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Kunstfund
Juristisch weitgehend machtlos

Rechtlich dürfte es schwierig werden, dem Besitzer der in München gefundenen 1400 Kunstwerke seinen Besitz streitig zu machen, sagt der frühere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig von der FDP. Der Staat sei in der Frage der Verjährung von geraubter Kunst viel zu lange untätig gewesen. Deshalb seien nun umso mehr die verantwortlichen Politiker gefordert.

Edzard Schmidt-Jortzig im Gespräch mit Gerd Breker | 19.11.2013
    Gerd Breker: Der Besitzer des Münchener Kunstschatzes, Cornelius Gurlitt, will alle Bilder behalten. „Freiwillig gebe ich nichts zurück“, das sagte der 80jährige dem “Spiegel“. Die gut 1400 Kunstwerke, die in seiner Wohnung sichergestellt wurden, habe sein Vater rechtmäßig erworben. Die Justiz und die Öffentlichkeit stellten alles falsch dar, der Staatsanwaltschaft habe er schon genug Belege geliefert, die ihn von jedem Verdacht entlasten. Das betont der Sohn des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Die Justiz ermittelt gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Edzard Schmidt-Jortzig, ehemaliger Bundesjustizminister für die FDP. Guten Tag, Herr Schmidt-Jortzig.
    Edzard Schmidt-Jortzig: Guten Tag, Herr Breker.
    Breker: Wenn es so käme, wie Cornelius Gurlitt glaubt, was würde das bedeuten für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland?
    Schmidt-Jortzig: Das würde jetzt ja auch nur deutlich machen, dass sich in der Tat die Bundesrepublik Deutschland an diesem Punkt nicht besonders ruhmreich verhalten hat. Diese Sache ist aber nicht erst jetzt so entstanden, sondern schon seit langem, denn die Bundesrepublik hat es einfach versäumt, seinerzeit, unmittelbar nach dem Krieg, sagen wir nach ‘49, dann als die Staatsorgane alle wieder handlungsfähig waren, festzulegen, dass Raubkunst oder die Ansprüche aus geraubten Kunstgegenständen nicht verjähren. Das gibt es in anderen Ländern, dass man das so gemacht hat; die Bundesrepublik hat dazu gar nichts gemacht und hat damit eigentlich ihren Anspruch als Rechtsstaat und mit Eigentumsgarantie ausgestattet nicht besonders gut vertreten.
    Breker: Wie kann man sich das erklären? Woran lag das?
    Schmidt-Jortzig: Das ist Spekulation. Möglicherweise, weil - ich will mal die freundliche Variante für die damals handelnden politischen Kräfte nehmen - das hat man seinerzeit geglaubt, in der Tat da gibt es nichts mehr, was ich aber auch schon für damalige Verhältnisse, ich bin nun auch schon ein bisschen älter, doch einigermaßen blauäugig finden würde. Man kann vielleicht auch sagen, hätte man sich sagen können, es ist durch unsere gesamten Wiedergutmachungsleistungen mit abgegolten. Das halte ich auch nicht für so wahnsinnig schlüssig, denn da ging es eigentlich um ganz andere, um das, was den Menschen an Leib und Leben an Unrecht getan wurde. Also was immer damals dazu geführt hat, ich kann es mir nicht anders erklären, und jetzt stellt man eben fest, wie peinlich das in der Tat ist, dass wir als Bundesrepublik Deutschland, als Rechtsstaat und als ein Staat, der die Eigentumsgarantie als eine seiner zentralen Freiheitsgarantien hat, nicht gut getan hat.
    Es muss jeder Anspruch einzeln durchgesetzt werden
    Breker: Nun greift diese Verjährung. Kann man da nicht etwas tun? Ein Argument hat Herr Seligmann ja genannt: wir wurden ja im Glauben gehalten, die Öffentlichkeit wurde im Glauben gehalten, die Bilder sind verbrannt. Das waren sie aber nicht. Ist das eine Täuschung, auf die man zurückgreifen könnte?
