"Das sieht auch übel aus ..."

Von Peter Kaiser · 20.04.2013
Nach Jahrzehnten des Braunkohletagebaus in der Lausitz steigen dort wieder die Grundwasserspiegel. Doch das aufsteigende eisen- und sulfathaltige Wasser macht die Spreewaldfließe zu einer braunen Brühe. Eine ökologische Katastrophe.
"Wir stehen hier am Vetschauer Mühlenfließ, und hier hat man also ganz deutlich diese Braunfärbung. Man sieht auch auf dem Grund des Wassers ist überall Schlamm, jede Wasserpflanze jedes Sediment, Kies und ähnliches ist von dem Eisenhydroxid abgedeckt."

Ortstermin am Vetschauer Mühlenfließ. Daas ist südlich von Lübbenau im Spreewald. Der träge fließende Zulauf, im Spreewald "Fließ" genannt, sieht aus, als habe er einen üblen Magen/Darm-Infekt. Winfried Böhmer vom Spreewalder Aktionsbündnis "Klare Spree" zeigt ins Wasser.

"Der Schlamm deckt alles ab. Da gibt es keinen Bachflohkrebs mehr, da gibt es keine Libellenlarve mehr, da gibt es in Folge keinen Frosch mehr drin, da kommt keine Kaulquappe hoch, da fehlen am Ende die Fische, wir können also nachweisen inzwischen ganze Fließe, wo die Fische total verschwunden sind, an anderen lässt es nach."

Man spricht von einer "Verockerung" von Gewässern, wenn die Eisenkonzentration im Wasser drei Milligramm pro Liter übersteigt. Ab diesem Grenzwert färbt das Eisenhydroxid das Wasser auch sichtbar braun, wie gerade am südlichen Spreewaldgewässernetz. Doch Verockerungen gibt es nicht nur bei uns. Im dänischen Jütland etwa sind durch Flächen-Entwässerungen so große Probleme mit rotem Ocker entstanden, dass 1985 der "Ochre Act", ein "Ockergesetz" erlassen wurde.

Darin wird festgelegt, wie "A" dem Ockereintrag vorzubeugen ist, und wie "B" der Stoff andererseits - wenn er schon im Wasser ist - wieder abgebaut werden kann. In England gibt es solche Verordnungen, und EU-weit gilt seit dem Jahr 2000 die "EG-Wasserrahmenrichtline". Darin werden nach dänischem Vorbild Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Ockereinträgen geregelt. Doch wie und warum verockert ein Gewässer überhaupt?

Dazu Jörg Gelbrecht, Chemiker am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, IGB, in Berlin:

"Eisenocker kennt jeder, der auch einen Brunnengarten hat, wenn er das Wasser herausholt, da ist dann auch gelöstes Eisen drin, das oxidiert, wird dann braun, sieht nicht schön aus."

Deutschlandweit gibt es in vielen Gewässern und Pumpwerken Ockerprobleme. Für den Menschen ist Eisenhydroxid im Wasser zwar unschön anzusehen, aber gesundheitlich ungefährlich. Die wirkliche Gefahr besteht in der Ablagerung des Eisenockers in den Gewässerböden. Fischkiemen verkleben, Laichplätze verschlammen. Das kann man aktuell im Spreewald sehen.

Um an die Kohleflöze der nahen Tagebauen in der Lausitz zu kommen, wurde dort zu DDR-Zeiten das Grundwasser abgesenkt. Über den Braunkohleschichten lag aber Pyrit, auch Katzengold genannt.

"Das ist ein Mineral, das aus sehr viel Eisen und Schwefel besteht, das wird dann mit Luft oxidiert, langsam, und dabei kommen die Probleme zustande. Man kann sagen es entsteht Schwefelsäure in gelöstem Eisen."

Nach Einschätzung des Landesumweltamtes in Brandenburg wird es trotz aller Anstrengungen viele Jahrzehnte dauern, die schon betroffenen Spreezuflüsse vom Eisenschlamm wieder zu säubern. Denn in den Lausitzer Tagebauen ...

"... wo die Förderung eingestellt wurde, wo sich die Seen bilden, da stellt sich jetzt in den nächsten 10, 15 Jahren wieder das alte Fließsystem her."

Was heißt, dass noch viel Eisenhydroxid auf dem Weg ist …

"… und wir hatten einige starke Niederschlagswinter, und damit ist die Phase eingetreten, dass das Eisen ausgeschwemmt wird. Das ist natürlich auch schon bekannt gewesen, aber man hat nicht damit gerechnet, dass es so verheerend schnell kommt."

Gegen die Verockerung helfen Klärwerke und sogenannte Absetzbecken, …

"… das sind einfach große Wasserflächen, wo dieses eisenhaltige Wasser hineingeleitet wird. Es hat dann eine Verweilzeit von zehn bis 14 Tagen. In dieser Zeit setzen sich die feinen Eisenhydroxidpartikel als Schlamm unten ab, und oben fließt das saubere Wasser ab. Das ist ein ganz einfaches Prinzip. Man lässt dem Wasser Zeit das Eisen abzusetzen."

Aktuell werden nun im Spreewald die alten Absetzbecken geöffnet, und die noch funktionsfähigen Kläranlagen angeschaltet. Hektisch werden neue Absetzbecken und Gräben gebaut, die schon betroffenen Fließe werden ausgebaggert. Denn erreicht der Lausitzer Eisenocker erst einmal den inneren Spreewald um Burg oder Lübbenau, müsste das gesamte Spreewaldgewässernetz ausgebaggert werden. Das würde nicht nur gewaltige Kosten verursachen, sondern es kämen ökologische und ökonomische Schäden in großem Umfang hinzu. Besonders für den Spreewald aber ist das nicht alles, denn im Falle der Verockerung ...

"… wäre es tatsächlich so, dass der Status des Biosphärenreservates gefährdet wäre. Und das wäre auch wirtschaftlich eine Katastrophe, da ja der Tourismus hier der größte Arbeitgeber ist in dieser Region. Und genau darum geht es das zu verhindern."


Mehr Infos auf dradio.de:

Antiökologische Reflexe in Brandenburg - Warum die Energiewende ohne Rückkehr zur Braunkohle gelingen muss