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Anlagensicherheit
TÜV befürchtet Sicherheitslücken

Ob Fahrstuhl oder Industrieanlagen: Die Technischen Überwachungsvereine warnen davor, die Prüfpflichten bei technischen Anlagen zu lockern. Entsprechende Pläne des Bundesarbeitsministeriums gefährdeten das insgesamt hohe Sicherheitsniveau in Deutschland, so der Verband der TÜV bei der Vorstellung seines Anlagensicherheitsreports 2014.

Von Anja Nehls | 10.04.2014
    Ein gelbes Schild mit einer stilisierten Frau und einem Kind weist den Weg zu einem Fahrstuhl in einem Einkaufszentrum in Frankfurt, aufgenommen im März 2011.
    Aufzugsanlagen müssen nicht gemeldet werden und werden häufig auch nicht regelmäßig kontrolliert. (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Die Fahrstuhltür schließt sich, der Aufzug fährt in den fünften Stock und lässt die Fahrgäste auch wieder heraus. Glück gehabt. Denn ob dieser Aufzug von einer zugelassenen Überwachungsstelle wie zum Beispiel TÜV oder Dekra regelmäßig geprüft wird, weiß kein Mensch. Aufzugsanlagen werden von irgendwelchen Firmen einfach eingebaut, sie müssen nicht gemeldet werden und werden häufig auch nicht - wie eigentlich vorgeschrieben - regelmäßig kontrolliert. Alle zwei Jahre ist eine Hauptprüfung fällig, dazwischen noch je eine unangekündigte Zwischenprüfung. Die soll jetzt abgeschafft werden, so der Vorschlag vom zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Unmöglich, findet Dieter Roas vom TÜV Süd. Denn schon bei den Zwischenprüfungen der Aufzüge, die den Überwachungsstellen überhaupt bekannt sind, waren gerade mal 54 Prozent der Aufzüge mängelfrei, 38 Prozent hatten geringe und 7 Prozent sogar erhebliche Mängel:
    "Beispiel für einen schwerwiegenden Mangel wären die Tragseile, die stark korrodiert sind, also so beschädigt, dass dadurch Schaden passieren kann. Oder Triebwerksbremsen versagen oder Getriebe brechen. Solche Dinge passieren leider auch in Deutschland. Das führt dann oft auch zu unkontrollierten Bewegungen an Schachttüren und man stellt sich mal vor, die Schachttür geht auf und die Kabine steht nicht dahinter. Also das sind leider Sachen, die durchaus vorkommen können."
    VdTÜV: Unabhängige Prüfungen unerlässlich für die Sicherheit
    Was bei den Aufzügen schon gefährlich ist, kann bei anderen technischen Anlagen zu einer Katastrophe werden. Geprüft werden nämlich auch zum Beispiel Industrieanlagen, Anlagen mit entzündlichen und explosiven Stoffen, Tankstellen, Raffinerien, Druckanlagen und Kessel oder Tanklager an Flughäfen. Bundesministerium für Arbeit und Soziales will nun die unabhängigen Prüfungen von Anlagen mit brennbaren Flüssigkeiten abschaffen. Stattdessen sollen die Unternehmen ihre Anlagen selbst prüfen. Im Ausland hat deswegen schon schwere Unfälle gegeben, warnt Klau Brüggemann vom TÜV:
    "Im Jahr 2005 ist in England ein Tanklager explodiert, bei dem also sehr viele Verletzte und Tote zu beklagen waren, das war die Anlage in Buncefield. Im April 2013 explodierte in Texas eine Düngemittelfabrik. Bei der Explosion starben 15 Menschen und 150 wurden verletzt. Und dabei stellte sich dann heraus, dass die Aufsichtsbehörde in den USA diese Anlage seit 28 Jahren nicht mehr kontrolliert hatte."
    In Deutschland waren rund 83 Prozent der Lageranlagen für explosive Stoffe und leicht entzündbare Flüssigkeiten bei der letzten Kontrolle mängelfrei. Bei der Prüfung von 300.000 Druckbehälteranlagen gab es in drei viertel aller Fälle nichts zu beanstanden. Noch sind die Sicherheitsstandards in Deutschland hoch, sagt Dieter Roas vom TÜV Süd:
    "Gerade was jetzt Tanklager betrifft oder Dampfdruckanlagen oder auch Anlagen im Explosionsschutzbereich, da sind wir relativ gut unterwegs, muss man sagen. Allerdings ist es so, wenn man sich vorstellt, ein Tanklager, da braucht nur eins da sein, wo was Gravierendes passiert, da ist nicht eine Person betroffen oder zwei, sondern da ist eine ganze Umgebung betroffen."
    Das gilt besonders auch für Tankstellen, die oft in dicht besiedelten Gebieten betrieben werden. Knapp 4500 sind kontrolliert worden, die Hälfte war mängelfrei, aber bei einem Viertel hatten die Prüfer erhebliche Mängel zu beanstanden. Ein Grund mehr, die Betriebssicherheitsverordnung so zu lassen wie sie ist, fordert Klaus Brüggemann: "Und im Grunde genommen gibt es keinen sachlichen Grund, warum man auf die Prüfung solcher Anlagen verzichten sollte. Deshalb ist unsere Meinung: Man sollte, die Novellierung dahin überarbeiten, dass man jetzt nicht leichtfertig die Prüfung von solchen Anlagen aufgibt."