Dienstag, 30. April 2024

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Acinetobacter baumannii
Hochresistenter Keim an der Uniklinik Ulm

Ausnahmezustand am Universitätsklinikum Ulm: Ein Teil der Intensivstation ist isoliert, weil drei Patienten sich mit dem hochresistenten Keim Acinetobacter baumannii infiziert haben. Die Ansteckungsgefahr ist groß - und die Suche nach wirksamen Medikamenten hinkt hinterher.

Von Thomas Wagner | 17.06.2016
    In der Universitätsklinik Ulm (Baden-Württemberg) ist am 17.06.2016 der Zugangsbereich zu einer Intensivstation abgesperrt. Die Klinik isolierte diese Intensivstation wegen eines gefährlichen Erregers.
    Die Universitätsklinik Ulm isolierte diese Intensivstation wegen eines gefährlichen Erregers. (picture alliance / dpa)
    Alarmstufe Rot auf einer der sieben Intensivstationen des Uniklinikums Ulm:
    "Wir haben ein eigenes Zimmer, das heißt jeder, der in dieses Zimmer geht, legt Schutzkleidung an. Die Schutzkleidung besteht aus einem flüssigkeitsdichten Überkittel mit solchen Bündchen, Handschuhen, die Mitarbeiter tragen Mund-Nasenschutz."
    Professor Heike von Baum ist Sektionsleiterin für Hygiene am Universitätsklinikum Ulm. Weswegen sie und ihre Kollegen sich nur in Schutzanzügen in einem abgetrennten Bereich der Intensivstationen bewegen können, hat einen Grund, der zu großer Besorgnis führt: Gleich an drei Patienten ist der Keim Acinetobacter baumannii nachgewiesen worden - und der hat es in sich: Acinetobacter baumannii nämlich gilt als sogenannter hochresistenter Keim.
    Keim kann dafür sorgen, dass andere Krankheitserreger resistent werden
    Das heißt: Selbst wenn er selbst gar keine Krankheit bei einem Patienten verursacht, so sorgt er doch dafür, dass andere Krankheitserreger blitzschnell derart resistent werden, dass sie mit Medikamenten nicht mehr behandelt werden können - und das kann, sagt Professor Udo Kaisers, leitender ärztlicher Direktor am Uniklinikum Ulm, für andere Patienten zur tödlichen Gefahr werden. Mit die erste Maßnahme daher: Die betroffenen drei Patienten, an denen der gefährliche multiresistente Keim nachgewiesen werden konnte, wurden von allen anderen isoliert, befinden sich, wenn man so will, in einer Art Quarantäne. Udo Kaisers:
    "Wir haben die Patienten strikt von anderen Patienten getrennt, auch die entsprechenden Teams der Pflege entsprechend aufgeteilt. Wir haben eine strikte Barrieretrennung dieser Patienten von allen übrigen Patienten vorgenommen und haben auf dieser Intensivstation keine weiteren neuen Patienten aufgenommen."
    Viele Medikamente könnten wirkungslos werden
    Auf diese Weise, sind sich die Verantwortlichen der Uni Klinik Ulm sicher, soll eine Ausbreitung des multiresistenten Keims verhindert werden. Das ist insofern wichtig, als der eben auch andere Krankheitserreger so verändert, dass sie nicht mehr auf antibiotische Medikamente ansprechen. Will heißen: Wer sich mit "Acinetobacter baumani" infiziert, muss damit rechnen, das viele Medikamente nicht mehr wirken. Und das wird deutschlandweit, über den Fall von Ulm hinaus, zu einem zunehmenden Problem, betonte Professor Heike von Baum vom Uniklinikum Ulm:
    "In Deutschland sind für die vergangenen Jahre immer wieder Ausbrüche gemeldet, also wenn man mal schaut, seit 2011, sind da teilweise jetzt, ich kenne jetzt die Daten so bis 2014, sind zwischen sechs und 14 Ausbrüche für deutsche Intensivstationen gemeldet mit dem Keim. Und dieser Anteil der Hochresistenten ist in den letzten Jahren gestiegen."
    Pharmazeutische Industrie hinkt hinterher
    Eine besorgniserregende Entwicklung, so der leitende ärztliche Direktor Professor Udo Kaisers. Im Gegenzug dazu hinke die pharmazeutische Industrie bei der Entwicklung neuer Medikamente, die diesen multiresistenten Keimen zu Leibe rücken, derzeit ziemlich hinterher:
    "Was entwickelt die pharmazeutische Industrie aktuell an neuen antimikrobiell wirksamen Substanzen? Da ist die Pipeline weitgehend leer. Es ist kein Fokus der pharmazeutischen Industrie, solche Substanzen zu entwickeln. Da gibt es sehr schöne Untersuchungen und Statistiken dazu, dass wir tatsächlich derzeit kaum neue Wirkprinzipien haben, praktisch keine, und auch die nahe Zukunft nicht verspricht, dass wir diesbezüglich jetzt einen Durchbruch erwarten dürfen."