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Das Unternehmen des Unternehmer-Chefs

Am Montag wählt der BDI, seinen neuen Präsidenten: Ulrich Grillo soll Hans-Peter Keitel nachfolgen. Damit stünde ein aktiver mittelständischer Unternehmer an der Spitze des größten Industrie-Lobbyverbands. Ulrich Grillos Unternehmen, die Grillo-Werke in Duisburg, blickt auf eine 170jährige Geschichte zurück.

Von Jule Reimer | 23.11.2012
    "Hier werden Rohre im Hochfrequenzschweißverfahren geschweißt, dann werden sie anschließend aufgemufft, damit sie unter einander steckbar sind, dann geprüft und gestempelt und dann vollautomatisch verpackt,"

    Erklärt Produktionsleiter Ulrich Lachenit. Die Regenabflussrohre sind aus Zink, wie alles, was bei der Firma Rheinzink im nordrheinwestfälischen Datteln verarbeitet und hergestellt wird: viertausend Meter lange Metallbänder aufgerollt zu tonnenschweren Coils, Dachrinnen, Bleche, mal silbrig glänzend, mal schiefergrau wie die Dächer von Paris – vorbewittertes Titan-Zink, wie es in der Fachsprache heißt.

    In der Breitband-Gieß-Walzstraße verwandeln sich jedes Jahr 160.000 Tonnen geschmolzenes Erz in Zinkbänder von millimetergenauer Breite und Stärke. Von einer verglasten Steuerbühne aus bedienen zwei Facharbeiter die Anlage per Computer:

    "Wir verformen circa pro Walzgerüst 40 Prozent an Stichabnahme – so nennt sich das -, also wir nehmen pro Gerüst etwa 40 Prozent ab, im letzten Gerüst ist es ein bisschen mehr. Die Einlaufstärke ist 15 Millimeter, die Auslaufstärke 0,71 Millimeter. Wir fahren Materialien von 0,40 bis 2 Millimeter Stärke."

    Walter Hupp ist seit 19 Jahren im Unternehmen und damit einer von weltweit 1600 Mitarbeitern der Grillo Aktiengesellschaft, dem Mutterhaus von Rheinzink:

    "Gelernt habe ich im Bergbau, nur die Situation, die kennen Sie ja, die sah 1993 auch schon nicht rosig aus und dann habe ich den Absprung geschafft und hier bei Rheinzink angefangen."

    Das Familienunternehmen Grillo gehört mit sechs Produktionsstandorten vorwiegend in Deutschland und Vertriebsniederlassungen in aller Welt zu den Marktführern bei der Zinkverarbeitung. Mit den vier Geschäftsbereichen Metall, Chemie, Zinkoxid sowie Rheinzink macht die Gruppe rund 600 Millionen Euro Umsatz - gut die Hälfte der Produktion geht in den Export.

    Tiefer lässt sich Vorstandsvorsitzender Ulrich Grillo, der am Montag zum nächsten BDI-Präsidenten gewählt werden soll, nicht in die Bücher blicken. Nur der Hinweis: Man schreibe schwarze Zahlen, mal mehr, mal weniger. Die Bilanz der Grillo-Gruppe wird von den Rohstoffpreisen bestimmt. Derzeit koste Feinzink rund zwei Euro pro Kilo, berichtet Frank Neumann, zuständig für Anwendungstechnik und Marketing:

    "Vor zehn Jahren war Zink ähnlich teuer. Nur dazwischen hatten wir einen riesigen Anstieg auf 6 Euro pro Kilo, das war zum Teil spekulativ bedingt, aber wir sind heute wieder auf einem Zinkpreisniveau, was ähnlich ist wie vor zehn Jahren."

    Grillos Zink kommt aus Südamerika oder Australien, er wird in Spanien und Schweden verhüttet. Rohstoffmultis wie Glencore/Xstrata machen sich auf dem Zinkmarkt breit. Das Geschäft mit Zink laufe dennoch gut, bestätigt Eugen Weinberg, Chef der Rohstoffabteilung der Commerzbank:

    "Meines Erachtens ist Zink auch Teil der Zukunft, es kommen immer neue Anwendungsbereiche dazu, über die Zukunft des Zinkmarktes bin ich sehr zuversichtlich."

    "Es gibt nur wenige Werkstoffe, deren ökologische Bilanz so positiv bewertet werden kann wie die von Rheinzink-Produkten, vom geringen Energieaufwand in der Herstellung bis hin zur außergewöhnlichen Recyclingrate von 90 Prozent,"

    Wirbt ein Film der Firma Grillo für einfaches Zinkblech als Markenartikel für Dächer und Fassaden. Das Lifestyle- und Kunst-Image wird durch eine Kooperation mit US-Stararchitekt Daniel Libeskind unterstrichen. Von den Eingriffen des Zinkbergbaus in die Natur ist möglichst nicht die Rede. Ansonsten lassen sich Zink und Nachhaltigkeit gut im Duo vermarkten: Auch der menschliche Körper braucht Zink als Spurenelement.

    Ortswechsel nach Duisburg, wo alles anfing. Urahn Wilhelm Grillo baut 1849 in Duisburg ein Zinkwalzwerk auf. Schnell erwächst ein großes Familienunternehmen mit mehreren Walzstraßen, eigener Hütte und Chemikalienproduktion - die Grillos steigen zu einer der führenden Ruhrpott-Dynastien auf.

    Heute sitzt die Grillo-AG in Duisburg-Marxloh, einem Stadtteil mit hohem Migrantenanteil und vielen Discountern. Die Adresse Weselerstraße 1 ziert ein schmiedeeiserner Zaun, dahinter öffnet sich ein Park mit alten Bäumen, einer Gründerzeitvilla und funktionalen Bürogebäuden. Weiter dahinter – und nicht für Journalisten zugänglich - betreibt Grillo seinen Chemiezweig mit einer umfangreichen Produktpalette. Denn bei der Gewinnung von Zink entstehen Zinkoxid und große Mengen Schwefeldioxid. Und nebenher verdienen die Grillo-Werke auch mit der Energiewende Geld:

    "Unsere Solarkollektoren nutzen die Wärmeleit- und Absorptions¬eigenschaften von Rheinzink zur Wärmegewinnung besonders unauffällig und raffiniert."

    Der 53-jährige Ulrich Grillo ist seit 2001 im Vorstand der Grillo AG, zuvor war er unter anderem für den Rüstungskonzern Rheinmetall tätig:

    "Damals ergab sich die Nachfolgefrage auch bei uns im Familienunternehmen, und meine Kusine, die Aufsichtsratsvorsitzende, die damals auch die meisten Anteile hatte, fragte: Kommst du nicht ganz zu uns?"

    Besagte Kusine und Hauptanteilseignerin Gabriela Grillo ist eine ehemalige Olympiasiegerin im Dressurreiten. Sie leitet die Wilhelm Grillo Handelsgesellschaft für Metalle und sitzt in der Chefetage der Londoner Metallbörse. Durch ihr Engagement in der Bürgerstiftung Duisburg ist sie das bekannteste Gesicht der Grillos in der Region. Dort hat das Familienunternehmen einen guten Ruf. Natürlich werde auch einmal gerungen, aber grundsätzlich sei die Unternehmensführung dialogbereit, lobt der örtliche IG-Metallvertreter: Dieter Lieske wünscht sich mehr Unternehmer wie die Grillos.


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