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EU
Auswanderungsland Polen

Das Wohlstandsgefälle zwischen EU-Mitgliedsstaaten ist generell steiler geworden ist, die Mobilität der Menschen in der EU nimmt zu. So ist Deutschland, nach Angaben der OECD, weltweit sogar an die zweite Stelle der Einwanderungsländer aufgerückt. Nur in die USA zieht es noch mehr Menschen. Besonders viele Menschen wandern aus Polen aus.

Von Henryk Jarczyk | 16.10.2014
    Schüler mit "Migrationshintergrund"
    Gestiegene Mobilität innerhalb der EU: Jeder fünfte Einwohner in Deutschland hat einen "Migrationhintergrund". (picture alliance / dpa)
    Die gute Nachricht lautet: Ja sie sind flexibel. Die schlechte indes: Das Land hat nichts davon. Und die Warschauer Regierung wirkt irgendwie – hilflos: Es sei ausgezeichnet, wenn ein junger Mensch aus Polen die Möglichkeit bekomme, im Ausland zu studieren, sagt Premierministerin Ewa Kopacz. Aber es sei sehr schlecht, wenn er im Ausland auch bleibe. Die begabtesten Studenten würden künftig also nur dann ein Stipendium erhalten, wenn sie nach dem Studium mindestens fünf Jahre in Polen arbeiten.
    Ob diese Taktik jemanden überzeugt? Vermutlich kaum. Mittlerweile leben geschätzt knapp drei Millionen Polen dauerhaft im Ausland. Die meisten in Großbritannien gefolgt von Deutschland, Irland und den Niederlanden. Dort schlagen sie Wurzeln und denken immer seltener daran, irgendwann die Heimreise anzutreten. Natürlich, sagt Migrationsexpertin Karolina Grot, seien viele Auswanderer wegen der wesentlich besseren Bezahlung ins Ausland gegangen. Wenn sie anschließend aber nicht zurückkehren würden, dann oft auch aus ganz anderen Gründen:
    Hohe Investitionen für Rückkehr nötig
    Um die Menschen zur Rückkehr zu bewegen, bedarf es hoher Investitionen in ein entsprechendes Umfeld. Die zahlreichen bürokratischen Hürden in Polen müssen weg. Angefangen von der undurchsichtigen Steuererklärung bis hin zur Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Für uns Polen ist es oft zum Beispiel einfacher, eine Firma im Ausland zu gründen als in Polen selbst. Das ist doch absurd.
    Absurd und an der Tagesordnung. Dennoch - sagt Karolina Grot - alles wäre halb so schlimm, wenn es nur die einfachen Arbeiter ins Ausland ziehen würde. Inzwischen aber verliert Polen zunehmend Akademiker. Auch das ein hausgemachtes Problem, meint die Migrationsexpertin:
    "Am Anfang war es rein ökonomische Emigration. Menschen mit niedriger Ausbildung, die im Ausland möglichst schnell Geld verdienen wollten. Inzwischen ziehen immer mehr junge Menschen mit Hochschulabschluss weg. Menschen, für die nicht nur höhere Einkünfte von Bedeutung sind, sondern auch ein besserer Zugang zum Gesundheitswesen, also höhere soziale Sicherheit durch ein besseres soziales System."
    Für EU-Werte durchschnittliche Arbeitslosigkeit
    Nach Angaben des Zentralen Statistikamtes sind derzeit knapp 23 Prozent junger Polen zwischen 18 und 24 arbeitslos gemeldet. Ein für EU-Verhältnisse zwar durchschnittlicher Wert. Gleichwohl in etlichen EU-Staaten ist er wesentlich niedriger. In Deutschland zum Beispiel sind es zur Zeit nach EU-Berechnungen nur rund acht Prozent. Kein Wunder also, dass viele polnische Hochschulabsolventen ihr Glück bei uns versuchen. Wobei die Chancen in Polen einen Job zu bekommen, sagt ein Warschauer Student, nicht etwa an mangelnder Flexibilität oder zu hohen Erwartungen scheitern würden. Nein, der Grund sei oft die falsche Qualifikation, und zwar gleichgültig ob an der Uni oder der Berufsschule erworben:
    "Es stimmt nicht, was uns früher gesagt wurde, dass es schon reicht fleißig zu lernen. Ich sehe es gemeinsam mit andere Kommilitonen, wie schwer es ist, einen Job zu bekommen, der sich mit unserem Studium irgendwie verbinden ließe. Also die Perspektiven sind alles andere als rosig."
    Kurzum: Wer außer Englisch auch Deutsch oder Niederländisch beherrscht, der überlegt nicht lange. Da heißt es nur: Koffer packen und nichts wie weg. Natürlich in der Hoffnung im Ausland nicht unbedingt Teller zu waschen. Doch auch dazu sind viele Polen – zumindest am Anfang – durchaus bereit.