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Mit Gentechnik gegen den Hunger der Welt

Wie sollen die rund sieben Milliarden Menschen auf der Welt langfristig alle satt werden? Diese Frage beschäftigt Experten unterschiedlichster Fachgebiete - auch die Pflanzenzüchter. Ihr Vorschlag: Umgezüchtetes Getreide und Gemüse bringe mehr Ertrag und könne bald alle Menschen satt machen.

Von Philip Banse | 11.06.2013
    Innovation bei den Pflanzenzüchtern heißt natürlich: Tomaten mit mehr Vitaminen, Weizen mit mehr Eisen, mehr Resistenzen, aber unterm Strich: mehr Ertrag auf weniger Fläche. Und so sehen sich die deutschen Pflanzenzüchter auch als Kämpfer gegen den Welthunger. Denn der lasse sich nur auf zwei Wegen bekämpfen: mehr Fläche verbrauchen, was aus Umwelt- und Klimagründen nicht erwünscht ist; oder eben auf der vorhanden Fläche mehr anbauen. Joachim von Braun, Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Uni Bonn:

    "In Sachen Welternährung und Hunger ist die gute Nachricht, dass seit 1990 sich der Anteil der hungernden Menschen in der Welt von 19 auf 13 Prozent reduziert hat. Der Hunger ist am Verschwinden. Eine Welt ohne Hunger sich vorzustellen ist inzwischen realistisch zwischen 2030, 2040."

    Dafür bräuchten Pflanzenzüchter Steuererleichterungen und Pflanzen-Forscher mehr Steuergeld. Denn so erfreulich die langfristige Hunger-Entwicklung auch war – in den letzten Jahren hat sich der Trend gedreht, sagt der Agrarökonom Harald von Witzke von der Humboldt-Universität, der mithilfe der Pflanzenzüchter-Lobby eine Studie erstellt hat:

    "Seit der Jahrtausendwende steigen die Agrarpreise tendenziell an - mit starken Schwankungen, wie wir das auch aus der Vergangenheit kennen, aber die entscheidende Änderung ist, dass sie nicht mehr tendenziell sinken, sondern tendenziell ansteigen, weil die Nachfrage das weltweite Angebotswachstum übersteigt. Das bedeutet natürlich auch eine Zunahme des Hungers und der Mangelernährung auf der Welt."

    Diesen Trend könne man nur stoppen, indem bessere, ertragreichere Pflanzen gezüchtet werden, da waren sich Lobbyisten und die mit ihrer Unterstützung forschenden Wissenschaftler einig. Zur Ertragssteigerung kämen in Schwellen- und Entwicklungsländern mittlerweile mehr gentechnisch veränderte Pflanzen zum Einsatz, als in den Industrieländern, sagte Agrarforscher von Braun. Das liege allein am Markt, an Angebot und Nachfrage, sagt die Vorsitzende des Bundesverbandes deutscher Pflanzenzüchter, Stephanie Franck:

    "Gentechnisch veränderte Organismen, GVO, spielen in Europa derzeit keine Rolle. In jedem Wirtschaftssektor ist ganz klar, dass man sich nach den Kundenwünschen richtet. Unsere Kunden sind die Landwirte, die Saatgut kaufen. Die Kunden der Landwirte sind Hausfrauen und Hausmänner, die Lebensmittel kaufen. In dieser Kundschaft sind gentechnisch veränderte Organismen nicht gewünscht. Deswegen konzentrieren wir uns in der Züchtung auf andere Methoden, die wir haben, um Ertragssteigerung und Resistenzzüchtung voranzubringen."

    Die in ihrem Verband vertretenen Pflanzenzüchter würden sich allein klassischer biologischer Methoden bedienen, also Kreuzung und Selektion. Doch dieser Ansatz sei gefährdet, vor allem durch das Nagoya-Protokoll. Dieses internationale Abkommen regelt, dass Industrienationen für Pflanzen und Genmaterial aus Schwellen- und Entwicklungsländern unter Umständen zahlen müssen und nicht einfach alles verwenden dürfen, was sie etwa im Amazonas-Regenwald finden. Noch ist das Abkommen nicht in Kraft, die EU bereitet jedoch die Umsetzung vor – sehr zum Ärger der Cheflobbyistin der Pflanzenzüchter, die verlangt, alle Pflanzen der Welt zur Zucht einsetzen zu dürfen:

    "Der Entwurf der EU-Kommission macht uns große Sorgen. Denn der uneingeschränkte Zugang zu genetischem Material ist für die Zukunft – gerade der stark mittelständisch geprägten Züchtung in Deutschland – unerlässlich. Hier kommt eine Bürokratisierung auf uns zu, die uns das Genick brechen könnte, wenn es so bleibt, wie es gegenwärtig im Entwurf ist."