150 Jahre Besiedlung

Spuren walisischer Einwanderer in Patagonien

Luftbild Patagonien/Argentinien
Luftbild von Patagonien, einer Region in Argentinien, die bekannt ist für ihre wilden Berglandschaften © dpa / picture-alliance / Jan Woitas
Von Julio Segador, ARD Buenos Aires · 18.06.2015
Es gab kaum Arbeit, die Löhne waren schlecht: Vor 150 Jahren machten sich 153 Passagiere von Wales aus auf den Weg nach Südamerika. Mit dem Segelschiff ging es von Liverpool ins raue, unbesiedelte Patagonien. Manche bezahlten die Auswanderung mit ihrem Leben.
Ungewohnte Klänge in der Schule in Trelew, im Südosten Patagoniens. Die Kinder singen ein walisisches Lied, danach wird Lehrerin Catrin Morris verabschiedet – natürlich auf walisisch.
Catrin Morris lebt seit 17 Jahren in Trelew in Argentinien. Die Stadt liegt im Osten der Provinz Chubut. Zur Atlantikküste sind es nur wenige Kilometer. Catrin Morris kann in dieser Region in Patagonien – 15.000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt – ihre walisische Kultur pflegen und leben.
Catrin Morris: "Ich fühle mich hier sehr wohl, wirklich. Ich kann den ganzen Tag walisisch reden. Zu Hause mit meiner Familie, in der Arbeit. Natürlich in der Schule. Ich lebe mein Leben mit meiner Sprache. Ich fühle mich wohl, ich habe hier inzwischen Wurzeln geschlagen."
Catrin Morris ist eine der jüngsten Emigranten, die aus Wales nach Patagonien kamen. Sie ist eines der letzten Glieder in einer langen Kette von Einwanderern, die die walisische Kultur in diesem Teil Patagoniens geprägt haben und bis heute prägen. Den Anfang machten dabei Männer und Frauen wie Lewis Jones und seine Frau Ellen Griffiths, die heute auf dem walisischen Friedhof, gleich neben der Schule in Trelew begraben liegen.
Catrin Morris: "Das ist das Grab von Lewis Jones. Hier in Trelew sehen ihn die Leute als Gründer der Stadt. Er brachte in der Region die Eisenbahn zum Laufen. Und Trelew ist auch nach Lewis Jones benannt. Tre bedeutet auf walisisch Stadt und Lew – argentinisch Leu - ist die Abkürzung von Lewis."
Von Liverpool nach Patagonien
Lewis Jones war einer der 153 Passagiere, die vor 150 Jahren, im Juli 1865 aus Liverpool auf dem Segelschiff "Mimosa" in Patagonien ankamen. Es waren die ersten Einwanderer aus Wales im wilden Patagonien. Armut, Unterdrückung und Not hatten sie dazu gebracht, ihre Heimat zu verlassen, berichtet Dawid Williams.
Dawid Williams: "Die Leute in Wales litten an den Folgen der Industrialisierung. Es gab sehr wenig Arbeit, die Löhne waren niedrig, die Armut weit verbreitet. Viele Waliser arbeiteten in den Kohleminen. Die Arbeitsbedingungen dort waren sehr schlecht. Manche sahen kaum das Tageslicht. Ihre Kultur und Sprache wurden unterdrückt. England hatte ja Wales und Schottland Groß-Britannien zugeschlagen und die Politik war, die ursprünglichen Sprachen dort auszulöschen um das Englische zu etablieren."
Dawid Williams aus Trelew ist Arzt und Historiker. Seit Jahren forscht er über die Besiedelung Patagoniens durch die Waliser. Es war damals vor 150 Jahren eine – wie man heute sagen würde – eine Win-Win-Situation. Die walisischen Auswanderer flüchteten vor Not und Elend in der Heimat, die Argentinier sahen die Chance, ihre entlegene, menschenleere patagonische Provinz zu besiedeln. Doch es fiel den walisischen Siedlern anfangs schwer, in Patagonien heimisch zu werden. Das raue Klima und die widrigen Bedingungen setzten ihnen zu. Viele Siedler starben anfangs, andere zogen in den Norden, vor allem in die USA. Doch die, die blieben, sorgten unter großen Mühen dafür, dass sich in Patagonien das walisische Erbe bis heute gehalten hat.
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