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Zeitarbeit für Studierende

Ausbeutung, Lohndumping, Unsicherheit: Zeitarbeit hat kein gutes Image. Für Studierende auf Jobsuche kann sie allerdings auch Vorteile haben. Die Betreiber der Online-Plattform Studitemps wollen die Leiharbeit aus der Schmuddelecke holen.

Von Andrea Lueg | 11.04.2012
    Tim Wolter hatte das erste Staatsexamen in Jura gerade in der Tasche, als er einen Zeitarbeitsjob bei einem großen Online-Versandhaus übernahm:

    "Ganz normal Lagerhelfer, das heißt, wir haben Bestellungen zusammengesucht nach deren System, da läuft man dann mit 'nem Scanner rum und sucht, was die Leute bestellt haben."

    Studitemps hat Tim Wolter den Job verschafft. Gegründet wurde die Zeitarbeitsplattform von Andreas Wels und Bastian Roos, die zuvor schon die Jobvermittlung Jobmensa ins Leben riefen. Zeitarbeit ist für sie die optimale Lösung für Studierende, erklärt Bastian Roos, denn:

    "Alle Nachteile, die Zeitarbeit hat, also kurzfristige Einsätze, begrenzte Tätigkeit, sehr schnell den Arbeitgeber wechseln, all das sind eigentlich Dinge, die Studenten sehr entgegenkommen, weil sie Zeit sparen, sich nicht immer irgendwo in dem Bewerbungsprozess aufreiben."

    Der studentische Zeitarbeiter bewirbt sich direkt bei Studitemps, der Großteil des Bewerbungsverfahrens läuft online ab.

    "Und dann haben wir hier intern mittlerweile ein Recruitingteam von 20 bis 25 jungen Absolventen, die sich dann die Bewerbungen durchkucken, teilweise Telefoninterviews mit den Bewerbern durchführen, teilweise auch über Skype passende Bewerber interviewen, und in seltenen Fällen findet dann ein Bewerbungsgespräch in Person statt."

    Wenn Studitemps einen passenden Job für den Bewerber hat, wird ein Vertrag geschlossen. Viele Jobangebote kommen aus dem IT-Bereich, aber zum Beispiel sucht auch eine große Online-Partnerbörse studentische Mitarbeiter, außerdem gibt es Arbeit im Callcenter, in der Pflege, aber auch als Brezelverkäufer im Hofbräuhaus.

    "Unser Motto ist: Studenten können alles!"

    Klingt prima, aber was ist mit dem schlechten Ruf, der der Branche Zeitarbeit anhaftet? Zum Beispiel, dass die Jobs mies bezahlt werden?

    "Einem Studenten muss man schon 9 bis 10 Euro, also weit über dem gesetzlichen Mindestlohn für Zeitarbeit zahlen, damit der überhaupt OK dazu sagt,"

    sagt Bastian Roos. Weniger als 9 Euro würden Studierende auch für Helfertätigkeiten bei Studitemps nicht verdienen. Stefan Otten von der Gewerkschaft ver.di ist dagegen skeptisch.

    "Die Studierenden werden mit Sicherheit weniger verdienen als eine Festangestellte in dem Betrieb. Und das ist letztendlich Lohn- und Sozialdumping."

    Schließlich wolle ja auch das Zeitarbeitsunternehmen noch seinen Gewinn machen. Kein Problem, meint Bastian Roos, denn für Studierende gelten andere Bedingungen als für normale Arbeitnehmer, zum Beispiel wenn es um Lohnnebenkosten gehe. 20 Prozent betragen die gewöhnlich jeweils für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

    "Bei Studenten gibt’s jetzt zwei verschiedene Formen der Anstellung, einmal als Werkstudenten und einmal die kurzfristige Beschäftigung. Bei Werkstudenten gibt es nur zehn Prozent Lohnnebenkosten. In speziellen Fällen kann man auch die Form der kurzfristigen Beschäftigung wählen, dann zahlt der Arbeitgeber 100 Euro aus und es kommen 100 Euro beim Studenten an."

    Maximal 50 Tage im Jahr dürfen Studierende zu solchen Bedingungen arbeiten. Und sie nehmen das Angebot gerne an. Das Zeitarbeitsunternehmen floriert, vor allem in den großen Städten. In den nächsten Wochen wird eine weitere Filiale in München eröffnet. Tim Wolter war mit seinem Job zufrieden, zumal auch Unterkunft und Anreise bezahlt wurden. Nützliche Job-Erfahrungen hat er außerdem mitgenommen.

    "Ich hab auf jeden Fall gelernt, wie man so ein Lager aufbauen kann, was verschiedene logistische Ansätze sind, das war sehr interessant."

    Gewerkschafter Otten rät, sich vor dem Abschluss eines Zeitarbeitsvertrages auf jeden Fall über seine Rechte zu informieren.

    "Ich kann nur dazu raten, sich beraten zu lassen, denn sobald ein Arbeitsvertrag besteht, besteht auch das Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, es geht um Arbeitsschutz, es geht um Arbeitszeit, was ja auch gerade in der Branche nicht gerade kontrolliert wird."