Aus den Feuilletons

"Trump scheitert an der Kulturgeschichte des Händeschüttelns"

US-Präsident Donald Trump (rechts) und der japanische Premierminister Shinzo Abo beim Handschlag im Weißen Haus
US-Präsident Donald Trump (rechts) und der japanische Premierminister Shinzo Abo beim Handschlag im Weißen Haus © imago / ZUMA Press
Von Arno Orzessek  · 14.02.2017
Unsere Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem Handschlag des US-Präsidenten. Donald Trump schaffe es sogar dabei, "als verächtliche Witzfigur des Wahnsinns" rüberzukommen, schreibt Gerhard Matzig in der "Süddeutschen Zeitung".
"Stellen Sie sich vor, Trump würde auftauchen", titelt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG …
Eine Befürchtung zitierend, die der Künstler Christo im Gespräch mit Kolja Reichert äußert.
Seit Langem plante Christo, den Arkansas River in Colorado kilometerlang mit silbrigem Stoff zu überspannen. Er hat das Projekt jedoch kürzlich abgesagt – auch, weil Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt worden war.
Reicherts Einwand, dass sich Trump für Kunst gar nicht interessiere, lässt Christo nicht gelten.
"Wenn so ein Kunstwerk entsteht, würde er trotzdem auftauchen. Als wir 2005 'The Gates' im Central Park installiert hatten, mussten wir weglaufen, um nicht mit Frau Bush fotografiert zu werden. Sogar Herr Cheney kam! Da mussten wir auch wegrennen."
Tja! Offenbar hält Christo Weglaufen für die richtige Reaktion, sobald sich missliebige Politiker nähern. Wäre kritischer Austausch vielleicht die klügere Alternative?
Andererseits: Wenn Christo nicht flüchtet, könnte sich ein Trump-Besuch leicht bis zum Handschlag mit dem Präsidenten steigern.
Und Trumps Handschlag ist derart bemerkenswert, dass ihm die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG unter dem Titel "Es schüttelt sich" eine Betrachtung widmet.
Gerhard Matzig zitiert eine Tweet-Autorin namens "Adorno". Diese hat ein Foto kommentiert, auf dem der kanadische Premier Justin Trudeau dem aufs Alleräußerste zum Handschlag entschlossenen Präsidenten selbigen tatsächlich verweigert.
"Adorno" erfand folgenden Dialog:
"'Trump: C'mon, schlag ein!
Trudeau: Nein.

Trump: Warum nicht?
Trudeau: Weil ich weiß, wo die Hand zuletzt war.'"
"Das lässt sich natürlich nur mutmaßen [meint dazu der SZ-Autor Matzig], aber möglicherweise ist die Gegend zwischen den Beinen einer sexuell bösartig belästigten Frau nicht vollkommen unwahrscheinlich. Trump schüttelt Hände – und schafft es, sogar dabei als verächtliche Witzfigur des Wahnsinns rüberzukommen. Der Mann, der das Gestische wie kaum jemand sonst perfektioniert und digitalisiert hat, scheitert an der analogen Kulturgeschichte des Händeschüttelns."
Dafür ist Trump laut einer Überschrift in der TAGESZEITUNG, die über einem recht vorteilhaften Foto des US-Präsidenten steht, "Ein Meister der Empathie"
Und das ist nicht ironisch gemeint, wie man der TAZ unterstellen könnte. Tania Martini betont:
"Trump gilt [nur darum] als empathielos, weil Empathie und moralisch richtiges Verhalten in eins gesetzt werden. Doch, wie [der Kognitionswissenschaftler Fritz] Breithaupt formuliert: 'Man kann immer mit dem Falschen mitfühlen.' Und hat Trump nicht auch seine Fähigkeit zu manipulieren längst bewiesen? So wie man nicht moralisch sein muss, um gerechte Politik zu machen, ist man nicht notwendig emphathielos, wenn man ungerecht ist."
Wir aber beweisen nun Empathie mit allen, die Trump-lastige Presseschauen satt haben, und wechseln das Thema.
"Der Preis des Erfolges" beschäftigt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG - und zwar mit Blick auf die Linke, die zur Zeit in vielen westlichen Demokratien Wähler an rechtsnationale Parteien verliert.
In ihrer Analyse greift die Politikwissenschaftlerin Silja Häusermann zu großem, zwischenzeitlich sehr sch-haltigem Vokabular – und das klingt so:
"Die rechtsnationale Mobilisierung ist ein Backlash gegen die gebildete neue Mittelschicht als Speerspitze des Universalismus und gegen den Staat als ihr Instrument. […] Universalistisch-internationalistische Positionen stehen traditionalistisch-nationalistischen Positionen gegenüber. Denn obwohl der wirtschaftliche Strukturwandel an der Wurzel der Polarisierung liegt, mobilisiert der Rechtspopulismus eben gerade nicht gegen das ökonomische Kapital, sondern gegen das kulturelle Kapital.""
Nun denn. Ihnen, liebe Hörer, wünschen wir auf dieser Frequenz weiterhin … wiederum mit einer NZZ-Überschrift: "Gute Unterhaltung!"
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