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CDU-Wahlkampf mit Altmaier
"Ich halte das für höchst problematisch"

Nicht Generalsekretär Peter Tauber, sondern Kanzleramtschef Peter Altmaier soll das Wahlprogramm der CDU schreiben. Der Politikberater Michel Spreng sieht darin nicht nur einen Ansehensverlust für Tauber, sondern auch einen Rollenkonflikt für Altmaier. "Hier greifen Funktionen ineinander, die eigentlich nicht miteinander vereinbar sind", sagte er im DLF.

Michael Spreng im Gespräch mit Martin Zagatta | 11.04.2017
    Der Politikberater Michael Spreng in einer Talkshow.
    Der Politikberater Michael Spreng in einer Talkshow. (imago / teutopress)
    Martin Zagatta: Mitgehört hat der Publizist und Politikberater Michael Spreng, der einst Wahlkampfmanager des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber war, also über entsprechende Erfahrungen auch verfügt. Guten Tag, Herr Spreng!
    Michael Spreng: Guten Tag, Herr Zagatta.
    Zagatta: Wie ist das bei Ihnen angekommen? Halten Sie das für eine gute Entscheidung, den Kanzleramtsminister den Wahlkampf managen zu lassen?
    Spreng: Als ich den Anfang der Meldung im Radio hörte, dachte ich, dass er jetzt sein Amt aufgibt. Aber schon im zweiten Satz war klar, dass er das nicht tut. Daraus ergibt sich, ich halte das für höchst problematisch, denn er ist ja nicht nur Kanzleramtschef. Er ist Flüchtlingskoordinator, Geheimdienstkoordinator und er ist das wichtigste Scharnier der Großen Koalition. Er ist der Mann, der mit der SPD verhandelt. Insofern ist diese doppelte Funktion, einerseits federführend für das Wahlprogramm zu sein, einen Schreibtisch im Adenauer-Haus zu haben, gleichzeitig Kanzleramtschef, zumindest problematisch.
    "Merkel möchte auch das Adenauer-Haus unter Kontrolle haben"
    Zagatta: Halten Sie das jetzt für politisch fraglich, problematisch, oder auch verfassungsrechtlich? Das heißt es ja teilweise aus der Opposition, dass das gar nicht ginge.
    Spreng: Ich bin kein Verfassungsrechtler. Ich sehe das als politisch problematisch an, weil hier Funktionen dann ineinander greifen, die eigentlich nicht miteinander vereinbar sind. Aber ich glaube, Frau Merkel ist ja bekannt dafür, dass sie sich nur auf einen allerkleinsten Kreis von Vertrauten stützt, zu denen Altmaier gehört. Sie möchte im Wahlkampf auch das Adenauer-Haus unter Kontrolle haben und sie möchte, dass es bei der Erstellung des Wahlprogramms keine Pannen gibt, und das ist ihr wichtiger.
    Zagatta: Ist das eine Ohrfeige für den Generalsekretär, für Peter Tauber?
    Spreng: Zumindest kann man daraus ablesen, dass er nicht zum engsten Zirkel von Frau Merkel gehört. Sonst wäre es nicht notwendig gewesen, ihm jemand vor die Nase zu setzen. Er ist doch mehr Sekretär als General, wie es das schon bei anderen Generalsekretären gab. Er wurde ja nicht nur von oben jetzt eingemauert durch Peter Altmaier, sondern von unten durch den neuen Leiter strategische Planung, Joachim Koschnicke, der von Opel zurückkommt. Er ist gewissermaßen in die Zange genommen. Es ist für ihn mit Sicherheit nicht nur ein Ansehensverlust, sondern auch ein Verlust an Kompetenzen.
    "Keine Richtungsentscheidung"
    Zagatta: Wenn Sie sagen, Frau Merkel will da wahrscheinlich Pannen vermeiden, ist das für Sie der Hauptgrund, oder sehen Sie auch irgendwo eine Richtungsentscheidung? Wir haben es ja in dem Bericht gehört: Peter Tauber stand für eine moderne, junge Computer-CDU, die die Großstädte wieder erobern will. Sehen Sie da auch irgendwie eine Richtungsentscheidung, oder ist das ganz pragmatisch?
    Spreng: Nein, ich sehe keine Richtungsentscheidung, denn das, was Herr Tauber angeleiert hat mit modernen Wahlkampfformen, das wird er ja weiter machen. Er ist quasi dann Organisationschef dieser Wahlkampfform. Und Peter Altmaier ist ja nun wirklich kein Vertreter des konservativen Flügels.