    Schmidt-Jortzig: Es geht ja, wenn man sich nun die rein zivilrechtliche Seite anschaut, also die Frage, gibt es Ansprüche, Rechtsansprüche, die durchgesetzt werden könnten gegen den Erben Gurlitt, den Cornelius Gurlitt auf Herausgabe, dann geht es immer um einzelne Ansprüche, und dann muss der Anspruchsführer, also der beraubte Eigentümer beziehungsweise dessen Erben, die müssten geltend machen, um eine Hemmung der Verjährung, eine Ablaufhemmung, einen Neubeginn der Verjährung erreichen zu können, dass sie für diesen konkreten Anspruch getäuscht worden sind, und ich glaube, davon kann kaum die Rede sein. Es ist allgemein davon geredet worden, das ist alles runtergegangen. Um welche Ansprüche es sich da handelt, um welche Werke es sich da genau handelte, war ja offenbar, soweit ich das jetzt hier mitverfolgt habe, völlig im dunkeln. Das war so eine pauschale Behauptung. Deswegen kann man da eigentlich schlecht sagen, wir sind nun auch auf einen ganz speziellen Anspruch hin getäuscht worden.
    Breker: Herr Schmidt-Jortzig, es gibt doch an sich immer so etwas wie ein übergeordnetes Interesse des Staates. Wir haben es im Fall Edward Snowden erlebt, dass er nicht nach Deutschland kommen soll, weil wir seine Sicherheit nicht garantieren können beziehungsweise weil wir nicht wollen, dass die Amerikaner einen Auslieferungsantrag stellen, dem wir dann nicht nachkommen, und dann gibt es Ärger zwischen Deutschland und den USA. So ein übergeordnetes Interesse, kann man das auf diesen Fall irgendwie anwenden?
    Die Politik muss nun handeln
    Schmidt-Jortzig: Ich sehe in der Tat ein übergeordnetes Interesse, aber das ist rein politischer Natur, immerhin politischer Natur, und würde sich an die nun in der Verantwortung seienden politischen Organe richten, jedenfalls heutzutage das zu tun, was ein Staat tun könnte: entweder mit dem Herrn Gurlitt in Verhandlungen zu treten, um ihn gütlich dazu zu bringen, Dinge herauszugeben, oder es ihm abzukaufen, oder ihn zu enteignen, wobei ich allerdings nicht die verfassungsrechtlichen Gründe dafür sehe, dass man es enteignen dürfe. Auf jeden Fall muss sich nun das Land, der Staat, die Bundesrepublik Deutschland politisch dahinter klemmen. Aber mit dem globalen Verweis auf irgendein übergeordnetes Interesse grundlegende Vorschriften der Rechtsordnung auszuhebeln, das darf auch einem Herrn Gurlitt gegenüber nicht passieren.
    Breker: Nun ist es ja so, dass auch die Behörden sich nicht glorreich verhalten haben.
    Schmidt-Jortzig: Ja.
    Breker: Beim Zoll lagern die Kunstwerke seit zwei Jahren bald und es kam erst nach zwei Jahren heraus.
    Schmidt-Jortzig: Ja, ja, das halte ich auch in der Tat für einigermaßen problematisch, weniger das Herauskommen - der Informationsanspruch der Öffentlichkeit ist ja erst in zweiter Linie bedeutsam. In erster Linie würde ich sagen: Wenn da wirklich ernsthafte strafrechtliche Vorwürfe sind, dann müssten die in diesen zwei Jahren wahrlich ausermittelt worden sein. Da geht es ja um Unterschlagung und irgendwelche Steuerdelikte. Und da man da offenbar nicht weiterkommt, nicht weiterermittelt werden kann, hätte man sie dann wieder freigeben müssen. Ich bin gespannt, ob der Herr Gurlitt sich da anwaltlich professionell vertreten lässt, denn dann wird wohl als erstes gegen diese fortdauernde Beschlagnahme und Einbehaltung der ja ihm nach wie vor gehörenden Gegenstände angegangen werden.
    Breker: Im Deutschlandfunk war das Edzard Schmidt-Jortzig zum Fall Gurlitt, sage ich mal, dem Kunsthändler, der 1400 Kunstwerke von unterschiedlichen Besitzern in seinem Besitz hat und sagt, das sei seines, obwohl andere finden, das sei ihres.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.