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Stechende Mitfahrer

Seit den 90er-Jahren hat sich die asiatische Tigermücke in ganz Italien ausgebreitet. Wissenschaftler fürchten, dass das Krankheiten übertragende Insekt auch den Sprung über die Alpen schaffen könnte. Um das zu verhindern, gibt es seit zwei Jahren Monitorings, die der Tigermücke nachspüren.

Von Joachim Budde | 15.10.2013
    Mitte Juli, Mitten in Oberbayern. Die Geranien quellen aus den Blumenkästen unter den Fenstern eines Bauernhofs, in der Ferne zeichnen sich blaugrau die Alpen im Dunst ab. Es ist sonnig und warm – bestes Urlaubswetter. Das bayrische Idyll wird getrübt durch die Nähe zur A93. Dort brausen die Urlauber gen Süden, viele machen Pause oder tanken auf dem Rastplatz, den nur eine dünne Reihe Bäume von dem Hof trennt. Ingeborg Schleip interessiert sich wenig für die Urlauber, sie ist auf der Jagd nach dem, was Autos und Lkw aus dem Süden über die Alpen mit nach Deutschland bringen.

    "So ein Standort wird immer bestückt mit drei Ovitraps und einer BG-Sentinel-Falle. In der BG-Sentinel-Falle werden adulte Stechmücken gesammelt, und mit den Ovi-Traps, da können sie Eier ablegen, falls es eben ein schwangeres Weibchen wäre."

    Eine Mückenart steht auf der Fahndungsliste ganz oben: Die Asiatische Tigermücke Aedes albopictus. Für sie tourte Ingeborg Schleip den ganzen Sommer bis Anfang Oktober durch Süddeutschland, den Kofferraum vollgestopft mit grauen Gasflaschen, Boxen voller Probengläser, und Ersatzfallen. Eine Falle steht hier am Rastplatz im Gebüsch. Ein Zylinder mit den Maßen eines großen Putzeimers, aus weißem Gazestoff. In der Mitte steckt ein schwarzes Plastikrohr vom Durchmesser eines Bierdeckels.

    "Mücken werden eher von dunklen Farben angezogen. Das heißt, innen ist ein schwarzer Zylinder und außen ist ein weißer Bereich, und so werden sie zu diesem schwarzen Zylinder dirigiert, und die andere Komponente ist eine Duftkomponente."

    Die imitiert den Geruch, den menschliche Haut verströmt. Um die Duftfahne unwiderstehlich zu machen, verströmt die Falle zusätzlich Kohlendioxid. Das Gas ist auch im Atem von Säugetieren enthalten – für die Mücken der Wegweiser zur Blutmahlzeit. Kommen sie der Falle zu Nahe, werden sie in ein Netz gesaugt. Mückenweibchen brauchen Blut, um ihre Eier bilden zu können. Für solche Weibchen hängt Schleip schwarze Becher ins Gebüsch.

    "Also das erste Ovitrap habe ich in einem Baum platziert, falls sie es hier schön finden, haben die Tiere praktisch eine Baumhöhle, also Ovi-Traps, das ist einfach ein schwarzer Behälter mit einem Heu-Aufguss drinnen, und ein Holzstäbchen, das eine Oberfläche hat, wo Mücken wahrscheinlich ganz gerne ihre Eier ablegen würden. Das sammle ich einfach alles ein, und dann schaue ich es mir hinterher an im Labor."

    Die Biologin ist für die Biogents-AG in Süddeutschland unterwegs. Die Regensburger Firma ist ein Partner in dem Verbund, der im Auftrag des Umweltbundesamtes nach möglichen Einfallspforten invasiver Mückenartren sucht – darunter die Asiatische Tigermücke. Zwei solche Routen hat das Konsortium bereits gefunden: An vier verschiedenen Stellen an den Autobahnen 5 und 93 sind den Wissenschaftlern in Bayern und Baden-Württemberg bisher in diesem Jahr 25 Tigermücken in die Falle gegangen, sagt Professor Egbert Tannich vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, der das Monitoring koordiniert. Das sind fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

    "Das zeigt, dass regelmäßig mit dem Güterverkehr, wahrscheinlich mit Lkw diese Tigermücke aus Italien nach Deutschland gebracht wird. Und wir haben nur an wenigen Autobahnen geschaut, und trotzdem diese doch relativ große Zahl von Exemplaren in kurzer Zeit gefunden, was eigentlich dafür spricht, dass das gar kein seltenes Ereignis ist."

    An neun Stellen fanden die Forscher zudem erstmals Ei-Gelege der Tigermücke in Ovitraps.

    "Eine Mücke, die dann als gravides Weibchen Eier irgendwo ablegt, produziert gleich 100 Nachkommen, und wenn das immer wieder passiert, dann besteht doch ein gewisser Druck, und man muss damit rechnen, dass auch eine Ansiedlung möglich ist in Deutschland, denn die klimatischen Verhältnisse in Südwestdeutschland sind durchaus ausreichend, dass sich diese Tigermücke dort auch ansiedeln kann."

    Was Tannich und seine Kollegen beunruhigt: Die Tigermücke kann schwere Krankheiten übertragen.

    "Wo wir albopictus finden, werden sofort im Radius von 200 Metern weitere Fallen aufgestellt, um zu sehen: Ist das eine einmalige Mücke, die von einem Lkw mitgebracht wurde, oder gibt es hier gleich schon mehrere, und dann wird versucht, jedes Wasserloch, jede Baumhöhle, die man da finden kann, zu bearbeiten, damit da mögliche Brutplätze eliminiert werden."