Offshore-Leaks macht sichtbar, "was lange Zeit versteckt worden ist"

Hans Leyendecker im Gespräch mit Nana Brink · 04.04.2013
Das Ausmaß der Infos sei gigantisch, sagt der am Offshore-Leaks-Projekt beteiligte "SZ"-Redakteur Hans Leyendecker. Die dank digitaler Datenübermittlung dokumentierbaren Geschäfte reichten vom Verstecken krimineller Drogengelder bis zur systematischen Steuervermeidung von Unternehmen.
Nana Brink: Der ganze Fall erinnert an WikiLeaks oder auch die legendären Steuer-CDs: Weltweit bekommen Journalisten Riesenmengen von Datensätzen zugestellt, anonym und mit der Post, und zum ersten Mal nun gelangen Details über sogenannte Offshore-Geschäfte an die Öffentlichkeit. Ab heute berichten weltweit unter dem Titel Offshore-Leaks renommierte Medien in 32 Ländern von der "Washington Post" über "Le Monde" bis hin zur BBC und auch der "Süddeutschen Zeitung" über die große Offshore-Maschinerie. Und ich bin jetzt verbunden mit Hans Leyendecker, leitender politischer Redakteur bei der "SZ". Schönen guten Morgen, Herr Leyendecker!

Hans Leyendecker: Guten Morgen!

Brink: Sie haben diese Datensätze auch bekommen, können wir vorab noch mal klären, was verbirgt sich denn hinter diesen Offshore-Geschäften?

Leyendecker: Eine ganze Menge, also es verbirgt sich dahinter das Verstecken von Drogengeldern, es versteckt sich dahinter das Verstecken von Schmiergeldern, es verstecken sich dahinter aber auch Systeme der Steueroptimierung. Das heißt, zahlreiche Unternehmen, auch beispielsweise Facebook, unterhalten auf den Kaimaninseln Tochtergesellschaften. Und dann werden die Gewinne von Großunternehmen – in diesem Fall Facebook – durch konzerninterne Geschäfte dorthin verlagert, und man zahlt keine Steuern mehr. Dies ist ein großes politisches Thema. Also das gibt es alles. Das gibt es vom Kriminellen über den normalen Oligarchen bis hin zu dem Mittelständler, der versucht, dort Steuern zu sparen. Dort sein Geld so anzulegen, dass der Fiskus es nicht findet, bis zu den Steueroptimierungsplänen.

Brink: Sie haben nicht den normalen Oligarchen genommen, sondern Sie haben Gunther Sachs genommen, um das ganze System einfach mal transparent zu machen: auf zwei Seiten, auf der Seite sechs und sieben, ganz groß, mit einer großen Grafik. Was hat er denn getan?

Leyendecker: Ja, gut, der hat genau auf diesen Inseln Firmen aufgemacht und die über Jahre auch gepflegt, dort Geschäftstätigkeiten gehabt. Und das Besondere ist halt, dass diese Firmen nachher, als er starb – der ist ja 2011 gestorben –, zum Teil nicht mehr auftauchten, zum Teil nicht genannt wurden. Seine Nachlassverwalter haben dafür Erklärungen, diese Firmen verstecken sich hinter anderen Holdings. Die Holding sei ja genannt worden. Aber sozusagen das Verschieben von Geld, und es geht insgesamt bei Gunther Sachse ja auch um viele Hundert Millionen, aber das Verschieben von Geld, von Geschäftstätigkeiten, das haben wir versucht an diesem System zu erklären. Das muss nicht – das wäre ein Missverständnis – das muss alles nicht strafrechtlich relevant sein, es muss nicht illegal sein.

Aber das Interessante an diesen Offshore-Geschichten ist, dass man scheinbar normale Geschäftstätigkeiten macht, einen Schleier dann hat und dann beliebig verschieben kann. Deshalb gibt es Briefkastenfirmen, deshalb gibt es Treuhänder, die so was unterhalten. Und das System funktionierte halt bisher so, dass nie jemand dahinterkam. Und jetzt gibt es digitale Technik, jetzt kann jemand einen Stick mitnehmen, eine Festplatte mitnehmen, und plötzlich siehst du, wie das hinter dem Vorgang zugeht. Das ist eigentlich das Besondere an dieser Geschichte.

Brink: Und Sie haben es ja selber auch thematisiert: Eine Festplatte voller Geschichten, da interessiert uns natürlich auch, wie sind Sie denn ganz genau an diese Daten gekommen? Hat man die Ihnen wirklich in den Briefkasten geschoben, muss man sich das so vorstellen?

Leyendecker: Uns nicht, es gibt ein internationales Konsortium für investigative Journalisten in Washington, da bin ich Mitglied, und auf diesem Wege halt hat es dann auch Gespräche gegeben. Die haben eine Festplatte bekommen und haben gesagt, das ist unendlich schwierig. Da haben sich die Forensiker, Computerforensiker drüber gebeugt, weil diese Festplatte leider nicht so sortiert ist, wie es bei WikiLeaks war, sondern sie ist ein bisschen komplizierter. Es ist viel schwieriger, dann festzustellen. Und dann haben die halt weltweit Kooperationspartner gesucht. Und das ist dann "Le Monde" und "Guardian" und BBC und wen man dann so hat, und die "Washington Post" und andere, der NDR beispielsweise auch. Und dann haben die unterschiedlichen Medien sich dran gemacht, sich dieses anzuschauen.

Da, finde ich, liegt auch eine Stärke dieser Geschichte: Jedes Land macht sozusagen den eigenen Blick, aber kann auch schauen, was haben die Neuseeländer rausgefunden, was interessiert die eigentlich an diesen Offshore-Geschichten, oder was machen die Russen, was machen die griechischen Kollegen, und das wollen wir im Austausch darstellen. Das ist ein neues Modell, das ist kein Modell, bei dem es heißt, wir jagen sozusagen Leute, oder jetzt muss der Staatsanwalt überall ran, das ist nicht der Punkt. Sondern etwas sichtbar machen, was lange Zeit versteckt worden ist, und das international mal betrachten und sagen, ist das richtig oder falsch, da liegt die Stärke dieser Serie.

Brink: Und wie ist Ihre Einschätzung, wie glaubwürdig ist diese Quelle, auch wenn Sie nicht wissen, wer sie ist?

Leyendecker: Na gut, eine Festplatte ist eine Festplatte. Und da stehen dann drauf – dann hast du einen E-Mail-Verkehr – es ist halt gigantisch, also 260 Gigabyte. Ich wusste gar nicht, dass es so viel geben kann. Und wenn man das guckt, man hat dann Millionen E-Mails. Wir haben hier ein Team gebildet, die Kollegen haben da wunderbar gearbeitet, und die haben sich dann da rüber gebeugt, und man hat dann immer wieder neue Funde gehabt.

Und das ist ja auch das Schöne an dieser Geschichte, es sind also insgesamt 130.000 Leute drauf. Das kann alles zum Teil legal sein, das kann illegal sein, aber man schaut sich das an. Und ich denke, es wird uns auch eine Weile noch beschäftigen, weil hinter jeder Person kann auch wieder eine Geschichte stecken, eine nette Geschichte, aber auch eine weniger nette Geschichte. Es ist also eine Möglichkeit, in eine fremde Welt mal zu schauen, als ob man eintauchen könnte und das zu betrachten, zu sagen, das finde ich normal und das finde ich nicht normal.

Brink: Und das kann man alles heute in der Süddeutschen lesen. Herzlichen Dank, Hans Leyendecker von der "SZ", schönen Dank für das Gespräch!

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