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Massenhenne oder Bio-Ei

Die Politik in Berlin und Brüssel hat die Industrialisierung der Agrarbranche jahrzehntelang gefördert. Die Folgen: Viele kleinere Stallbesitzer haben feste Verträge mit großen Eierkonzernen. Längst will die Politik wieder umdenken.

Von Alexander Budde | 16.08.2013
    18.000 Hühner - dicht gedrängt in mehrstöckigen Drahtregalen. Weil die Klappen zur Wiese offenstehen, dürfen die Eier der Freigänger auf dem Wochenmarkt in Hamburg ganz offiziell als Eier aus Freilandhaltung verkauft werden. Wegen der Aussicht – gewissermaßen. Hinzu kommen weitere 15.000 Tiere in Bodenhaltung. Macht 33.000 Hochleistungs-Hennen, die der Geflügelhof Schönecke hält. Er liegt im äußersten Norden Niedersachsens. Jede der Hennen legt bis zu 280 Eier im Jahr, macht zehn Millionen Eier insgesamt. Doch Henner Schönecke verdient pro Ei nur wenige Cents. Wer als Landwirt in der Branche finanziell überleben will, setzt auf Masse.

    "Unser Unternehmen musste in den letzten Jahren sehr viel investieren. Durch die Umstellung von Käfig- auf Boden- bzw. Freilandhaltung. Wir haben viel in Stalltechnik investiert, eigene Eierpackstelle, Sortiermaschine, viel in Logistik und Werbung investiert, stehen auf relativ hohen Fixkostenblock. Wenn Lebensmittelpreise weiter nach unten sinken sollten - und davon ist auszugehen - dann trifft uns das schon hart. Auf der anderen Seite können wir durch Marketingaktionen und direkten Kundenkontakt den Preis auch teilweise selber bestimmen - und deswegen sehe ich da eigentlich nicht ganz so schwarz."

    Wenn Politiker die artgerechte Haltung von Hühnern anmahnen, fordern sie Unmögliches, meint Henner Schönecke. Nur noch große Herden seien rentabel. Er spricht lieber von Tiergerechtigkeit, bietet seinen Tieren Sitzstange und Scharraum, setzt auf größtmögliche Transparenz. Die Politik sagt der Landwirt, habe viel Gefühl – aber wenig Sachverstand.

    "In Deutschland arbeiten noch 2 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Daher wird weniger Landwirtschaftspolitik betrieben als vielmehr Verbraucherpolitik. Ich habe das Gefühl, dass sich die Häufigkeit von Skandalen potenziert. Für mich ist das schade, dass wir als Landwirte oft in einen Topf hineingeschmissen werden. Wir können da oft nichts für, wenn einige schwarze Schafe das machen. Ich würde mir wünschen, dass mein Sohn, der ist 6 Jahre alt, wachsen kann. Ich habe aber das Gefühl, dass sich momentan kaum eine Partei richtig querlegt für uns Landwirte, uns eine Chance gibt, auch in Zukunft marktgerecht zu produzieren, das heißt, auch gegen Konkurrenten im Ausland produzieren. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, wie kann es in Zukunft weitergehen, nicht immer nur sagen, wie geht es nicht."

    Ortswechsel. Hubertus von Hörsten hält auf seinem Demeter-Hof in Wörme 1800 Legehennen. Wann immer sie wollen, können die Tiere ins Freie. Von Hörsten will sich abheben von den großen Spielern der Branche.

    "Wie gestaltet sich der Hof der Zukunft, das ist heute mehr denn je die Frage. Wenn Sie sehen, was heute passiert in der konventionellen Landwirtschaft: 500 Kühe, 40.000 Hähnchen, 30.000 Schweine – ich würde so kein Bauer sein wollen. Nach all den Skandalen – ich bin ausverkauft seit drei Jahren! Sodass man rein betriebswirtschaftlich sagen würde – noch ein Stall! Ich will gar nicht jammern. Weil der Hof so vielfältig aufgestellt ist, geht es uns gar nicht schlecht. Aber ich kann auch sagen, wir haben uns diesen Markt aufgebaut, wir haben uns einen Namen geschaffen."

    Wen wird von Hörsten bei der Bundestagswahl wählen? So direkt will er sich vor dem Mikrofon da nicht festlegen, er ist jedoch ein Fan des grünen Landwirtschaftsministers in Niedersachsen und hätte nichts gegen eine Neuauflage von Rot-Grün auf Bundesebene. Und doch kann er sich mit den meisten Parteien anfreunden. Inzwischen gebe es nämlich einen parteiübergreifenden Konsens, den Öko-Landbau auszubauen, lobt Hubertus von Hörsten. Jüngste Initiativen zum Tierschutz seien eine gute Sache, doch Politiker reagierten stets auf Skandale.

    Es passiert erst was, wenn es nicht mehr weitergeht. Wenn das Ding vor die Wand gelaufen ist. Und wir Sauereien haben. Es geht nur ums Geld. Ein Öko-Bauer für die Grünen und ein Hühnergigant für Schwarz-Gelb? Ganz so einfach ist es nicht. Bio-Landwirt von Hörsten stört sich etwa ausgerechnet an der Energiewende und ihrer Förderpolitik. Die habe viele kleine Betriebe in den Ruin getrieben. Denn die Förderung von Energiepflanzen hätte die Pachtpreise in nie geahnte Höhen getrieben. Das Konzept sei noch lange nicht zu Ende gedacht.

    "Ich weiß, dass wir die Energie brauchen. Aber das, was passiert, jetzt, die ganze bäuerliche Landwirtschaft, die ist weg. Und ich glaube, da ist auch die Frage, wie innovativ ist die Politik da."

    Innovation von der Politik – das fordern sowohl Henner Schönecke und Hubertus von Hörsten. Und doch läuft es für beide nicht schlecht. Obwohl die beiden Landwirte unterschiedlicher nicht sein könnten – der Bundestagswahl und ihrem Ausgang sehen Sie gelassen entgegen.