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Pflanzenschutzmittel
Der Streit um Glyphosat

Das EU-Parlament plädiert dafür, das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat nur für weitere sieben und nicht 15 Jahre in der EU zuzulassen. Aber was ist eigentlich Glyphosat? Und wie gefährlich ist es für Mensch und Umwelt? Darüber wird seit Jahren lebhaft gestritten. Wir liefern einen Überblick über die wichtigsten Positionen.

Von Charlotte Voß | 13.04.2016
    Mit einem Traktor wird nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt.
    Mit einem Traktor wird nahe Sallach im Landkreis Straubing-Bogen (Bayern) Pflanzenschutzmittel auf ein Feld gespritzt. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
    Glyphosat ist das weltweit am meisten eingesetzte Pflanzenschutzmittel. Es gehört zu den sogenannten Herbiziden, also zu Mitteln, die störende Pflanzen abtöten sollen. Es kommt nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Kleingärtnerei zum Einsatz. Auf den Markt gebracht wurde es vom Unternehmen Monsanto, es ist Wirkstoff in dessen Produkt Roundup. Monsantos Patent ist jedoch ausgelaufen, mittlerweile vertreiben also auch viele andere Hersteller Produkte, die Glyphosat enthalten.
    Viele Studien - keine Einigkeit
    Zahlreiche Studien haben sich mit Glyphosat und seinen Risiken befasst - Einigkeit herrscht unter den Forschern jedoch nicht. Klar ist lediglich: Das Pflanzenschutzmittel gelangt in den menschlichen Körper. So etwa über Bier: Das Umweltinstitut München untersuchte 14 Biersorten und kam nicht nur zu dem Ergebnis, dass alle Rückstände von Glyphosat enthalten, sondern dass sie mit 30 Mikrogramm pro Liter teils bis zu 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser liegen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält dem allerdings entgegen: "Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1.000 Liter Bier trinken. Glyphosatgehalte von 30 Mikrogramm pro Liter Bier stellen nach dem derzeitigen Stand des Wissens kein gesundheitliches Risiko dar." Das BfR weist außerdem darauf hin, dass "Glyphosatrückstände in Bier aus wissenschaftlicher Sicht plausibel und grundsätzlich erwartbar" seien, "da Glyphosat ein zugelassener Pflanzenschutzmittelwirkstoff für Getreide" sei. Maßgeblicher sei bei Bier außerdem nicht der für Trinkwasser, sondern der für Getreide festgesetzte Grenzwert.
    Eine zweite Studie führte das BfR selbst durch: Auf Anfrage vieler Mütter untersuchte das Institut Muttermilch auf Rückstände von Glyphosat. Das Ergebnis: "Das BfR und die Nationale Stillkommission weisen darauf hin, dass sie die gemessenen Gehalte als gesundheitlich unbedenklich einschätzen und dass Muttermilch nach wie vor die natürliche und damit beste Nahrung für Säuglinge ist."
    Vor gut einem Monat dann veröffentlichte eine Bürgerinitiative Ergebnisse einer von ihr in Auftrag gegebene Studie. Demnach finden sich im Urin jedes zweiten Deutschen Reste von Glyphosat. Das BfR hierzu: "Das BfR sieht sich durch diese empirischen Daten trotz der Mängel der Untersuchung in seiner Auffassung bestätigt, dass selbst bei der empfindlichsten Gruppe der Kinder keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Aufnahme von Glyphosatrückständen über Lebensmittel zu erwarten sind."
    NABU: Glyphosat gefährdet Organismen
    Über die Studien hinaus gibt es weitere Stimmen zu Glyphosat: Der Deutsche Bauernverband weist darauf hin, dass sich das Herbizid nicht im Körper anreichert. Außerdem sieht er "keine fachlich fundierten Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Eigenschaft von Glyphosat". Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam allerdings zu dem Ergebnis, dass das Pflanzenschutzmittel beim Menschen wahrscheinlich Krebs auslösen kann.
    Auch Umweltverbände wie der BUND oder der NABU halten Glyphosat für gefährlich. Sie rufen die Politik dazu auf, Glyphosat zu verbieten. Der BUND kritisiert, dass es trotz des Wissens um Rückstände von Glyphosat im menschlichen Körper keine Studien zur Langzeitwirkung der Belastung gebe. Schon aus Vorsorgegründen solle sich Bundesagrarminister Christian Schmidt deswegen in Brüssel gegen die Wiederzulassung aussprechen.
    Der NABU hat bereits vor fünf Jahren eine eigene Studie zu den Folgen von Glyphosat für die Umwelt in Auftrag gegeben und kommt zu dem Ergebnis: "Neben den direkten toxischen Effekten durch Glyphosat gefährdet seine Wirkung als Breitbandherbizid zahlreiche Organismen, da durch die Beseitigung der Wildkrautflora Nahrungsquellen und Lebensräume verloren gehen."
    Bundesregierung befürwortet Wiederzulassung unter Auflagen
    Im Entschließungsentwurf des EU-Parlaments, der dem Plenum vorlag, hieß es: Solange es "ernsthafte Bedenken über die krebserregenden und hormonellen Auswirkungen" des Unkrautvernichtungsmittels gebe, sollte die Marktzulassung nicht verlängert werden. Unterstützt wird diese Forderung vor allem von den linken Fraktionen und den Grünen. Für die EU-Kommission ist die Entschließung nicht bindend.
    Die Bundesregierung befürwortet die Wiederzulassung des Herbizids unter Auflagen. "Mit seiner Zustimmung möchte Deutschland dazu beitragen, das Verfahren zur Wiedergenehmigung des Wirkstoffs Glyphosat im Sinne des deutschen Bewertungsberichts erfolgreich abzuschließen", heißt es in einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Schreiben des Landwirtschaftsministeriums an die EU-Kommission. Auch das Umweltministerium gab grünes Licht für die Genehmigung, wenn den Bedenken Rechnung getragen werde. "Es gibt kein Durchwinken von Glyphosat", erklärte Umweltministerin Barbara Hendricks. "Der Wirkstoff wird zu oft eingesetzt." Er schädige nachweislich die Artenvielfalt auf den Äckern. Das Schreiben aus dem Landwirtschaftsministerium wollte sie nicht kommentieren, verwies aber auf die Kompromisslinie: "Es zählt die gemeinsame Position der Bundesregierung, und da heißt es: ohne Auflagen keine neue Glyphosat-Zulassung."
    (cvo/jcs)