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BAföG-Beratung und Biergärten

In anderen Bundesländern war es längst Gang und Gäbe, nun hat auch Baden-Württemberg unter grün-roter Ägide sein Hochschulgesetz geändert und die 'verfassten Studentenschaften' zu eigenen Rechtspersönlichkeiten gemacht. Den Studierenden im Ländle macht das wieder Lust auf mehr Engagement.

Von Thomas Wagner | 08.11.2012
    "Würdest Du eher ein Fachschaftsmodell oder ein parlamentarisches Modell befürworten?"
    "Ja, also, wir haben im Prinzip: Entweder das Zwei-Kammer-Modell oder das Mischparlament."

    Ein kleiner Sitzungsraum gleich neben dem AStA-Büro der Universität Konstanz: Vier Mitglieder des AStA diskutieren, wie sie ihr Studierenden-Parlament zukünftig organisieren wollen. Auffallend: Das große Engagement, mit dem alle bei der Sache sind - eine Art neuer Schwung, mit dem die Studierendenvertreter ihre Aufgaben angehen. Denn mit dem neuen baden-württembergischen Hochschulgesetz hat sich einiges geändert:

    "Insofern, dass die Studierenden jetzt Satzungsautonomie haben. Das heißt: Sie können jetzt selbst die Organisation ihrer Selbstverwaltung zusammen schreiben. Sie können Beiträge erheben von ihren Studierenden und damit eben das Angebot verbreitern."

    Erklärt Sandro Philippi, Mitglied im Leitungsteam des Konstanzer Uni-AStA. Das Zauberwort, das die Arbeit dort viel spannender macht als bisher, heißt: "Verfasste Studentenschaft", festgeschrieben im neuen baden-württembergischen Hochschulgesetz. Wichtigster Punkt: Die Studierendenvertretung wird zur eigenen juristischen Person, darf Verträge abschließen, Beiträge erheben, Geschäfte machen. Bisher gab es diese Möglichkeit in Baden-Württemberg nicht. Die Möglichkeiten, die die "verfasste Studentenschaft" bietet, wollen die Asten in Baden-Württemberg dann auch nutzen. Beispiel Konstanz: Mit den Beiträgen, die der AStA erheben kann, soll eine unabhängige BAföG-Beratung geschaffen werden. Das ist für Sandro Philippi ein ganz wichtiger Punkt:

    "Also generell bräuchte man eine BAföG-Beratung, wo die Studierenden das Gefühl haben, dass die unabhängig ist von der Stelle, die letztlich über die Anträge entscheidet. Also ich bin ja an dieser Stelle sehr dankbar, dass das Studierendenwerk hier eine Beratung anbietet. Ich würde da als Studierender aber nicht unbedingt hingehen und fragen: Okay, das ist eine Grauzone – wie gehe ich da jetzt mit den Entscheidungsträgern um?"

    Erst jetzt, nach der Änderung des Hochschulgesetzes, kann der AStA als eigene Rechtsperson solche Berater einstellen. Welche praktischen Nutzen dies für die tägliche Arbeit im AStA hat, erklärt Patrick Stoll aus dem Führungsteam an einem anderen Beispiel:

    "Wir dürfen uns jetzt mit den Stadtwerken oder mit dem Verkehrsverbund Hegau-Bodensee auseinandersetzen und einen Vertrag für ein Studi-Ticket aushandeln. Das durften wir vorher nicht. Da mussten wir vorher immer noch Seezeit, das Studentenwerk fragen, ob die für uns die Verträge unterzeichnen."

    Daneben eröffnet die Einführung der ‚verfassten Studentenschaft’ für die Arbeit im AStA noch eine ganz andere Perspektive. Patrick Stoll:

    "Ein weiterer Punkt ist, dass wir ein politisches Mandat jetzt haben. Dass wir uns zu gesellschaftlichen Sachen, die die Studierenden betreffen, äußern dürfen."

    Doch genau dieses ‚politische Mandat‘ bleibt in Baden-Württemberg umstritten: Die Landesrektorenkonferenz bemängelt in einer Stellungnahme die ihrer Meinung nach bestehende ‚fehlende Abgrenzung eines hochschulpolitischen zu einem allgemeinpolitischen Mandat. Die Universitäten selbst verfügten schließlich auch nicht über ein allgemeinpolitisches Mandat. Es sei nicht sinnvoll, ein solches Mandat den Studierendenvertretungen zuzugestehen.
    Dabei ist in der hochschulpolitischen Debatte in Baden-Württemberg ein wenig der Dampf raus:Die wichtigsten Forderungen, nämlich die Abschaffung der Studiengebühren und die Einführung der verfassten Studentenschaft, sind erfüllt. Dennoch steht noch einiges mehr auf dem Wunschzettel der Studierenden – ein Wunschzettel, den der AStA nun mit deutlich mehr Nachdruck als politisches Organ der Studierenden vortragen kann, glaubt Sandro Philippi:

    "Jetzt kann endlich die Studierendenschaft direkt über ihre Organe zur Öffentlichkeit gehen und sagen: BAföG müsste vielleicht erhöht werden. Mann kann auch ökologisch argumentieren. Eine andere Sache wäre, dass man so Angebote ausbaut wie Notfallgroschen."

    Daneben hoffen die Mitglieder im Konstanzer Uni-AStA, dass auch die Wahlbeteiligung unter den Studierenden deutlich steigt – einmal bei der Wahl des Studierendenparlamentes, zum anderen aber auch bei der Entsendung der Studierendenvertreter in den Großen Hochschulsenat. Bislang lag die Wahlbeteiligung bei rund 20 Prozent – ein eher enttäuschender Wert.

    "Das mag aber dem geschuldet sein in Baden-Württemberg in der Vergangenheit, dass es ja eh’ nichts bringt. Und jetzt wird eine Wahl oder eine Abstimmung auf jeden Fall danach gehen, welche Inhalte eine Studierendenvertretung präsentiert – und damit auch die Frage: Welche Konsequenzen haben die Inhalte? Wie werden Gelder verwaltet? Das wird wesentlich wichtiger sein. Ich glaube nicht, dass das dazu führt, dass jetzt hundert Prozent der Studierenden wählen. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich mehr engagieren."

    Steigendes Interesse an der Arbeit des AStA merken die Mitglieder im Führungsteam schon jetzt: Alle Arbeitskreise zusammengerechnet, machen bereits mehrere hundert Studierende mit – deutlich mehr als noch vor wenigen Jahren. Immerhin geht es dabei auch um überaus wichtige Projekte, die nun mit eigener Rechtspersönlichkeit viel besser realisiert werden können, freut sich Patrick Stoll:

    "Wir haben zum Beispiel einen Verein gegründet, um einen Biergarten anzubieten im Sommer. Diesen Verein müssten wir jetzt auch nicht mehr gründen. Das können wir jetzt über die verfasste Studierendenschaft machen."