Dienstag, 30. April 2024

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Nitrat im Trinkwasser
"Das könnte für die Verbraucher sehr teuer werden"

Nitrathaltiges Wasser ist nicht nur ungesund, sondern könnte in Zukunft auch noch teuer werden: Auf bis zu 62 Prozent könnte der Trinkwasserpreis künftig steigen, erklärte Theo Geers im DLF, und zwar in Regionen, wo der Boden besonders mit Nitrat belastet ist. Für einen dreiköpfigen Personenhaushalt hätte dies enorme finanzielle Folgen.

Theo Geers im Gespräch mit Britta Fecke | 19.01.2017
    Kläranlage der Stadt Northeim
    Auf Verbraucher, die in der Nähe von Kläranlagen und somit mit Nitrat belasteten Böden leben, können künftig hohe Kosten zukommen. (imago/stock&people/Hubert Jelinek)
    Britta Fecke: Eine Folge der industriellen Tierhaltung, also der Massentierhaltung, und des hohen Fleischkonsums sind überdüngte Böden und nitratverseuchtes Grundwasser, denn die Tiere produzieren mehr Gülle als die Pflanzen zum Wachstum brauchen. Die überschüssigen Stickstoff-Verbindungen in Form von Nitrat verseuchen unter anderem die Flüsse und das Grundwasser.
    Nun schlägt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Alarm. Wenn das Düngerecht nicht erheblich verschärft wird, dann werden die Wasserpreise in einigen Regionen erheblich steigen.
    Ich bin jetzt verbunden mit unserem Hauptstadt-Korrespondenten Theo Geers. Herr Geers, wie teuer kann das Trinkwasser denn in einigen Regionen werden?
    Theo Geers: Sehr teuer, Frau Fecke, und zwar vor allem für viele Verbraucher, wenn sie in den Einzugsgebieten von Wasserwerken leben, wo die Nitratbelastung schon überhöht ist und dementsprechend gesenkt werden muss. Da könnte der Trinkwasserpreis um 24 Prozent, also knapp ein Viertel steigen. Es können aber auch sage und schreibe 62 Prozent sein, je nachdem wie viel Aufwand getrieben werden muss. In Euro und Cent heißen plus 62 Prozent für einen typischen Drei-Personen-Haushalt, dass die Jahresrechnung für Trinkwasser von 217 Euro derzeit auf 352 Euro steigen würde. Das wären 135 Euro im Jahr.
    Es hängt wie gesagt davon ab, was man macht, ob vorbeugende Maßnahmen noch reichen, etwa dass ein Wasserwerk Flächen rund um seinen Brunnen pachtet oder auch kauft, oder ob das Kind, sprich das Nitrat schon in den Brunnen gefallen ist und das belastete Wasser dann wieder trinkbar gemacht werden muss, zum Beispiel durch Aufbereiten, oder auch durch Verschneiden mit unbelastetem Wasser, um die Nitratbelastung dann im Wortes Sinne wieder zu verwässern.
    "Es ist noch viel zu viel Nitrat im Boden"
    Fecke: 352 Euro für einen Drei-Personen-Haushalt im Jahr mehr, das ist schon eine ordentliche Stange Geld. Ist das denn das Ende der Fahnenstange?
    Geers: Nein! Das ist ja das Problem. Und zwar schlicht deshalb, weil noch viel zu viel Nitrat im Boden unterwegs ist in Richtung der Trinkwasserbrunnen. Man muss ja wissen, dass man bei der Wasseraufbereitung im Grunde die Umweltsünden jetzt herausfiltert, die vor 10, 15, 20 Jahren begangen wurden. Das heißt, wenn jetzt die Düngung in diesen 15, 20 Jahren noch intensiviert wurde, was ja der Fall ist, dann sind natürlich auch noch viel größere Nitratfrachten im Boden unterwegs.
    Und das Problem ist ganz einfach, dass inzwischen schlicht zu viel Nitrat im Boden enthalten ist, dass der Boden dieses Nitrat nicht mehr abbauen kann und der Boden sich dann bildlich gesprochen verhält wie ein vollgesogener Schwamm. So Martin Weyand vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft:
    Martin Weyand: "Wenn der Schwamm aufgesogen ist und diese Pufferfähigkeit nicht mehr ausreicht, dann tropft das Wasser raus, und so muss man sich auch eine Aufnahmefähigkeit des Bodens darstellen. Wenn zu viel Nitrat hineingegeben wird, dann wird diese Pufferfähigkeit nicht mehr erhalten bleiben, und dann rauscht das Nitrat erst recht durch."
    Geers: Heißt übersetzt, Frau Fecke: Wenn die Kapazität der Böden, Nitrate abzubauen, wie in dem Bild mit dem Schwamm erst mal aufgebraucht ist, dann wird es noch teurer.
    "Das reicht aus Sicht der Wasserwirtschaft hinten und vorne nicht"
    Fecke: Die Verschärfung des Düngegesetzes ist ja in Arbeit, ein neues Düngegesetz. Letzte Woche gab es eine politische Einigung zwischen Bund und Ländern. Reicht das schon aus aus Sicht der Wasserwirtschaft?
    Geers: Nein, natürlich nicht, und der Forderungskatalog der Wasserwirtschaft ist auch sehr lang. Die erste Forderung lautet, dass die geplante Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff, die pro Hektar noch ausgebracht werden darf, dass die für alle Dünger gelten muss und nicht nur für Gülle. So Martin Weyand:
    Martin Weyand: "Es kann nicht sein, dass wir jetzt bei der Gülle weniger draufbekommen, aber dann künstlicher Dünger draufgetan wird."
    Geers: Das ist die zweite Forderung. Die dritte Forderung lautet, man braucht einen verbindlichen Zeitplan für die Verabschiedung des Düngegesetzes. Und die wichtigste Forderung der Wasserwerke formuliert Martin Weyand so:
    Martin Weyand: "Wenn die Grenzwerte erheblich überschritten werden, wenn 50 Milligramm überschritten wird pro Liter, dann darf es eigentlich gar keine Düngung mehr geben, sondern dann muss es erst mal zu einem Düngestopp kommen und sofort Umkehrmaßnahmen müssen eingeleitet werden, die die Nitrateinträge verhindern."
    Geers: Heißt übersetzt, Frau Fecke: Das worauf sich Bund und Länder in der letzten Woche geeinigt haben beim neuen Düngegesetz, das reicht aus Sicht der Wasserwirtschaft hinten und vorne nicht, um unser wichtigstes Lebensmittel, das Trinkwasser zu schützen.
    Fecke: Nun ist nitratverseuchtes Grundwasser nicht nur ungesund, sondern auch noch teuer. Vielen Dank für diese Erläuterungen, Theo Geers.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.