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Wenn der Naturfilter versagt

Chemie. - Immer wieder sorgen Berichte über Pestizide im Trinkwasser für Schlagzeilen, so etwa vergangenes Jahr in Süddeutschland. Jetzt wiesen Stuttgarter Chemiker erneut Schadstoffe nach, allerdings diesmal in Mineralwässern, die eigentlich doch mit ihrer besonderen Qualität beworben werden.

Von Volker Mrasek | 22.07.2008
    Mineralwässer stammen aus unterirdischen Grundwasserleitern, die eigentlich vor Verunreinigungen geschützt sein sollen.

    "Bei Mineralwasser ist einfach die Forderung, dass das quasi von seiner geogenen Herkunft abgeschlossen ist gegen Umwelteinflüsse und von daher praktisch keine durch den Menschen eingetragene Fremdstoffe enthalten sein sollen."

    Doch dieser Fall ist nun eingetreten. Nach Untersuchungen von Eberhard Schüle und einigen Kollegen aus dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart. In elf Mineralwasserquellen, fast alle in Baden-Württemberg, entdeckten sie Spuren von Pestizid-Metaboliten. Das sind Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln. Die Stoffe heißen Dimethylsulfamid und Desphenyl-Chloridazon. Es handelt sich um polare Substanzen, wie der Stuttgarter Lebensmittelchemiker sagt:

    "Um diese sehr niedrigen - es geht hier um sehr niedrige – Konzentrationen nachweisen zu können, macht man üblicherweise in der Wasseranalytik eine Aufkonzentrierung. Das ist bei diesen sehr polaren Abbauprodukten schwierig. Die sind so gut wasserlöslich, dass sie sich nur sehr schwer aufkonzentrieren lassen. Man braucht da sehr empfindliche Analysegeräte, die jetzt erst so in der neuen Entwicklung der letzten Jahre verfügbar waren."

    Dimethylsulfamid entstammt einem Pilzbekämpfungsmittel. Es wurde im Obstbau eingesetzt. Inzwischen wurde die Zulassung des Fungizides ausgesetzt. Desphenyl-Chloridazon ist das Abbauprodukt eines Unkrautvernichtungsmittels und dieses ist weiterhin im Handel. Landwirte versprühen es bevorzugt auf Zuckerrüben-Feldern – in süddeutschen Wasserschutzgebieten jetzt aber vorsorglich nicht mehr. Auch aus Bayern wird inzwischen von positiven Proben berichtet. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen hat eigene Analysen gestartet. Auf Anfrage äußerte sich die Behörde zu den bisherigen Befunden:

    Bisher wurden im Landesamt 44 natürliche Mineralwässer aus dem Handel untersucht. Vier Proben bayerischer Mineralwasser-Hersteller enthielten Desphenyl-Chloridazon oberhalb der Bestimmungsgrenze. Positive Befunde wurden durch Nachbeprobungen der Handelsproben sowie Brunnenkopf-Proben abgesichert.

    Es gibt eine Verwaltungsvorschrift mit Kriterien für die Anerkennung von natürlichem Mineralwasser. Darin ist ein Orientierungswert für Pflanzenschutzmittel aufgeführt, der nicht überschritten werden soll. Er liegt bei einem 20stel Mikrogramm pro Liter Wasser. Im Fall der polaren Metaboliten entspricht dieser Wert genau der Nachweisgrenze. Nach Auffassung des bayerischen Landesamtes muss man diesen Orientierungswert auch auf die neu entdeckten Stoffe anwenden. Es handele sich zweifelsfrei um unnatürliche Verunreinigungen, die sich von Pflanzenschutzmitteln ableiteten:

    Bei gesicherten Überschreitungen des Orientierungswertes ist unseres Erachtens wohl davon auszugehen, dass die geforderte ,ursprüngliche Reinheit’ des Mineralwasser-Leiters nicht mehr gegeben und eine Beeinflussung durch oberflächennahes Wasser von landwirtschaftlich genutzten Flächen erfolgt ist. Der Abfüller muss jede Gewinnung zum Zwecke des Inverkehrbringens so lange unterlassen, bis die Ursache der Verunreinigung beseitigt ist und das Wasser wieder den chemischen Anforderungen entspricht.

    Tatsächlich haben die Behörden bisher aber offenbar keinen einzigen Brunnen geschlossen. Und das ist auch nicht so schwer zu verstehen. Denn die im Mineralwasser aufgetauchten Stoffe gelten beide als gesundheitlich unbedenklich, jedenfalls in so niedrigen Konzentrationen. Das bestätigt auch Eberhard Schüle:

    "Das liegt um mehrere Zehnerpotenzen unter dem, was wir in anderen Lebensmitteln, die wir täglich zu uns nehmen, zulassen. Und um viele Zehnerpotenzen unter dem, was jetzt toxikologisch relevant ist."

    Einen Handlungsbedarf gebe es aber auf jeden Fall, ...

    "... denn ein Mineralwasser darf nicht durch entsprechende Abtrennungsverfahren aufbereitet werden wie bei Trinkwasser, wo man die Stoffe dann entfernen kann. Das heißt, was man im Brunnen findet, ist auch das in der Flasche."

    Im Moment werde in jedem betroffenen Brunnen überprüft, auf welchem Weg die Verunreinigungen in das Mineralwasser gelangt sind. Um dann die nötigen Sanierungsmaßnahmen ergreifen zu können – sofern sie denn möglich sind ...