein - wo sollte da ein Luftzug herkommen, Wasser ja, aber Luft? Also liefen wir alle hin."
    Verblüffend hohe Konzentration an Methan
    Aus dieser zwei Meter weiten Höhle strömte ganz eindeutig ein schwacher Wind, erzählt Jesper Christiansen von der Universität Kopenhagen. Weil sie ihre Detektoren dabei hatte, hielten sie die Sensoren in den Luftstrom - und zu ihrer Verblüffung war die Methankonzentration deutlich höher als in der Umgebungsluft. Das Methan musste also von irgendeiner Quelle unter dem Eis stammen.
    "Wir konnten dieses Phänomen nicht ignorieren, und so kehrten wir jeden Tag zum Messen zurück. Und es ab jeden Tag eine neue Überraschung: Am zweiten lag das Methanniveau so hoch wie am ersten, am dritten hatte sich der Gehalt verdoppelt und schließlich stieg er auf das 15fache an. Es kam also sehr viel Methan aus einer Quelle, die wir bislang nicht beachtet hatten."
    Messungen bestätigen erste Resultate
    Messungen zeigten, dass dieses Methan tatsächlich aus dem Schmelzwasser am Grund des Gletschers stammt: Es ist darin gelöst, und solange das Wasser unter dem Eis ist, steht es unter Druck. Doch sobald es ins Freie strömt, lässt der Druck nach und das Methan sprudelt heraus wie Gas aus einer Limonadenflasche, die geöffnet wird. Zwar ist durch Bohrungen bekannt, dass es unter Gletschern Methan gibt, erläutert Jesper Christiansen:
    "Aber wir konnten erstmals nachweisen, dass dieses Methan in die Atmosphäre gelangt. Diesen Prozess hat bislang noch niemand berücksichtigt, ist im Grunde unbekannt."
    Doch wieviel diese Quelle zur Methanbilanz beiträgt, lässt sich derzeit nicht sagen, weil niemand weiß, wie verbreitet das Phänomen ist. Doch an dieser Stelle jedenfalls wird - auf den Quadratmeter umgerechnet - pro Stunde sechsmal mehr Methan freigesetzt als die Sümpfe in der Umgebung über das ganze Jahr hinweg. Und die Messungen, die die Forscher in diesem Jahr dort durchgeführt haben, bestätigen die Resultate aus 2016:
    "Auch im Sommer diesen Jahres trat Methan mit dem Schmelzwasserstrom aus. Und unsere Messreihen zeigen, dass dieses System sehr dynamisch ist. Die Methanemissionen können sich über 24 Stunden hinweg stark verändern. Es besteht auf jeden Fall ein Zusammenhang zwischen der Menge an austretendem Wasser und der Methanemission."
    Geländearbeit in Grönland ist teuer
    Derzeit versuchen die Forscher zum einen, die Quelle des Methans auszumachen, ob es biologischen Ursprungs ist und von Mikroorganismen unter dem Eis produziert wird, oder ob es aus einer geologischen Quelle stammt. Außerdem soll nun erst einmal geklärt werden, wie groß die eigentliche Methanquelle ist, aus welchem Einzugsgebiet sie stammt - und wie verbreitet dieses Phänomen ist. Das wird neue Messungen verlangen. Und so hoffen die Biogeochemiker nun das jetzt, wo das Phänomen bekannt ist, auch andere Glaziologen und Hydrologen bei der Suche mitarbeiten. Denn Geländearbeit in Grönland ist sehr teuer.