Das australische "Back To Back Theatre"

Was heißt schon "Behinderung"?

"Back to Back Theatre" aus Australien in Weimar
Das "Back to Back Theatre" aus Australien war im August 2014 mit dem Stück "Ganesha gegen das Dritte Reich" in Weimar zu erleben. © picture alliance/dpa/Foto: Candy Welz
Von Gerd Brendel · 10.06.2017
Das "Back to Back Theatre" gehört zu den international bekannten Kultur-Einrichtungen Australiens. Hier spielen behinderte und nicht behinderte Schauspieler gemeinsam "Rücken an Rücken". Derzeit ist das Ensemble bei den Wiener Festwochen zu Gast.
Erste Szene von "Lady Eats Apple", "Die Dame isst einen Apfel", dem aktuellen Stück des australischen "Back to Back Theatre":
"You have great abilities!
As I said before I am not delusional
You are not delusional!"
"Du hast großartige Fähigkeiten!", schmeichelt der göttliche Ratgeber seinem Chef. "Wie ich schon sagte: Ich bin nicht wahnsinnig", antwortet der Schöpfergott, "nur unglaublich kreativ."
"I am just much more creative!"
Und - zack - explodiert eine Wolke auf dem schwarzen Bühnenhintergrund.
"So I am playing this god, who is quite insecure… he is helped to create this world…Ich spiele einen ziemlich unsicheren Gott, dem ein Berater bei der Erschaffung der Welt zur Seite steht."

"Unser Thema ist Kunst"

Scott Price ist seit zehn Jahren Ensemble-Mitglied des "Back to Back Theatre". Ein junger Mann mit Hipster-Bart. Nichts, was er sagt, klingt beiläufig, manches wie mühsam errungen, alles sehr eindringlich. Das gilt auch für die anderen Ensemblemitglieder mit ihren unterschiedlichen Behinderungen. Aber was heißt schon "Behinderung"? Der langjährige Regisseur der Gruppe, Bruce Gladwin, spricht lieber von unterschiedlichen "Idiosynkrasien", also Eigentümlichkeiten.
"Our actors have different idiosyncracies than other actors. Scott has a phenomenal gift for scripts and then we also work with actors who can't read or write."

Dazu gehören Scotts phänomenales Textgedächtnis genauso wie die Lese- und Schreibschwäche anderer Schauspieler. Die geistige Behinderung der meisten Ensemble-Mitglieder.
"Its our identity, but our subject is art… Sie gehört zu unserer Identität", sagt die Chefdramaturgin Alice Nash, "aber unser Thema ist Kunst."
"They have a perspective… did not know… Unsere Schauspieler schauen aus einem Blickwinkel jenseits der sogenannten Normalität auf die Welt. Aus einer sehr eigenwilligen Perspektive, von der das Publikum in der Regel nichts weiß."
Es ist der Alltag behinderter Menschen in einer australischen Kleinstadt.
"Their version of the world... way not in a glamorous way… Ihre Vorstellung von der Welt ist keine kosmopolitische Stadt, sondern die viel anstrengendere Provinz. Und da die Schauspieler jedes Stück selbst entwickeln, spiegelt sich darin natürlich ihr ziemlich nüchterner, unglamouröser Alltag wieder."

Eva als Putzkraft

Von diesem Alltag erzählt der dritte Akt von "Lady Eats Apple": Die "Lady" Eva hat vom verbotenen Apfel im Paradies gegessen. Jetzt findet sie sich gemeinsam mit Adam in einem Theater wieder, nicht als Schauspielerin, sondern als Putzkraft. Es geht um Bevormundung durch die "normale" Vorarbeiterin, um zaghafte Annäherung untereinander.
Die Stücke des "Back to Back Theatre" werden von den Schauspielern selbst entwickelt. Am Anfang von "Lady Eats Apple" zum Beispiel stand der Wunsch eines Darstellers, doch endlich mal eine "Tragödie" zu inszenieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass "Back to Back" bisher um ernste Themen einen Bogen machte. Im Gegenteil: Im letzten Stück, "Ganesh versus the Third Reich", reist der elefantenköpfige hinduistische Gott Ganesha nach Nazi-Deutschland, um das als Hakenkreuz missbrauchte Swastika-Symbol wieder nach Indien zurück zu holen. Die Produktion tourte auch durch Deutschland.
"We went to Weimar... be there according to Hitler… Und als wir das in Weimar aufführten, waren die Zuschauer gebannt. Hier an diesem Ort spielt ein geistig behinderter Schauspieler, der für Hitler gar nicht existieren dürfte, genau diesen Mann."
Es sind Momente wie diese, in denen das Theater für Alice Nash zu einem magischen Ort wird, an dem alles möglich sein kann. Für die behinderten Schauspieler und für das Publikum.
"Isn't that what theatre is about? Doing something that is seemingly impossible…"
Und darum geht es doch im Theater, oder? Das zu schaffen, was eigentlich unmöglich ist. Wie zum Beispiel, dass eine kleine Provinzbühne aus Australien es schafft, dank ihres sehr eigenwilligen Ensembles weltweit auf Theaterfestivals das Publikum zu begeistern.

Weitere Informationen zur "Wiener Festwoche" finden Sie auf der Homepage.

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