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Frankreich
IT-Tüfteleien für mehr Sicherheit

Die Attentate in Paris haben auch die Sicherheitskräfte in einen Ausnahmezustand versetzt. Um das Krisenmanagement zu verbessern, hat die Stadtverwaltung den Hackathon Nec Mergitur veranstaltet – dort tüftelten zahllose Hacker, Computerspezialisten, Forscher, Sicherheitsexperten an Lösungen, die beispielsweise schnellere und gezieltere Einsätze ermöglichen sollen.

Von Suzanne Krause | 18.01.2016
    Zu sehen sind viele Teelichter, und der Schriftzug "Je suis Paris" auf einem Blatt Papier.
    "Je suis Paris": In Paris wird an IT-Lösungen für mehr Sicherheit gearbeitet. (picture-alliance / dpa / Clement Mahoudeau)
    Nach 48 Stunden Dauereinsatz räumen die Teams vom Hackathon den Arbeitssaal in einer Informatikerschule im Pariser Norden. Zu den 400 Teilnehmern zählt auch Serge Benchimol von IT link. Sein IT-Unternehmen hat kürzlich eine Handy-Notruf-Applikation entwickelt und beim Hackathon nun mit Experten der Polizeipräfektur eine Anwendungsplattform ausgetüftelt. Benchimol zückt sein Smartphone: Das Display ziert ein virtueller roter Alarmknopf.
    "Unsere Anwendung ist gedacht für Personen, die schlagartig in eine Notlage geraten. Sei es ein Brand, ein Schwächeanfall oder ein Überfall. Sobald ich den Alarmknopf auf dem Display drücke oder das Handy heftig schüttele, macht das Telefon Fotos von meiner aktuellen Lage und sendet die Bilder an Freunde, damit diese die Polizei alarmieren. Solange ich nicht den Notruf beendet habe, schickt das Handy pausenlos Bild und Ton an all meine Kontaktpersonen."
    Eine Anwendung, die auch am Silvesterabend in Köln mancher Frau hätte nützlich sein können, versichert Serge Benchimol.
    Probleme beim Krisenmanagement beheben
    Fünf Themen waren beim Pariser Hackathon vorgegeben - entsprechend den Lehren, die die Sicherheitskräfte aus den Attentaten im letzten Jahr zogen. Jean-Louis Missika vom Pariser Rathaus hält fest: Vor allem am 13. November wurden einige Probleme beim Krisenmanagement deutlich.
    "Die Schwierigkeit der richtigen Lageeinschätzung: Anfangs wusste mancher nicht, ob es sich bei den Schießereien um einen Bandenkrieg oder um ein Attentat handelt. Ein anderes Problem: die Bevölkerung zu informieren, wie sie sich zu verhalten habe. Dann waren die Notrufnummern schnell komplett überlastet. Es hakte bei der Verteilung der Verwundeten auf die unterschiedlichen Krankenhäuser. Den Sicherheitskräften mangelte es an Ortskenntnis. Der Einsatz im Bataclan wäre leichter gewesen, hätte die Polizei über den Plan vom Konzertsaal verfügt."
    Viele unterschiedliche Lösungen
    Beim Hackathon wurde ein ganzes Arsenal an Lösungen entwickelt: vom Notruf per SMS über eine Anwendung, um ehrenamtliche Rot-Kreuz-Mitarbeiter zu lokalisieren bis hin zum Projekt, Innenaufnahmen von öffentlichen Gebäuden und den Notausgängen online abrufbar zu machen. Eine Datenbank, die jedermann beliefern kann. Dieser Appell an die Mitarbeit der Bürger erscheint als wichtigstes Credo der Hackathon-Veranstaltung. Pascal Sanjuan, Generalsekretär der Pariser Polizeipräfektur:
    "Eines habe ich in vielen Gesprächen beim Hackathon immer wieder gehört: Für den Schutz ihrer Sicherheit können die Bürger heute nicht mehr alleine auf den Staat hoffen. Sie müssen dafür nun auch selbst aktiv werden."
    Die gestern Abend präsentierten Projekte sollen allesamt im Laufe des Jahres anwendungsreif gemacht werden - dank einer Koordinierungsstelle, die die Stadtverwaltung in Kürze einrichten wird. Eine Initiative, die schon in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien auf Interesse und Nachfrage stößt. Jean-Louis Missika vom Pariser Rathaus gibt offen zu: Die Zivilbevölkerung in die Verbesserung des Krisenmanagements einzubeziehen bietet Gelegenheit, gegen das Ohnmachtsgefühl anzugehen, dass viele Bürger nach den Attentaten erfasste:
    "Viele der beim Hackathon entwickelten Anwendungen sollen den Leuten ermöglichen, teilzuhaben an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit. Und sich damit sicherer zu fühlen. Diese Applikationen sind eine Antwort auf die Herausforderung durch den sogenannten Islamischen Staat: Sie beschneiden nicht die öffentlichen Freiheiten, aber sie ermöglichen der Bevölkerung, besser mit einer Bedrohung umgehen zu können."