    Nein, sie möchte, dass das in ihrem Sinne geschieht und dass auch der erste Entwurf des Wahlprogramms schon kein Konfliktpotenzial mit der CSU birgt. Denn eins kann sich die CDU/CSU im Wahlkampf nicht mehr erlauben: neuer Streit zwischen CDU und CSU. Es soll von vornherein ein politisch versierter Mann gewissermaßen ein pflegeleichtes Wahlprogramm im Verhältnis zur CSU erstellen.
    "Altmaier ist für diese Rolle Attacke nicht geeignet"
    Zagatta: Herr Spreng, im Wahlkampf setzt man aber normalerweise doch zumindest auf die Abteilung Attacke, dann auf Angriff auf den politischen Gegner. Das scheint, doch so überhaupt nicht die Sache von Altmaier zu sein. Der gilt als freundlich, der gilt als Vermittler. Ist er als Wahlkampfmanager vielleicht sogar eine Fehlbesetzung?
    Spreng: Nein, er wird ja nicht der Wahlkampfmanager; er wird das Wahlprogramm machen. Das heißt, es schreiben, verantworten, Frau Merkel die Entwürfe vorlegen. Das heißt ja nicht, dass die Abteilung Attacke von anderen übernommen werden kann, auch vom Generalsekretär, vom Fraktionsvorsitzenden, von einzelnen Ministern. Altmaier ist für diese Rolle Attacke nicht geeignet, weil er ja bis zuletzt, bis zum Ende der Großen Koalition den Umgang zur SPD auch pflegen muss, dass die Regierung einigermaßen reibungsfrei funktioniert. Diese Aufgabe kann Altmaier nicht übernehmen.
    Zagatta: Das haben Sie angesprochen. Das dürfte dann sehr, sehr schwierig werden, dort beide Rollen auszufüllen. Ist das dann nicht doch auch ein Zeichen, dass Frau Merkel irgendwie auf einen etwas sachlicheren Wahlkampf setzt, den Eindruck, den sie auch in anderen Wahlkämpfen vermittelt hat, über den Dingen zu stehen, dass sie diesen Weg jetzt wieder wählt?
    Spreng: Frau Merkel hat ja eine klare Wahlstrategie. Sie zielt auf die Wähler der Mitte, nicht rechts, nicht links, sondern die Mitte. Sie wird keine Konzessionen machen in Richtung AfD und dafür steht auch Altmaier. Es ist keine Richtungsentscheidung, sondern Frau Merkel wird ihren bewährten Kurs der Mitte fortsetzen, und gleichzeitig wird es darum gehen, im Wahlkampf der CDU, dass eine bewährte Kanzlerin, zu der die Menschen Vertrauen haben, wiedergewählt werden soll, und das wird die zentrale Botschaft sein.
    "Aus meiner Sicht ist das Rennen nach wie vor offen"
    Zagatta: Jetzt hat sie ja mit Martin Schulz von der SPD erstmals vielleicht einen ernsthaften Gegner. Davon gehen Experten zumindest aus. Müsste man nicht – diese Forderung gibt es ja an Frau Merkel – auch einen etwas kämpferischen Wahlkampf führen?
    Spreng: Ja, da arbeitet man wie gesagt mit verteilten Rollen. Frau Merkel wird sich in einigen Fragen schwer tun, Herrn Schulz anzugreifen, denn in großen Linien auch in der Europapolitik sind sie ja ziemlich einig. Außerdem stehen beide eher für einen sachlichen, unpolemischen Wahlkampfstil. Das wird mit verteilten Rollen sein. So wie es bei der SPD Herrn Stegner gibt, gibt es bei der CDU dann Tauber und Kauder und bei der CSU Scheuer und Söder. Es wird mit verteilten Rollen gespielt, wie es aber schon häufiger in Wahlkämpfen war.
    Zagatta: Und aus Ihrer Sicht, wie schätzen Sie es grundsätzlich ein? Ist dieser Hype um Martin Schulz, den wir erlebt haben, dieses Emporschnellen der SPD in Umfragen, ist das schon wieder vorbei, oder wird diese Bundestagswahl wirklich höchst spannend?
    Spreng: Wir erleben ja immer wieder eine sehr kurzatmige Betrachtung von politischen Daten, siehe jetzt die Saarland-Wahl. Wenn in Nordrhein-Westfalen die SPD wieder die Regierungschefin stellen sollte, wenn es am Ende sogar zu einer Koalition mit der FDP käme, dann wäre die Landschaft wieder völlig verändert und dann würden dieselben Leute, die schreiben, der Schulz-Hype ist vorbei, von einem neuen Schulz-Hype und SPD-Hype schreiben. Das sind alles sehr kurzfristige Betrachtungsweisen. Nach wie vor ist aus meiner Sicht das Rennen offen.
    Zagatta: Sagt der Politikberater Michael Spreng heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Spreng, ich bedanke mich für das Gespräch.
    Spreng: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.